China scheint alllgegenwärtig zu sein.

China scheint alllgegenwärtig zu sein und stellt die deutsche Wirtschaft vor große Herausforderungen. (Bild: studio v-zwoelf - adobe.stock.com)

„Warum die IAA zur ‚China-Show‘ wird“ oder „Doppelt so viele chinesische Hersteller auf der IAA wie 2021“ waren nur zwei Headlines in der Berichterstattung über die Eröffnung der IAA 2023 in München. Aber auch im Bereich der Robotik scheint China die Nase vorne zu haben. China scheint alllgegenwärtig zu sein und stellt die deutsche Wirtschaft vor große Herausforderungen.

So konstatiert Patrick Schwarzkopf, Geschäftsführer VDMA Fachverband Robotik + Automation, ganz nüchtern in einem aktuellen VDMA-Strategiepapier: „Erst kürzlich überholte China die USA bei der Roboterdichte und dürfte Deutschland noch in diesem Jahr beim Automationsgrad im produzierenden Gewerbe überholen. Deutschland muss jetzt mit einer ambitionierten Strategie in die Umsetzung kommen, um an der Weltspitze zu bleiben."

Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) dominiert China auch bei einzelnen Rohstoffen und Produkten die deutsche Versorgung und könnte als Lieferant kurzfristig nicht ersetzt werden.

De-Risking statt Decoupling

Nicht zuletzt auf diesem Hintergrund hat die Bundesregierung daher im Juni 2023 erstmals eine ressortübergreifende und umfassende China-Strategie beschlossen. Zentrales Ziel der Strategie ist es, den komplexen Beziehungen zu China eine Struktur und eine Richtung zu geben – in vollem Einklang mit den Zielsetzungen der EU. Danach hält Deutschland aber weiter an der wirtschaftlichen Verflechtung und den engen Handelsbeziehungen mit China fest.

Künftig wird es aber darum gehen, die ökonomische Resilienz zu erhöhen und Risiken zu mindern. Insbesondere in kritischen Bereichen will die Bundesregierung Abhängigkeiten verringern und die Wirtschaftsbeziehungen insgesamt diversifizieren.

Das Ziel ist dabei, ausgewogene Partnerschaften in Asien auf- und auszubauen, ohne sich gegenüber China mit einem Decoupling zu verschließen. „Es geht nicht um Decoupling. De-Risking ist das Schlagwort der Stunde“, sagt auch IW-Studienautor Jürgen Matthes. „Weniger mit China zu handeln, ist vor allem bei wirklich kritischen Abhängigkeiten nötig. Welche das sind, gilt es nun mit Unterstützung der Politik herauszufinden. Sonst bleibt De-Risking eine leere Floskel. “

Ähnlich äußert sich ein Sprecher des Automobilzulieferers ZF dazu: „Wie die Bundesregierung sehen wir im Decoupling der Wirtschaft keine Lösung. Da ZF in dem Land nicht überproportional engagiert ist, gibt es aus unserer Sicht keine Notwendigkeit, unser Engagement dort zu reduzieren. China ist für ZF ein wichtiges Land, das bei den Zukunftstechnologien wie E-Mobilität und autonomem Fahren längst eine Vorreiterrolle einnimmt.“

Ziele der China-Strategie der Bundesregierung

  • Sie soll die Sichtweise der Bundesregierung auf den Stand und die Perspektiven der Beziehungen mit China darlegen.
  • Sie soll die Bundesregierung in die Lage versetzen, in der komplexen Beziehung zu China unsere Werte und Interessen besser zu verwirklichen.
  • Sie soll Wege und Instrumente aufzeigen, wie die Bundesregierung mit China zusammenarbeiten kann, ohne Deutschlands freiheitlich-demokratische Lebensweise, unsere Souveränität, unseren Wohlstand sowie unsere Sicherheit und Partnerschaften mit anderen zu gefährden.
  • Sie soll den Rahmen setzen, innerhalb dessen die Ressorts der Bundesregierung ihre Politik gegenüber China kohärent gestalten.
  • Sie soll die Grundlage bilden für verstärkte chinapolitische Koordinierung mit Stakeholdern in Deutschland, in Europa und darüber hinaus.

Quelle: China-Strategie der Bundesregierung, Auswärtiges Amt

ZF sieht in China weiter Potenzial für Wachstum

Seit mehr als 40 Jahren ist ZF in China vertreten. Rund 18 Prozent der ZF-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in China beschäftigt. Das Land hat einen Anteil von rund einem Sechstel (17,6 Prozent) am Konzernumsatz; die Region Asien-Pazifik hat inklusive China einen Umsatzanteil von rund einem Viertel (24,4 Prozent). Das ist unterhalb des Durchschnitts der ZF-Kunden und großer Wettbewerber. „Insofern sehen wir in China eher Potenzial für Wachstum, um entsprechend der ZF-Konzernstrategie einen ausgeglichenen Footprint in Nordamerika, Europa und Asien zu haben“, so der ZF-Sprecher weiter.

