Eine Moschee im Iran

Eine Moschee im Iran. Das Land steckt derzeit in der Krise. - (Bild: Pixabay)

Nach Rosen riecht es in Isfahan schon lange nicht mehr - eher nach Schießpulver. Im November erschoss die Polizei in der iranischen Stadt der Gärten sowie der Hauptstadt Teheran mehr als 1.500 Demonstranten – darunter 17 Teenager und hunderte Studenten. Das berichtet die Nachrichten Agentur Reuters unter Berufung auf das iranische Innenministerium.

Die Menschen hatten gegen die hohe Arbeitslosigkeit und die exorbitante Inflation in der zweitgrößten Volkswirtschaft am persischen Golf demonstriert. Vier von zehn Hochschulabsolventen finden im Iran nach dem Studium keinen Arbeitsplatz.

Insgesamt ist dort jeder dritte Mensch arbeitslos. Landesweit liegt die Erwerbslosenquote dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge bei 14 Prozent. Bis 2025 wird sie nochmals um die Hälfte auf gut 20 Prozent zulegen.

Nahrungsmittelpreise haben sich in zwei Jahren verdoppelt

Zugleich lag die Teuerungsrate laut der amtlichen Statistik 2019 bei 41 Prozent. Die Preise, die Verbraucher für Nahrungsmittel und Getränke zahlen mussten, stiegen sogar um 61 Prozent. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Kosten für den Wocheneinkauf verdoppelt. Fleisch verteuerte sich allein im vergangenen Jahr um 116 Prozent.

„Die Wirtschaft des Iran befindet sich in einer schweren Rezession“, fasst Robert Espey zusammen. Er berichtet für die deutsche Außenwirtschaftsförderungsgesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI) von Dubai aus über die iranische Wirtschaft. Der IWF schätzt, dass das Bruttoinlandsprodukt des Iran im vergangenen Jahr um 9,5 Prozent geschrumpft ist.

Das Ausmaß der Rezession lässt sich nur schätzen

„Diese Zahl ist jedoch nicht gesichert“, warnt Espey. Denn viele Wirtschaftsdaten veröffentliche die Regierung in Teheran nicht mehr. „Das genaue Ausmaß der wirtschaftlichen Talfahrt lässt sich anhand der offiziellen Statistik daher kaum ermitteln“, so der GTAI-Experte. 

Das gilt auch für Annahmen zur künftigen Entwicklung. Für 2020 erwartet der IWF eine Stagnation des iranischen Bruttoinlandsprodukts. Danach werde es bis 2025 jedes Jahr um maximal ein Prozent wachsen.

Auch deutsche Unternehmen schätzen die Konjunkturaussichten des Golfstaats äußerst schlecht ein. Nach Ansicht der Teilnehmer, die die deutschen Auslandshandelskammern für den aktuellen „World Business Outlook“ befragt haben, sind die Perspektiven in keinem anderen Land so mies wie im Iran.

Produktion in Irans Autoindustrie bricht dramatisch ein

Die Entwicklung einzelner Branchen könnte darauf hindeuten, dass die Wirtschaftsleistung des 82-Millionen-Einwohner-Staates sogar noch drastischer eingebrochen ist wie vom IWF angenommen. „So ging die Produktion in der Automobilindustrie, um 50 bis 60 Prozent zurück. Sie ist Irans größte Industriebranche“, erklärt Espey.

Bei den beiden größten Herstellern des Landes, Iran Khodro und Saipa, ist die Produktion praktisch zum Erliegen gekommen, weil sie kaum mehr Vorprodukte aus dem Ausland beziehen können. Auch die Vorräte an Baugruppen und Komponenten sind weitgehend aufgebraucht.

Renault und PSA legen Kooperationen auf Eis

Europäische Autobauer sind in dem Land am Golf nicht mehr tätig. Der französische PSA-Konzern legte die Kooperation mit Iran Khodro zum Bau des „Peugeot 2008“ in Teheran auf Eis, nachdem die USA das Atomabkommen mit Iran im Mai 2018 gekündigt und neue Wirtschaftssanktionen verhängt hatten.

Renault wollte mit  der Industrial Development and Renovation Organization des Iran und dem Renault-Importeur Parto Negin Naseh Fahrzeuge der Marke „Dacia“ in Saveh, 120 Kilometer südlich von Teheran, montieren. Doch nachdem das Joint Venture 2017 noch 150.000 Pkw gebaut hatte, liefen im Dezember 2018 nur noch gut 670 „Dacia Sandero“ vom Band.

