Siemens Hauptsversammlung

Siemens-Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser sprach bei der Hauptversammlung unter anderem zum Thema Nachhaltigkeit. - (Bild: Siemens)

Wie haben die Verantwortlichen auf die Kritik zur Beteiligung an einem Kohleminen-Projekt in Australien reagiert?

Umweltorganisationen und Klimaaktivisten kritisieren Siemens seit Wochen für seine Mitarbeit an einem Kohlebergwerk-Projekt des indischen Adani-Konzerns in Australien. Siemens wird dafür eine Zugsignaltechnik im Wert von rund 18 Millionen Euro für eine Bahnstrecke liefern. Über die Bahnlinie will Andani die Kohle vom Bergwerk zum Hafen transportieren. Am Rande der Hauptversammlung haben Klimaschützer, unter anderem von der Bewegung Fridays for future, für einen Stopp des Projektes protestiert. „Siemens schür keine Feuer“ und „Siemens zündelt“ stand auf einigen Plakaten.

Vorstand Joe Kaeser äußerte sich sowohl in der Pressekonferenz als auch in der Hauptversammlung zur Kritik. Beide Male erklärte er, dass Siemens bereits vor fünf Jahren angekündigt habe, bis 2030 klimaneutral sein und bis 2020 50 Prozent seiner Emissionen reduzieren zu wollen. Der Konzern sei dabei auf einem sehr guten Weg, so Kaeser. „Insoweit mutet es schon fast grotesk, dass wir durch ein Signaltechnikprojekt in Australien zur Zielscheibe zahlreicher Umweltaktivisten geworden sind“, sagte er weiter.

Kaeser erklärte aber auch: Siemens habe das gesamte Bild des Auftrages nicht richtig und auch nicht rechtzeitig gesehen. „Wären wir noch einmal in einer Situation, in der wir frei entscheiden könnten, fiele sie sicherlich anders aus“, sagte er. Das Projekt sei jedoch von der Regierung genehmigt und eine große Mehrheit der indigenen Bevölkerung habe es angenommen. Er erklärte zudem, dass die von Siemens gelieferte Technik für die Inbetriebnahme der Miene irrelevant sei.

Die Klimakrise sei real, global und eine existenzielle Bedrohung für Millionen von Menschen, sagte der Siemens-Chef weiter. Die jetzige Managementgeneration sei wahrscheinlich eine der letzten, die noch für eine Wende sorgen könne. Der Vorstandsvorsitzende kündigte an, dass Siemens bis 2025 eine Milliarde Euro für Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette bereitstellen möchte. Das Unternehmen wolle einen lösungsorientierten Dialog mit allen Interessengruppen, erklärte er.

Auf seine Aussage, dass Protest allein nichts bringe, reagierte Fridays for future auf Twitter mit den Worten „Die Verträge Ihres Konzerns mit Adani bedrohen unsere Zukunft, deshalb protestieren wir, Herr Kaeser“.

Hat Siemens Konsequenzen aus der Kritik gezogen?

Siemens-Aufsichtsratsvorsitzender Jim Hagemann Snabe kündigte erneut an, dass das Unternehmen ein Nachhaltigkeitskomitee für Siemens Energy einrichten werde. Darin sollen sich auch externe Experten beteiligen können, um sich „produktiv und faktenbasiert“ auszutauschen und Lösung zu finden, so Snabe. Der Konzern sehe sich angespornt, den eigenen Wandel zu beschleunigen. Zudem müsse man bei Geschäftsentscheidungen noch stärker berücksichtigen, welche Auswirkungen diese auf das Klima haben, erklärte Snabe.

Dass die Kritik um das Kohleminen-Projekt einen größeren Schaden für das Unternehmen haben wird, glaubt Wolfang Donie, Corporate Researcher bei der Norddeutschen Landesbank (Nord/Lb), nicht. Die Diskussion werde dazu führen, dass Siemens das Ziel der Klimaneutralität schneller und konsequenter umsetzt, sagt er. „Bei zukünftig konkludentem Handeln dürfte die Diskussion mittel- bis langfristig eher unschädlich sein“, so der Corporate Researcher. Als Industrieunternehmen unterhalte Siemens zudem keine Geschäftsbeziehungen zu Konsumenten.

Wie ist das Geschäftsjahr 2018/19 für Siemens verlaufen?

Aufsichtsratsvorsitzender Snabe sprach in seiner Rede von einem erfolgreichen Geschäftsjahr. Auch Vorstandsvorsitzender Kaeser zeigte sich zufrieden: Die Jahresprognose sei voll erfüllt worden, erklärt er. Der Umsatz sei moderat um drei Prozent gewachsen. Mit einem Wert von 1,13 sei der Book-to-bill, also das Verhältnis von Auftragseingang und Umsatz, sogar größer als prognostiziert gewesen. „Die Erfolgsserie hält an“, sagte Kaeser. Denn Siemens habe im sechsten Jahr in Folge die Prognoseziele erreicht.