Steffen Haack: „Als Wirtschaftsunternehmen investieren wir kontinuierlich in alle unsere Märkte weltweit. Das gilt auch für China.
Steffen Haack, Vorstandsvorsitzender bei Bosch Rexroth. (Bild: Bosch Rexroth)

Doch ganz so einfach ist es nicht, in China Fuß zu fassen und geschäftlich erfolgreich zu sein, wie Steffen Haack, Vorstandsvorsitzender Bosch Rexroth, ausführt: „China tickt komplett anders als der Rest der Welt. Europäisch gedachte Strategien funktionieren nicht 1:1 für den chinesischen Markt. Genau darin liegt die Herausforderung. Wir sehen Unterschiede bei den Marktmodellen, den dazugehörigen Produkten und im Service und den Marktgeschwindigkeiten. Es gibt auch einige Risiken zu beachten, wie den ungewollten Technologietransfer oder die geopolitische Situation.“

Niederflur-Achssysteme von ZF ermöglichen im Bus Rapid Transit-Busverkehrssystem einen komfortablen und schnellen Fahrgastwechsel (hier in der chinesischen Megastadt Guangzhou).
Niederflur-Achssysteme von ZF ermöglichen im Bus Rapid Transit-Busverkehrssystem einen komfortablen und schnellen Fahrgastwechsel (hier in der chinesischen Megastadt Guangzhou). (Bild: ZF)

„China ist Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale“

Ulrich Ackermann: „Es ist nicht im Sinne der deutschen Wirtschaft, wenn die Bundesregierung restriktiv in das Exportgeschäft mit China eingreift.
Ulrich Ackermann, Abteilungsleiter Außenwirtschaft beim VDMA. (Bild: VDMA)

Ohne Zweifel hat sich China in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt. Und die Lieferschwierigkeiten deutscher und europäischer Anbieter in den Corona-Zeiten haben den chinesischen Wettbewerbern den Einstieg in früher von westlichen Anbietern dominierte Märkte erleichtert. „Das Land verfolgt das Ziel, die eigene Innovationskraft zu stärken und greift dabei strategisch in das Wirtschaftsgeschehen ein, zum Nachteil ausländischer Unternehmen“, sagt Ulrich Ackermann, VDMA, Abteilungsleiter Außenwirtschaft.

Auf die Initiative der Bundesregierung angesprochen betont Ackermann: „Es ist wichtig, dass Deutschland eine China-Strategie erarbeitet hat und auch die Grundanalyse ist richtig: China ist ein Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale. Die deutsche China-Strategie ist aber nur der erste Schritt. Was wir brauchen, ist eine Abstimmung und Koordination auf europäischer Ebene. Europa muss gegenüber China mit einer Stimme sprechen.“

Die Unternehmen selbst seien für die Bewertung der geopolitischen Risiken und Abhängigkeiten verantwortlich und würden dem in der Praxis auch gerecht werden.

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So hat ZF beispielsweise mit seiner Lokalisierungsstrategie ‚local for local‘ weltweit die Abhängigkeit von Lieferungen von und nach China in den vergangenen Jahren systematisch reduziert. „Mit diesem De-Risking geht einher, dass wir unsere Lieferketten resilienter gestaltet haben. Gleichzeitig haben wir unseren Umsatz in China in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert“, sagt der ZF-Sprecher.

China-Strategie setzt nicht auf Abschottung

Auch Haack sieht im China-Papier der Regierung den richtigen Weg: „China hat mit seiner riesigen Bevölkerung und als maßgeblicher wirtschaftlicher Treiber global eine bedeutende Rolle – deshalb halten wir es für richtig und wichtig, dass die Bundesregierung ihre künftige Strategie für die Beziehungen zu China festgelegt hat.“ Die vorgelegte China-Strategie enthält eine Reihe von Elementen, die für die zukünftige Ausgestaltung der bilateralen Beziehungen in der Industrie von großer Bedeutung sind.

„So setzt die Strategie nicht auf Abschottung, was wir sehr begrüßen“, erläutert Ackermann. „Die Bunderegierung will darauf hinwirken, den Markt für öffentliche Aufträge in China weiter zu öffnen und einen uneingeschränkten, grenzüberschreitenden Datentransfer sicherzustellen. Beides sind Forderungen, die der Maschinen- und Anlagenbau bereits seit längerem erhebt.