Produktionsanlagen veralten zunehmend

„Die Lage in der Automobilindustrie wirkt sich auf andere Wirtschaftszweige aus“, weiß GTAI-Vertreter Espey. So geht die Nachfrage nach Anlagen und Maschinen stetig zurück.

Dadurch veralten die Produktionsmittel zunehmend – zumal viele bereits gebraucht ins Land kamen. Ersatzteile sind durch die von den USA verhängten Sanktionen teuer und schwer zu beschaffen. Viele Betriebe können sie sich auch deshalb nicht leisten, weil der iranische Rial im Zuge der Auseinandersetzung mit den Vereinigten Staaten abgewertet hat.

Die Landeswährung verlor gegenüber dem Euro fast 44 Prozent an Wert, seit sich Iran im Juli 2015 mit den USA, China, Russland, Großbritannien, Frankreich und Deutschland auf das Abkommen zur Beschränkung seines Atomprogramms einigte.

Durch die schwache Konjunktur und die technischen Probleme sind die Kapazitäten iranischer Betriebe maximal zur Hälfte ausgelastet, befürchtet die Kreditanstalt für Wiederaufbau. In Textilbetrieben sind es sogar nur 30 Prozent, berichtet die GTAI. Auch in der Stahlherstellung gibt es Überkapazitäten, weil die Bauwirtschaft als Hauptabnehmer schwächelt.

Neue Sanktionen wirken nur noch sehr begrenzt

Es gibt jedoch auch Hoffnung am Persischen Golf. Weder die nach der Ermordung von General Qasem Soleimani von US-Präsident Donald Trump Anfang Januar gegen Iran verhängten neuen Handelsbeschränkungen noch die von der EU und den Vereinten Nationen angedrohten Strafmaßnahmen werden die wirtschaftliche Lage in dem Land weiter verschlechtern.

„Da schon die seit 2018 reaktivierten oder neu verhängten Sanktionen Iran massiv getroffen haben, wirken weitere Exportbeschränkungen nur noch beschränkt“, beruhigt Espey.

Im April vergangenen Jahres beendete US-Außenminister Mike Pompeo sämtliche Sondergenehmigungen für die Ausfuhr iranischen Öls. Bis dahin hatten vor allem China, Indien, Südkorea, Japan und die Türkei den Brennstoff aus dem Golfstaat bezogen.

Teheran weiß, wie man Sanktionen umgeht

Trotz der Strafmaßnahmen exportiert Iran jedoch noch immer rund 400.000 Barrel Öl pro Tag, berichtet Reuters. „Da es eine Vielzahl von Abnehmern und Transportwegen dafür gibt, lässt sich auch der Export petrochemischer Produkte wie Diesel nur schwer kontrollieren“, erklärt GTAI-Experte Espey. Daher könne Iran beispielsweise Treibstoff in Lkw in seine Nachbarländer transportieren und dort verkaufen.

Die nun verhängten Sanktionen sollen nicht mehr die Ölindustrie, sondern Stahlhersteller sowie die Textilbranche schädigen. Das wird aber kaum gelingen. „ Iran hat seine Außenwirtschaftsbeziehungen seit langem diversifiziert und setzt auf Länder, in denen es noch Abnehmer für seine Produkte gibt“, erklärt Espey. So kaufen Irak, Afghanistan oder zentralasiatische Republiken

nach wie vor iranischen Stahl. Allerdings müsse der Golfstaat seine Exporte vermutlich mit einem erheblichen Abschlag verkaufen, räumt Espey ein. Abnehmer wüssten, dass sich das Land seine Kunden nicht aussuchen kann.

Die Mullahs haben keinen Grund, die weiße Fahne zu hissen

„Trotzdem ist Iran weit von einem Zusammenbruch seiner Wirtschaft entfernt“, versichert Espey. „Schon deshalb nicht, weil seine Industrie breit aufgestellt ist.“ Außer der Petrochemie und der Automobilindustrie gibt es zahlreiche Stahl- und Aluminiumproduzenten sowie eine starke Lebensmittelindustrie und einen ausgeprägten Maschinenbau.

So produziert Control Afzar Tabriz jedes Jahr gut 300 CNC-Maschinen für iranische Automobilbauer – einen Teil davon unter Lizenz taiwanischer Hersteller wie Victor Taichung, Femco oder Hust. Die Esfahan Pack Company fertigt in Isfahan Schrumpffolienverpackungsanlagen und Palettiersysteme.

Solche Unternehmen profitieren vom Sanktionsregime der USA. Sie erhalten zunehmend Aufträge, die vor den Strafmaßnahmen an Wettbewerber im Ausland gingen. Statt nach Rosen und Schießpulver könnte es in Isfahan daher bald nach Schmieröl riechen.

Sie möchten gerne weiterlesen?