Azubi und Ausbilder in der Industrie

Wissen und Know-how adäquat speichern, um es weiterzugeben, ist in Unternehmen von immenser Bedeutung. (Bild: industrieblick - stock.adobe.com)

„Man sieht nur, was man weiß“: Goethes Zitat bringt ein Dilemma auf den Punkt, das gerade bei der Wartung von Industrie-Anlagen erhebliche Probleme bereiten kann. Denn ohne fundiertes Wissen ‚sieht‘ man nicht, wie solche komplexen Gebilde funktionieren. Noch schlimmer: Funktionieren sie einmal nicht, gleicht die Fahndung nach dem Fehler bei eingeschränkter Sicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Zum Glück gibt es einen Ausweg: Wissensmanagement – also die durchdachte Erfassung, Bewahrung und Weitergabe aller wichtigen Daten – bewahrt vor Betriebsblindheit und dem Verlust von Know-how.

Von Wissensmanagement ist in jüngster Zeit viel die Rede. Gemeint ist damit eine Strategie, wie man Wissen erwirbt, sinnvoll in Schubladen einordnet und für einen späteren Zugriff bewahrt. Ohne Wissensmanagement kommt niemand, der etwas lernen will, rasch zum Ziel – wenn er es nicht sogar ganz verfehlt. Unerlässlich ist ein strukturierter Umgang mit Informationen allemal für vielschichtige Organisationen, beispielsweise für Betreiber von Industrie-Anlagen. Sie müssen den ausufernden Fundus von Daten einzäunen und in geordnete Bahnen lenken.

Dieser Fundus umfasst zum einen, was die Mitarbeiter im Laufe der Jahre über eine Industrie-Anlage ‚gelernt‘ haben – manifestiert in praktischen Skills, der Fähigkeit, Probleme zu lösen, und einem Wissensschatz, der vornehmlich in den Köpfen gespeichert ist. Zum anderen beinhaltet dieser Fundus das, was in Papierform oder digital an Fakten festgehalten worden ist. Je mehr Informationen vorliegen, desto schwerer fällt es, den Überblick zu bewahren. Im schlimmsten Fall droht Chaos. Übrigens laufen ähnliche Prozesse in der Natur ab: Deswegen ist die Entropie, also die thermodynamische Zustandsgröße eines physikalischen Systems, als „Maß der Unordnung“ bezeichnet worden.

Wissensmanagement: Herausforderung demographischer Wandel

Um Entropie zu verhindern, verlassen sich immer noch zu viele Unternehmen auf die Expertise langgedienter Mitarbeiter, die ‚ihre‘ Anlage in- und auswendig kennen, die mit einem Mix aus Routine und Intuition Probleme analysieren und Mängel beseitigen. Doch was, wenn ein solcher Experte in den Ruhestand geht und sein Fachwissen mitnimmt? Ein alltägliches Szenario, das durch den demographischen Wandel verschärft wird. Mit ihm geht ein Wandel der Wertvorstellungen einher: Früher entwickelten Mitarbeiter, die eine längere Zeit in einem Unternehmen verbracht hatten, in der Regel eine starke Bindung zu ihrem Arbeitgeber. Dass jemand von der Lehre bis zum Ruhestand bei ein- und demselben Unternehmen arbeitete, war keine Seltenheit. Diese Kontinuität trug nicht zuletzt dazu bei, dass Anlagenwissen langfristig gesichert war. Jüngere Bevölkerungsschichten schrecken vor einer solchen Bindung zurück. Kennzeichnend für die Millennials, auch bezeichnet als Generation Y (geboren zwischen den frühen 1980er- bis zu den späten 1990er-Jahren), und die Angehörigen der Generation Z (Jahrgänge von 1997 bis 2010) sind hohe Flexibilität und hohe Fluktuation.

Der demographische Wandel und das oft von Berührungsängsten bestimmte Verhältnis älterer Mitarbeiter zur digitalen Revolution können gleichermaßen zum Wissensverlust beitragen. Man muss es so drastisch formulieren: Know-how, das nicht digitalisiert wird, hat ein hohes Verfallsdatum. Eine Crux, von der die Branche, um die es hier geht, besonders betroffen ist, wie Frederick Birtel, Dr. Roman Senderek und Dr. Felix Adam analysieren „Gerade in der Instandhaltung existiert komplexes Wissen über die technische Infrastruktur, Maschinen, Anlagen und deren Historie zu oft als Lebensakte nur in den Köpfen der Mitarbeiter“ („So steht es um das Wissensmanagement in der Instandhaltung“). Hinzu kommt ein weiteres Problem, wenn die Instandhaltung der Anlage vom Anlagenhersteller durchgeführt wird. Das Know-how rund um die Anlage wird outgesourct. Mit fatalen Folgen: Der Betreiber macht sich abhängig vom Hersteller.

Das Tagebuch als ultimative Quelle der Wahrheit

Wer diesen Nachteilen entgehen will, braucht ein Dokumenten-Management-System (DMS). Es umfasst Überarbeitung und Strukturierung der vor Ort niedergelegten Informationen. Dabei kommt es auf genormte Kategorien und sinnvolle Begriffe an. Einheitlichkeit statt Begriffswirrwarr lautet das Gebot. DMS muss sowohl zielorientiert als auch benutzerfreundlich sein.