„Wir sind wieder zurück auf dem Wachstumspfad mit einer erheblichen Steigerung der profitablen Geschäfte“, erklärte der Vorstand. Experte Wolfgang Donie erklärt, dass Siemens nach einem starken Schlussquartal 2018/19 das Geschäftsjahr noch „ganz respektabel“ abgeschlossen habe.

Im vergangenen Jahr hat Siemens 43.400 Menschen neu eingestellt – 5.300 davon in Deutschland.

Joe Kaeser und Jim Hagemann Snabe
Joe Kaeser (links) und Jim Hagemann Snabe eröffneten die Hauptversammlung von Siemens. - (Bild: Siemens)

Und wie sieht es mit dem Geschäftsjahr 2019/20 aus?

Das Geschäftsjahr habe „etwas verhalten“ begonnen, sagte Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser. Der Umsatz im ersten Quartal legte leicht um ein Prozent auf 20,3 Milliarden Euro zu. Zwar blieb der Gewinn mit rund 1,1 Milliarden Euro in etwa auf Vorjahresniveau, jedoch sanken die Neuaufträge um zwei Prozent auf 24,8 Milliarden Euro. Der Auftragsbestand erreichte einen Rekordwert von 149 Milliarden Euro.

Wolfgang Donie von der Nord/Lb erklärt, sagt, dass der Grund für den verhaltenen Start die ebenfalls verhaltene weltwirtschaftliche Entwicklung sei, die sich insbesondere auf den kurzzyklischen Bereich auswirke. „Immerhin wurde aber die Jahresprognose, die schon im November anzeigt, dass die Bäume in diesem Jahr nicht in den Himmel wachsen würden, bestätigt“, sagt der Experte weiter.

Welche Herausforderungen hat das Unternehmen dieses Jahr?

Für Experte Wolfgang Donie ist die Ausgliederung und der Börsengang von Siemens Energy das momentan wichtigste Projekt für das Unternehmen. Dazu erklärte Aufsichtsratsvorsitzender Jim Hagemann Snabe, dass sich Siemens künftig in drei Unternehmen gliedern wolle: Die Siemens AG, Siemens Healthineers und Siemens Energy. Alle drei Unternehmen sollen Snabe zufolge die Geschwindigkeit und Flexibilität besitzen, um in ihren jeweiligen Märkten erfolgreich zu sein. Die Siemens AG wird als Kernelemente künftig nur noch Digital Industries, Smart Infrastructure und Mobility haben.

Über die Abspaltung von Siemens Energy sollen die Aktionäre im Juli in einer außerordentlichen Hauptversammlung abstimmen. „Die Eigenständigkeit von Siemens Energy ist ein Meilenstein in der Geschichte von Siemens“, sagte Snabe. Er erklärte, dass viele diesen Schritt als Verkleinerung des Unternehmens sehen. Jedoch würden die drei Unternehmen wie Mitglieder einer Familie miteinander verbunden bleiben, können sich aber eigenständig entwickeln. Die drei Unternehmen sollen künftig auch von drei Vorständen geleitet werden. Snabe sagte, dass man Michael Sen als Vorstandsvorsitzenden für Siemens Energy vorschlagen wolle. Sen ist bei Siemens bereits Mitglied im Vorstand und CEO der Energiesparte „Gas and Power“.

Wolfgang Donie hält die Abspaltung von Siemens Energy für sinnvoll. Die komplette Wertschöpfungskette der Energieerzeugung und Verteilung gebe es künftig dann schlagkräftig aus einer Hand. „Siemens selbst dürfte zudem von positiven Bewertungseffekten profitieren“, meint der Experte.

Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser erklärte, dass Siemens Energy Ende September an die Börse gehen solle. Die Siemens AG werde sich mit einer Minderheitsbeteiligung an Siemens Energy beteiligen. Das neue Unternehmen solle dann eine wichtige Rolle in der weltweiten Energiewende spielen. Dazu sei auch ein robustes Geschäft mit erneuerbaren Energien erforderlich. In diesem Zusammenhang erwähnte Kaeser auch Siemens Gamesa Renewable Energy (SGRE). Am Dienstag verkündete das Unternehmen, dass die Siemens AG alle von Iberdrola gehaltenen SGRE-Anteile (8,1 Prozent) übernehmen wird. Damit hält die Siemens AG nun 67 Prozent.

War die heutige Hauptversammlung die letzte von Joe Kaeser?

Kaesers Vertrag endet Ende des Jahres. Aufsichtsratsvorsitzender Snabe erklärte auf der Hauptversammlung, dass sich der Aufsichtsrat im Sommer mit der Nachfolge beschäftigen wolle. Zunächst wollen man sich nun auf die Abspaltung von Siemens Energy konzentrieren. „Zum ersten Mal in 50 Jahren hat das Unternehmen einen früh eingeleiteten und geordneten Nachfolgerprozess“, sagte Snabe. Bei Kaeser bedankte er sich dafür, dass er auch gegen Ende seiner Amtszeit große Veränderungen nicht scheut und den Wandel des Unternehmens weiter beschleunigt.

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