Kampfflugzeug F-35.

Die F-35 gilt als modernstes Kampfflugzeug der Welt. (Bild: Lockheed Martin)

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kam bei einer Schätzung 2020 zu dem Ergebnis, dass mehr als 55.500 Menschen bei den Produzenten der deutschen Rüstungsindustrie beschäftigt sind. In Summe, also inklusive Zulieferer und deren Personal, arbeiten in der Rüstungsindustrie nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in Deutschland rund 135.000 Menschen.

Die Umsätze der deutschen Rüstungsindustrie sind zwar laut IW 2020 im Vergleich zum Jahr 2015 von 11,7 auf 11,3 gesunken - das aber auf einem sehr hohen Niveau. Weltweit verzeichnen die Experten von Statista seit 2014 aber einen kontinuierlichen Anstieg von 1.740 (2014) auf heute 2.240 Milliarden US-Dollar. Davon profitieren auch deutsche Unternehmen.

Die deutsche Rüstungsindustrie erwirtschaftete mehr als 11 Milliarden Euro.
Mit mehr als 55.500 direkt bei Rüstungsunternehmen beschäftigten Menschen erwirtschaftete die deutsche Rüstungsindustrie mehr als 11 Milliarden Euro. (Bild: IW Medien/IWD)

„Auftragslage im militärischen Markt zeigt sich sehr gut“

So ist auf der Website des größten deutschen Waffenbauers Rheinmetall fast in Monatsintervallen von Neuaufträgen im Defense-Bereich zu lesen. Jüngstes Beispiel von Anfang November ist ein Auftrag im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich der Bundesregierung, rund 100.000 Schuss 120-mm-Mörsermunition an die Ukraine zu liefern. Der Auftragsbestand mit 24,5 Milliarden Euro bedeutet für Rheinmetall den Höchstwert.

Aber auch der Wehrtechnik-Konzern KNDS mit deutscher Beteiligung namens Krauss-Maffei Wegmann und Nexter aus Frankreich bekommt ein großes Stück vom Kuchen. So erhöhte sich der Auftragseingang von KNDS um 21 Prozent zum Vorjahr auf insgesamt 3,4 Milliarden Euro, der Auftragsbestand des Unternehmens stieg auf elf Milliarden Euro.

„Die Auftragslage im militärischen Markt zeigt sich sehr gut“, sagt Armin Papperger, Vorstandsvorsitzenden von Rheinmetall. „Verschiedene Großprojekte sind bereits angelaufen und wir erwarten weitere Aufträge. Beim deutschen Kunden gehören hierzu zum Beispiel der ‚Schwere Waffenträger Infanterie‘ des Heeres, Flugabwehrsysteme, Logistikfahrzeuge und nicht zuletzt mehr Munition.“

Die Produktion der 120-mm-Munition.
Jüngstes Beispiel für die gute Auftragslage bei Rheinmetall ist der Auftrag im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich der Bundesregierung, rund 100.000 Schuss 120-mm-Mörsermunition an die Ukraine zu liefern (hier die Produktion der 120-mm-Munition). (Bild: Rheinmetall)

Steigende Auftragseingänge auch bei Zulieferern

Ob sich diese Hochkonjunktur allgemein auf die Zulieferer und speziell auf die Maschinenbauer positiv auswirkt, gibt Dr. Stefan Stenzel, Geschäftsführer des Zulieferers Vincorion (bis 2021 eine eigenständige Marke für das mechatronische Geschäft von Jenoptik), Auskunft: „Die Auftragslage ist ganz klar besser geworden. Wir können eine Reihe von Aufträgen für die Zulieferung zu den Panzerfahrzeugen Leopard 2 und Puma verbuchen, denn viele Nato-Staaten haben diese Fahrzeuge bestellt. Auch für die Luftabwehrsysteme Patriot und IRIS-T gibt es neue Aufträge, ebenso haben wir Entwicklungsaufträge für neue, mobile Stromerzeugungsaggregate von der Bundeswehr erhalten.“

Für den Puma kommen die Motoren, die den Turm drehen sowie die Waffe bewegen und stabilisieren, von Vincorion.
Für den Puma (im Bild) wie auch für den Leopard 2 kommen die Motoren, die den Turm drehen sowie die Waffe bewegen und stabilisieren, von Vincorion. (Bild: Krauss-Maffei Wegmann/KNDS)

Rüstungsindustrie: Produktionskapazitäten werden ausgebaut

Nachdem die Ausrüstung der Bundeswehr jahrzehntelang vernachlässigt wurde, kann Victorion wieder steigende Auftragseingänge verzeichnen, etwa bei den oben skizzierten Beispielen, also bei den Panzerfahrzeugen oder den Systemen für die Luftverteidigung. Und auch wenn das noch nicht reicht, um die Produktionskapazitäten maximal auszulasten, so zeigt die Entwicklung jetzt doch klar nach oben.