Dass eine wasserdichte Anlagen-Dokumentation, die alle in der Vergangenheit durchgeführten Maßnahmen protokolliert, für die Instandhaltung einer bestehenden Anlage unverzichtbar ist, wird gern übersehen. Man kann sich eine solche Anlagenhistorie vorstellen wie ein Tagebuch. Nachzulesen ist darin, wann welches Problem auftrat, wie und von wem es gelöst wurde. Ein solcher ‚Tagebuch-Eintrag‘ enthält selbstverständlich das Datum. Weitere Kern-Parameter: Schadensbeschreibung, Vorgehen bei der Behebung des Problems, benötigte Ersatzteile und Werkzeuge. Je detaillierter ein solcher ‚Tagebuch-Eintrag‘, desto besser – in ein paar Monaten oder gar Jahren kann sich niemand mehr genau daran erinnern, wie man einst eine defekte Anlage wieder zum Laufen gebracht hat. Nur ein lückenloses Tagebuch kann im worst case als ultimative Quelle der Wahrheit dienen. Einmal mehr gilt die Einsicht von Sir Frederick Henry Royce: „Kleinigkeiten sind es, die Perfektion ausmachen, aber Perfektion ist alles andere als eine Kleinigkeit.“

Erfahrungswissen und Digital-Kompetenz: Auf die richtige Mischung kommt es an

Bei der Aufgabe, das Erfahrungswissen der Älteren und die digitale Kompetenz der Jüngeren zusammenzuführen, kommt es auf die richtige Mischung an. Die Tatsache, dass Fachkräfte der Kategorie Digital Natives am Arbeitsmarkt rar sind, erschwert die digitale Wende in den Betrieben. Aber selbst, wenn es sich anders verhielte, wäre es kontraproduktiv, einseitig auf Verjüngung des Teams zu setzen und die Routiniers mit ihrer in vielen Jahren erworbenen Kompetenz aufs Abstellgleis zu schieben. Der SPD-Politiker Franz Müntefering hat für deren Stärken eine einprägsame Formel gefunden: „Die Alten sind nicht so schnell wie die Jungen, aber sie kennen die Abkürzung.“

Ohne eine Chronik, die diese ‚Abkürzungen‘ speichert und nachvollziehbar erschließt – und zwar für alle, also unabhängig von der Person – steht ein Anlagen-Betreiber bei personellen Umbrüchen auf dem Schlauch. Chronik kann im heutigen digitalen Zeitalter nur eines bedeuten: Das Maß aller Dinge ist eine Datenbank, die online zugänglich ist, beispielsweise in der Cloud oder im Intranet. Auf einen solchen Thesaurus hat jeder autorisierte Mitarbeiter Zugriff – egal, ob er mit Computer, Tablet oder Smartphone unterwegs ist.

Ein Musterbeispiel für ein derartiges System hat die Leipziger Menger Group entwickelt. Angetrieben von dem Ziel, verlässliche digitale Daten zu gewinnen, Transparenz zu erzielen und potenzielles Chaos zu verhindern, haben die Firmengründer Uwe und Robert Menger ein Paket geschnürt, das Wissensverlust vorbeugt und sämtliche Erkenntnisse und Erfahrungen rund um eine Anlage bündelt – „organisationsfest, gerichtsfest und gesetzeskonform“, wie es auf der Website der Menger Group heißt.

Robert Menger
(Bild: Menger Group)

Der Autor Robert Menger ist Geschäftsführer der Menger Group. Mit seinem Bruder Uwe hat er die Menger Engineering GmbH im April 2012 gegründet.

Sündenfall Daten-Amnesie: „ADAM“ hilft

Zur All-in-one-Dienstleistung zählen unter anderem der Abgleich von Anlagen mit bestehenden Dokumentationen, die Aktualisierung dieser Dokumente, die Überführung von Papierdokumenten in gängige digitale Formate, die Integration dieser digitalen Daten in Betriebsführungs- und Instandhaltungssysteme, die eindeutige Identifizierung von Anlagen und Komponenten durch standardisierte Kennzeichnungen.

Der wichtigste Menger-Baustein, der vor Daten-Amnesie schützt, ist eine maßgeschneiderte, im Alltag vielfach bewährte ECM-Software (die Abkürzung steht für Enterprise-Content-Management). „ADAM“ gewährleistet einen schnellen und effizienten Umgang mit allen relevanten Daten einer Anlage. „Ein Werkzeug, das das Gute leicht und das Schlechte schwierig macht“: So charakterisierte Albert Einstein den sogenannten Modulor von Le Corbusier – ein Maßsystem, das der französische Architekt eigens für seine Bauten entwickelt hatte. Auf „ADAM“ trifft Einsteins Definition vollauf zu.

Fazit: Für Betreiber von Industrie-Anlagen gehört Wissensmanagement zu den Kernkompetenzen. Der demographische Wandel, der eine höhere personelle Fluktuation nach sich zieht, verstärkt die Notwendigkeit, Informationen zu einer Anlage jederzeit und für jedermann vorrätig zu halten. Gelingen kann das nur mit einem digitalen Dokumenten-Management-System. Es erleichtert den schnellen Zugang zu allen relevanten Daten und schützt vor Wissensverlust. DMS, richtig praktiziert, ist eine Lebensversicherung für Unternehmen, die komplexe Industrie-Anlagen betreiben.

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