Stephan Mayer, CEO Werkzeugmaschinen bei Trumpf über China

Des Weiteren hat die Politik die Auswirkungen der chinesischen Normungsstrategie erkannt und möchte das Engagement europäischer Akteure in diesem Themenfeld stärken. Entsprechende Initiativen werden vom VDMA unterstützt.

Bosch Rexroth geht hier einem ausgewogenen Ansatz nach, wie Haack sagt: „Es ist uns als Unternehmen wichtig, unsere Standorte weltweit zu stärken und einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden. Wir tragen dazu mit unserer breiten Aufstellung in Europa wie auch umfangreichen Investitionen in unser internationales Produktionsnetzwerk bei: derzeit beispielsweise in Deutschland, Slowenien, USA und Mexiko. Zugleich bleibt China als Markt wie auch wirtschaftlicher Partner von großer Relevanz für uns.“ Als Wirtschaftsunternehmen investiert Bosch Rexroth kontinuierlich in alle Märkte weltweit. „Das gilt auch für China.“

Bosch Rexroth investiert außer in China auch weltweit unter anderem in die Elektrifizierung mobiler Arbeitsmaschinen.
Bosch Rexroth investiert außer in China auch weltweit in elektrische Automationstechnik, die Elektronifizierung der Hydraulik und in die Elektrifizierung mobiler Arbeitsmaschinen. (Bild: Bosch Rexroth)

Local-for-local-Ansatz als Erfolgsfaktor

Bosch Rexroth verfolgt grundsätzlich eine langfristige Strategie in China, wo das Unternehmen bereits seit 1978 aktiv ist und heute vier Fertigungsstandorte sowie weitere Niederlassungen betreibt mit rund 2.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wie bei ZF ist auch hier der ‚local for local‘-Ansatz ein wesentlicher Erfolgsfaktor.

„In China produzieren wir vor allem für China selbst: Mehr als 95 Prozent unserer chinesischen Wertschöpfung bleibt im Land. Neben den eigenen Aktivitäten im gehobenen Marktsegment sind wir auch im mittleren Segment mit lokal eigenständigen Unternehmen unter anderem als Gemeinschaftsunternehmen mit lokalen chinesischen Firmen unterwegs“, so Haack weiter.

Für Ackermann steht über allem die Stärkung der deutschen und europäischen Wettbewerbsfähigkeit, „die wir selbst aktiv beeinflussen können“. Es dürfe darüber hinaus nicht zu einem Abbau der Exportförderinstrumente in Richtung China kommen. „Es ist nicht im Sinne der deutschen Wirtschaft, wenn die Bundesregierung restriktiv in das Exportgeschäft mit China eingreift. Denn der Markt ist kurz- und mittelfristig nicht ersetzbar. Die deutsche Politik kann mit ihren Förderinstrumenten dabei helfen, Absatzmärkte ‚Beyond China‘ zu erschließen. Darüber hinaus gilt es, den EU-Binnenmarkt vor unfairen Handelspraktiken aus China zu schützen“, so Ackermann weiter.

Europa gegenüber China und den USA selbstbewusst auftreten

Neben den von Ackermann zitierten unfairen Handelspraktiken dürfte vor allem die Gefahr, in all den China-Bemühungen zwischen die Mühlen der USA und Chinas zu geraten, eine sehr große Herausforderung sein, dazu Steffen Haack: „Eine anständige und wertschätzende Art, Geschäfte zu machen, ist unser Grundprinzip in jeder Region, in der wir aktiv sind. Dabei gilt immer: Man muss stets gewappnet sein für Herausforderungen und sich wandelnde Rahmenbedingungen und in alternativen Szenarien denken.“ Ulrich Ackermann wünscht sich an dieser Stelle, das Europa gegenüber China und den USA selbstbewusst auftreten sollte, „denn wir haben gerade im Maschinenbau noch technologisch einiges zu bieten“.

Auch ist der große EU-Binnenmarkt gerade für China als Absatzmarkt sehr wichtig. Eine Risikoreduzierung vor einem möglichen Decoupling von USA und China können die Maschinenbauunternehmen nach Ansicht Ackermanns dadurch erreichen, „dass sie auf eine Kombination aus Vorsprung durch Innovationen, Diversifizierung der Lieferketten, Ausbau der lokalen Investitionen (‚local for local‘) oder Entwicklung von ‚US-free‘- und ‚China-free‘-Produkten setzen. Keine der genannten Strategien sei eine perfekte Lösung, und jede dieser Lösungen trage Kosten und Risiken, die gegen die Vorteile abgewogen werden müssten.  

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