Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Sein Ministerium hat jetzt das Tariftreuegesetz auf den Weg gebracht - nach vielen Widrigkeiten.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Sein Ministerium hat jetzt das Tariftreuegesetz auf den Weg gebracht - nach vielen Widrigkeiten. (Bild: BMAS / Dominik Butzmann)

Das Bundesarbeitsministerium hat den Entwurf eines Tariftreuegesetzes vorgelegt, der maßgeblich die Vergabe von Bundesaufträgen betrifft. Ziel ist es, Unternehmen zur Einhaltung tarifvertraglicher Regelungen zu verpflichten, um so eine Stärkung der Tarifbindung in Deutschland zu erreichen. Hintergrund ist der seit Jahren anhaltende Rückgang der Tarifbindung, der besonders in Ostdeutschland stark ausgeprägt ist.

Wie kam es zum Entwurf des Tariftreuegesetzes?

Die Pläne zur Einführung eines Tariftreuegesetzes reichen zurück bis in das Jahr 2021. Damals einigten sich SPD, FDP und Grüne im Rahmen ihrer Koalitionsverhandlungen auf einen Maßnahmenkatalog zur Stärkung der Tarifbindung. Im Koalitionsvertrag ist hierzu festgehalten: „Zur Stärkung der Tarifbindung wird die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages der jeweiligen Branche gebunden, wobei die Vergabe auf einer einfachen, unbürokratischen Erklärung beruht.“

Doch bereits im Vorfeld des Gesetzentwurfs kam es zu Streitigkeiten zwischen den Koalitionspartnern. Besonders das von Christian Lindner (FDP) geführte Bundesfinanzministerium bremste den Prozess. Der Hauptstreitpunkt war dabei die Frage, inwieweit das Gesetz die wirtschaftliche Dynamik beeinträchtigen könnte. Kritiker im Finanzministerium sahen die Gefahr, dass zusätzliche bürokratische Hürden entstehen könnten, die Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten weiter belasten.

Erst im September 2023 konnte das Bundesarbeitsministerium die Blockade aufheben und den Entwurf zur Anhörung an die Bundesländer und Verbände schicken. Doch selbst mit diesem Schritt ist noch keine endgültige Einigung erreicht. Es gibt weiterhin Differenzen hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung, insbesondere in Bezug auf Schwellenwerte und die Anwendbarkeit auf verschiedene Branchen und Unternehmensgrößen.

Was ist das Ziel des Tariftreuegesetzes?

Das Hauptziel des Tariftreuegesetzes ist es, die rückläufige Tarifbindung wieder zu stärken. Tarifverträge bieten in der Regel bessere Löhne und Arbeitsbedingungen als gesetzliche Mindeststandards. Doch die Zahl der Unternehmen, die sich an Tarifverträge binden, sinkt seit Jahren. So galt 1998 in Westdeutschland für 76 Prozent der Beschäftigten ein Tarifvertrag, in Ostdeutschland waren es 63 Prozent. Bis 2023 ist dieser Anteil im Westen auf 51 Prozent und im Osten auf nur noch 44 Prozent gesunken.

Das bedeutet, dass immer weniger Beschäftigte von den Vorteilen eines Tarifvertrags profitieren. Tarifverträge bieten im Durchschnitt höhere Löhne, mehr Urlaubstage und bessere Sozialleistungen. Das Gesetz soll deshalb dafür sorgen, dass bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen des Bundes nur noch Unternehmen berücksichtigt werden, die tarifvertragliche Standards einhalten. Damit will die Bundesregierung auch verhindern, dass Unternehmen, die keine Tarifverträge abschließen, sich durch niedrigere Personalkosten einen unfairen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Warum wurde über das Gesetz gestritten?

Der Weg zum Tariftreuegesetz war von internen Konflikten in der Ampelkoalition geprägt. Während das SPD-geführte Bundesarbeitsministerium das Gesetz als wichtigen Schritt zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte sieht, äußerte das Finanzministerium unter Führung der FDP erhebliche Bedenken. Christian Lindner argumentierte, dass das Gesetz in der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Lage die Flexibilität der Unternehmen einschränken könnte. Er befürchtete, dass zusätzliche bürokratische Vorgaben die Wirtschaftsdynamik hemmen und Unternehmen durch höhere Personalkosten belastet werden könnten.

