Intel: Keine Chip-Fabrik in Magdeburg
Das geplante Halbleiter-Mammutprojekt in Magdeburg war Europas große Hoffnung auf mehr technologische Unabhängigkeit. Jetzt ist klar: Intel zieht endgültig den Stecker in Sachen Chip-Fabrik.
Die Chip-Fabrik von Intel in Magdeburg bleibt virtuell: Der Konzern hat die Pläne für den Bau gecancelt.
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Chip-Fabrik von Intel: Warum scheitert der Magdeburg-Deal?
Was als Hoffnungsträger der europäischen Industriepolitik begann, endet als Rückzugsgefecht eines Tech-Giganten im Krisenmodus. Intel hatte mit der geplanten Chip-Fabrik in Magdeburg ein klares Ziel: Europas Abhängigkeit von asiatischen Halbleiterlieferungen zu senken und gleichzeitig das eigene Geschäftsmodell als Auftragsfertiger neu zu definieren. 30 Milliarden Euro waren vorgesehen, 3.000 hochqualifizierte Arbeitsplätze sollten entstehen, die Bundesregierung versprach 9,9 Milliarden Euro an Subventionen. Und dennoch: Das Projekt ist Geschichte.
Die Gründe sind vielschichtig – und ein Weckruf für den gesamten Industrie- und Technologiestandort Deutschland. Intel spricht von „neuer Ausgaben-Disziplin“ und verweist auf fehlende Nachfrage. Doch dahinter steckt mehr: ein Strategiewechsel, finanzielle Schieflagen und Zweifel am europäischen Produktionsstandort.
Welche Rolle spielt die weltweite Chipkrise?
Die Corona-Pandemie, geopolitische Spannungen und wachsende Handelsbarrieren hatten die Welt in eine Halbleiterkrise gestürzt. Plötzlich standen ganze Industriezweige – von der Automobilproduktion bis zur Unterhaltungselektronik – still. Europa reagierte: Der „EU Chips Act“ sollte mit über 43 Milliarden Euro Investitionen den Kontinent zurück auf die Landkarte der Chipfertigung bringen.
Intel sprang auf diesen Zug auf – mit großen Worten und noch größeren Plänen. Doch die Chipkrise hat sich inzwischen entschärft. Lager sind wieder gefüllt, Nachfrage flacht ab, die goldene Zeit der Kapazitätserweiterungen scheint vorerst vorbei. Das Timing von Intel war denkbar schlecht – und das europäische Großprojekt ein Opfer falscher Marktprognosen.
Was plant Intel jetzt stattdessen?
Der neue CEO Lip-Bu Tan setzt auf Konsolidierung. Fabrikpläne werden weltweit auf den Prüfstand gestellt – nicht nur in Magdeburg. Auch ein geplantes Werk in Polen fällt weg, selbst am Heimatstandort in Ohio soll langsamer gebaut werden.
Im Zentrum steht eine radikale Kostenkontrolle: Statt auf Vorrat zu produzieren, soll künftig nur noch gebaut werden, wenn konkrete Aufträge vorliegen. Das ist ein harter Bruch mit der Expansionsstrategie von Vorgänger Pat Gelsinger, der Intel als Auftragsfertiger à la TSMC oder Samsung neu positionieren wollte. Doch ohne Kunden, die diese Kapazitäten benötigen, macht selbst die modernste Fabrik keinen Sinn.
Welche Auswirkungen hat das auf die gesamte Branche?
Die Rückzugsbewegung von Intel könnte eine Kettenreaktion auslösen. Wenn ein Branchenriese trotz Milliardenhilfen aussteigt, stellt sich für andere Player die Frage nach der wirtschaftlichen Logik solcher Ansiedlungen. Noch laufen Projekte von TSMC in Dresden oder GlobalFoundries in Dresden stabil – doch der Druck auf Geschäftsmodelle und Fördergeber steigt.
Zudem rückt die Frage in den Fokus, ob Europa technologisch überhaupt konkurrenzfähig ist. Während Nvidia und AMD bei KI-Chips Marktanteile gewinnen und TSMC technologisch Maßstäbe setzt, kämpft Intel mit Rückständen in der Fertigungstechnologie. Der mögliche Verzicht auf die neue Prozessgeneration 14A wirft weitere Schatten auf die Innovationskraft des einstigen Marktführers.
3 Phasen: Der gescheiterte Aufbau in Magdeburg
Phase 1: Euphorie
Im März 2022 verkündete Intel den Bau zweier Fabriken in Magdeburg – mit einem Investitionsvolumen von 17 Milliarden Euro, später auf 30 Milliarden Euro erhöht. Deutschland feierte die Entscheidung als industriepolitischen Meilenstein. Bundeskanzler Scholz sprach von einem „zentralen Hebel für mehr technologische Souveränität“.
Phase 2: Erste Dämpfer
2023 wird klar: Die ursprünglich veranschlagten Kosten steigen massiv, die Lieferkettenprobleme schlagen durch. Intel verlangt eine Verdopplung der staatlichen Förderung. Parallel dazu schwächelt das Geschäft – die Nachfrage bricht ein, insbesondere aus der PC- und Serverbranche.
Phase 3: Stillstand und Rückzug
Im September 2024 dann die Nachricht: Das Projekt wird „für zwei Jahre auf Eis gelegt“. Intern kursieren längst Zweifel, ob es je realisiert wird. Mit dem Führungswechsel zu Lip-Bu Tan erfolgt schließlich der klare Schnitt – kein Bau, keine Fabrik, keine Jobs.
Wer profitiert vom Intel-Rückzug?
Zwar verliert Deutschland einen prominenten Investor – doch das freie Spielfeld könnte neue Chancen bieten. Andere Akteure wie TSMC, Bosch oder Infineon bleiben im Rennen um den Aufbau europäischer Fertigungskapazitäten. Zudem verstärkt sich der Fokus auf alternative Chiptechnologien wie Siliziumkarbid (SiC) oder Gallium-Nitrid (GaN), bei denen europäische Player mitreden können.
Auch mittelständische Zulieferer, die bislang für Intel planten, richten nun den Blick auf andere Kunden. Die Umorientierung mag kurzfristig schmerzhaft sein – langfristig könnte sie aber Innovationspotenzial freisetzen, das nicht allein von Großkonzernen abhängig ist.
Wege aus der Abhängigkeit: Was Europa jetzt lernen muss
Der Intel-Rückzug sollte nicht nur als Niederlage gelesen werden, sondern als Startschuss für eine ehrliche Analyse. Förderprogramme müssen transparenter und flexibler werden. Standortentscheidungen dürfen sich nicht in Bürokratie verlieren. Und vor allem: Der Aufbau eigener Schlüsselkompetenzen darf nicht mit Leuchtturmprojekten enden, sondern muss über die gesamte Wertschöpfungskette gedacht werden – von der Forschung bis zur Produktion.
Mit Material der dpa