Die Idee zum Start-up stammt von Frank Peters. Seine Skizze eines Demonstrators, der eine Technologie zeigt, mit der mehrere Roboter auf engstem Raum in ihrer Bewegung koordiniert werden, überzeugte Prof. Frank Fitzek vom Telekom-Lehrstuhl an der TU Dresden. Die Finanzierung für den ersten Demonstrator stand also, doch es musste schnell gehen: Schon kurze Zeit später sollte die „Roboshpere“ auf der Wissenschaftsmesse Spin2030 vorgestellt werden. Bei der diesjährigen „Fabrik des Jahres“ ging Evasive Robotics als Gewinner aus der Start-up-Challenge hervor.
„Robotik-Hardware ist unheimlich leistungsfähig, aber auch unglaublich schwer zu nutzen. Es gibt sehr viele einzelne Lösungen, wie die Hardware von unterschiedlichen Robotern angesteuert wird – etwa um etwas zu greifen“, erklärt Co-Founder Stefan Zetzsch. Denke man an das Zusammenspiel vieler Roboter, hätten die meisten Menschen die Multirobotik-Anlagen großer Autohersteller vor Augen.
„Die OEMs können diese Anlagen amortisieren, weil sie sehr hohe Stückzahlen in Massenproduktion oder Großserien produzieren. Überall sonst ist der Aufwand, Multirobotik Szenarien in Betrieb zu nehmen, allerdings viel zu hoch“, sagt Zetzsch.
Genau hier setzt die Idee an: Die Programmieraufwände deutlich reduzieren, das Potenzial im Zusammenspiel auch für andere Szenarien nutzbar machen und „mehr“ aus der „enorm potenten“ Hardware machen.
Vision: Ganze Fertigungslinien in Echtzeit steuern
Vor allem wollte Peters als studierter Maschinenbauer und Robotikwissenschaftler eine allgemeingültige Lösung entwickeln, die Hersteller- und Kinematik-unabhängig nutzbar ist. So sollten sich etwa die vielfältigen Kinematiken für Knickarmroboter abbilden lassen.
„Mit unserer Technologie sind wir aber auch in der Lage, fahrerlose Transportsysteme, Drohnen, Portale, Türen oder Zylinder zu koordinieren. Damit lässt sich in einem größeren Szenario wie beispielsweise einer Fertigungslinie alles miteinander orchestrieren und steuern“, beschreibt Zetzsch die Zukunftsvision.
Noch ist das Start-up in der Gründungsphase. Ideengeber Frank Peters soll künftig CEO werden und verantwortlich für die Entwicklung sein. Der zweite Co-Founder ist Automatisierungsingenieur David Kuß, der in seinem Beruf bereits in Taiwan, USA und Schweiz Robotik- und Automatisierungslinien in Betrieb genommen hat und diese Praxiserfahrung einbringt.
Stefan Zetzsch selbst kommt als dritter Co-Founder im Bunde als Netzwerker hinzu. Er hat rund zehn Jahre in der Industrie gearbeitet und Erfahrung im Mittelstand sowie im Führen großer Teams. Derzeit arbeiten fünf Personen plus Studenten im Rahmen einer Forschungsgruppe an der Idee.
Doch schon bis Ende des Jahres soll das Team auf 18 Mitarbeitende anwachsen – der Großteil der Expert:innen aus Software, Robotik und Automatisierung ist bereits rekrutiert. Zum einen übe die Robosphere echte Faszination aus, zum anderen stehe an der TU Dresden und der HTW ein großer Pool an Talenten zur Verfügung, erklärt Zetzsch den schnellen Erfolg bei der Personalsuche.
Die Technologie nutzt bisher wenig erforschte Algorithmen
Der Algorithmus ist echtzeitfähig und soll künftig in der Lage sein, auf erkannte Personen und Gegenstände im Raum zu reagieren. Damit habe die Technologie das Potenzial, künftig das Zusammenspiel von Mensch, Robot und Cobot jenseits von Absperrungen und Zäunen abzusichern, meint der Mitgründer.
Hier sei allerdings noch viel technische und regulatorische Entwicklungsarbeit notwendig. So ist das Start-up etwa im Forschungsprojekt SIRO zur Mensch-Maschine-Interaktion aktiv.