Auch seitens der Arbeitgeberverbände gab es Widerstand. Sie befürchten, dass das Tariftreuegesetz die Tarifautonomie untergräbt. Ihre Hauptkritik: Durch die Kopplung öffentlicher Aufträge an die Tarifbindung werde ein faktischer „Tarifzwang“ eingeführt. Dies würde insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen benachteiligen, die nicht tarifgebunden sind, aber dennoch konkurrenzfähige Angebote abgeben wollen.

Was steht konkret im Gesetzentwurf?

Der vorliegende Entwurf sieht vor, dass Unternehmen, die öffentliche Aufträge oder Konzessionen des Bundes ausführen, zukünftig an die tarifvertraglichen Regelungen ihrer Branche gebunden sind. Dies betrifft insbesondere die Löhne und Arbeitsbedingungen, die im Tarifvertrag festgelegt sind. Arbeitsminister Hubertus Heil betont, dass Tarifverträge im Durchschnitt höhere Löhne bieten als der gesetzliche Mindestlohn. Laut Heil liegt der Stundenlohn bei tarifgebundenen Unternehmen im Durchschnitt um 4,50 Euro höher als der Mindestlohn, was für einen Vollzeitbeschäftigten monatlich etwa 700 Euro mehr bedeutet.

Ein weiteres zentrales Ziel des Gesetzentwurfs ist es, den Verdrängungswettbewerb über Personalkosten zu verhindern. Unternehmen, die keine Tarifverträge abschließen, können ihre Kosten senken, indem sie niedrigere Löhne zahlen. Dies verschafft ihnen einen Vorteil bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Durch die Einführung des Tariftreuegesetzes soll dieser Wettbewerbsvorteil abgeschafft werden, sodass Unternehmen, die tarifgebundene Löhne zahlen, fairer konkurrieren können.

Welche weiteren Regelungen sieht das Gesetz vor?

Neben den Bestimmungen zur Tarifbindung enthält der Gesetzentwurf auch Maßnahmen zur Modernisierung der Betriebsratsarbeit. So sollen in einem Pilotprojekt Online-Betriebsratswahlen getestet werden. Diese sollen zwischen dem 1. März und dem 31. Mai 2026 in Betrieben, in denen bereits ein Betriebsrat besteht, durchgeführt werden. Ziel ist es, die Betriebsratswahlen an das digitale Zeitalter anzupassen und die Wahlbeteiligung zu erhöhen.

Darüber hinaus plant die Bundesregierung, den Schutz von Betriebsräten und deren Gründung zu verbessern. Hierzu soll die Behinderung von Betriebsratsarbeit künftig als Offizialdelikt verfolgt werden. Dies bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft automatisch Ermittlungen einleiten muss, sobald sie von einer Behinderung der Betriebsratsarbeit erfährt. Bislang war dies nur auf Antrag möglich, was die Verfolgung solcher Delikte erschwerte. Durch diese Änderung soll die Gründung und Arbeit von Betriebsräten besser geschützt und die demokratische Mitbestimmung in Unternehmen gestärkt werden.

Welche Maßnahmen zur Stärkung der Tarifbindung gab es bereits?

Das Tariftreuegesetz ist nicht der erste Versuch, die Tarifbindung in Deutschland zu stärken. Bereits 2014 trat das Tarifautonomiestärkungsgesetz in Kraft, das es der Bundesregierung erleichtert, Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären. Dies bedeutet, dass ein Tarifvertrag nicht nur für die tarifgebundenen Mitglieder der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände gilt, sondern auch für alle anderen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der betroffenen Branche.

Ein weiteres Instrument zur Stärkung der Tarifbindung ist das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Dieses erlaubt es der Bundesregierung, die Vorgaben eines Tarifvertrags auf alle Unternehmen in einer Branche auszudehnen, auch wenn diese nicht Mitglieder der tarifschließenden Verbände sind. Durch diese Maßnahmen konnte die Tarifbindung in einigen Branchen stabilisiert werden, doch der allgemeine Trend zeigt weiterhin nach unten.

Mit Material der dpa

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dpa