Johann Kraus (Rohde & Schwarz) über die Fabrik des Jahres und das Werk Teisnach
Die Technologie basiert auf der Verwendung von weitestgehend unbeforschten Algorithmen. „Mit unserem mathematischen Ansatz berechnen wir im Voraus, wo die Roboter sich hinbewegen werden, schauen also ein Stück in die Zukunft und prüfen das immer gegen die aktuelle Position, um so eine Echtzeitsteuerung zu ermöglichen“, erklärt Zetzsch das Konzept.
Dafür wird das komplette Bewegungsnetz dauerhaft überwacht, um auf alle Einflüsse zu reagieren. Das Kernrezept der Gründer besteht darin, dass es keinen hart programmierten Code für die einzelnen Roboterbewegungen gibt. Stattdessen lässt die selbst programmierte Steuerungssoftware einen Großteil der bisherigen Steuerungsintelligenz notwendigerweise außen vor, da diese nicht Multi-Roboter-kompatibel ist.
Fabrik des Jahres
Die Fabrik des Jahres zählt zu den renommiertesten Industrie-Wettbewerben in Europa. Auf dem gleichnamigen Kongress werden jedes Jahr die Gewinner geehrt. Der nächste Kongress wird am 18. und 19. März 2025 stattfinden.
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Es werden nur Ziel und Job definiert
Bisher funktionierte die Programmierung für das Zusammenspiel multipler Roboter typischerweise nach stochastischen Pfadfindungslogiken. Nach dem Master-Slave-Prinzip wird erst ein Roboter geplant, der zweite muss dann um den geblockten Raum des ersten herum agieren und so weiter.
„Je mehr Roboter und je mehr Lösungen es gibt, blockiert sich dieser Ansatz sehr schnell und geht mit viel mehr Rechenaufwand einher“, so Zetzsch. Anstatt fixe Pfade zu planen, werden in der neuen Technologie nur Ziel und Job definiert, nicht aber, wie der Roboter das konkret erledigt.
Derzeit funktioniert das Konzept noch kabelgebunden. Aktuell ist noch keine Funkübertragung der Steuerungsdaten mit 5G möglich, auch wenn natürlich eine Wireless-Anwendung für die Bewegungskoordination angestrebt wird. Doch auch das ist noch ein Forschungsgegenstand, denn 5G ist aus Sicht des Start-ups dafür nicht performant genug. In diesem Kontext forschen die Experten beim 6G Live Forschungsnetzwerk der nächsten Mobilfunkgeneration mit.
Gefundenes Fressen für den Maschinenbau
Für den Maschinen- und Anlagenbau liegt der Nutzen der Technologie also vor allem darin, dass die Kosten für die Programmierung von Robotern deutlich sinken sollen. „Heute wird sehr viel Zeit und Geld benötigt, um die Anwendungen in die Praxis zu bringen, das übernimmt bei uns die Software. Zudem ist man im laufenden Betrieb sehr viel flexibler. Dann lohnt sich Robotik auch für niedrigere Stückzahlen und komplexer zu fertigende Produkte“, konstatiert der Mitgründer.
Gerade bei kürzeren Produktzyklen brauche es schnell adaptierbare Automatisierungslösungen.
Deutscher Maschinenbau-Gipfel
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Derzeit ist die Forschungsgruppe in Gesprächen mit Autoherstellern, Systemlieferanten und Robotikherstellern und bereitet sich vor, um im vierten Quartal mit Venture-Kapitalgebern zu sprechen. Auf der 'Automate' in Chicago haben die Gründer bereits einen Use Case mit Neura Robotics bei Stuttgart vorgeführt, auf den man sich beim Markteintritt fokussieren will. Dabei geht es um das Multi Robot Bin Picking, also den klassischen Griff in die Kiste.
Bisher gab es das vor allem mit einem Roboter in der Industrie. Das Start-up kann dieses Szenario mit bis zu sechs Robotern umsetzen und es damit schneller und flexibler machen. So können die Roboter unterschiedliche Greifer für verschiedene Gegenstände ausgestattet werden – oder gleich zwei Produktionslinien aus einer Kiste versorgen.
In den nächsten Jahren sollen weitere Use Cases aufgebaut werden, um die große Vielfalt in der Industrie abzudecken. Dazu zählen etwa das Palettieren, Applikationen wie Schleifen oder Schweißen oder das Battery-Stacking in der Batteriefertigung.