Dazu nochmals Stenzel: „Deshalb konnten wir die Zahl der Mitarbeitenden in den letzten zwölf Monaten auch um zehn Prozent aufstocken und werden es um weitere zehn Prozent ausbauen. Wir suchen also Fachkräfte, die wir glücklicherweise noch finden. Dennoch könnten wir unsere Produktionskapazität noch weiter ausweiten – wenn es nach der versprochenen Zeitwende wirklich zu einem ‚Boom‘ bei den Bestellungen kommt.“

Dr. Stefan Stenzel, Geschäftsführer des Zulieferers Vincorion.
Dr. Stefan Stenzel: "Wir arbeiten mit einer Reihe von sehr zuverlässigen Unternehmen zusammen, auch aus dem Maschinenbau.“ Von diesen bezieht das Unternehmen aus Wedel bei Hamburg mechanische, elektronische sowie elektromechanische Bauteile. (Bild: Vincorion)

Für Waffensystemfertigung werden CNC-Maschinen benötigt

Auch Rheinmetall sieht für die Zukunft ein großes Wachstumspotenzial. Das Unternehmen bietet eine breite Palette von Produkten und Dienstleistungen an, die inzwischen weltweit stark nachgefragt werden.

Das dahinter auch zahlreiche Zulieferer stehen, verwundert nicht, dazu Rheinmetall-Chef Papperger: „Ich beschränke mich hier auf unsere Aktivitäten für unsere militärischen Kunden. Für unsere Waffensystemfertigung benötigen wir unter anderem moderne CNC-Maschinen. Speziell für die Herstellung von Munition benötigen wir Laborieranlagen, Pressen, Öfen, Füllanlagen oder Sortieranlagen.“

Rheinmetall-Chef Armin Papperger.
Armin Papperger, Vorstandsvorsitzenden von Rheinmetall. (Bild: Rheinmetall)

Einige Beispiele für den Bedarf aus dem Bereich Verteidigungselektronik sind Frästeile nach Zeichnung, Waffenplattformen, Containerbau oder auch Prüfsysteme. Für die Herstellung von Gefechtsfahrzeugen wiederum braucht der Waffenbauer Fräs-, Dreh- und Rohrbiegemaschinen, Werkzeuge für die Zerspanung, Spannvorrichtungen, Schweißvorrichtungen oder Hebemitte.

„Wir beziehen unsere Maschinen zu einem großen Teil über deutsche Maschinenhersteller. Die Maschinen und Anlagen für die Munitionsfertigung werden im Konzernverbund und auf dem europäischen Mark beschafft“, so Papperger weiter.

Ohne Kooperationen geht es nicht

Rheinmetall kooperiert zudem bei zahlreichen Vorhaben mit Partnern sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland. Als wichtiges internationales Projekt kann beispielhaft die Fertigung von Rumpfmittelteilen für die F-35A Lightning genannt werden, das derzeit modernste Kampfflugzeug der Welt.

Hier kooperiert das Unternehmen aus Düsseldorf sehr eng mit den US-amerikanischen Partnern Lockheed Martin und Northrop Grumman. „Wir werden im niederrheinischen Weeze eine der modernsten Fertigungsanlagen Europas entstehen lassen, die Produktion soll ab 2025 beginnen“, blickt Armin Papperger in die Zukunft.

Bau von F-35 Rumpfmittelteilen.
Lockheed Martin und Northrop Grumman haben mit Rheinmetall eine Absichtserklärung als strategische Bezugsquelle zum Bau von F-35 Rumpfmittelteilen unterzeichnet. Die Zusammenarbeit würde die Einrichtung einer integrierten Montagelinie (IAL) für F-35 Rumpfmittelteile am Standort Deutschland beinhalten und damit den Anteil der europäischen Industrie am F-35-Programm weiter ausbauen. (Bild: Rheinmetall)

Auch der Zulieferer und Spezialist für innovative Energiesysteme in sicherheitskritischen Anwendungsbereichen, Vincorion, macht nicht alles alleine, dazu Geschäftsführer Stenzel: „Wir sind mit Kooperationspartnern an drei europäischen Forschungsprojekten für die „Next Generation Energiesysteme“ beteiligt, etwa am Projekt NOMAD (Nondestructive Evaluation System for the Inspection of Operation-Induced Material Degradation in Nuclear Power Plants).

Darüber hinaus arbeiten wir mit einer Reihe von sehr zuverlässigen Unternehmen zusammen, auch aus dem Maschinenbau.“ Von diesen bezieht das Unternehmen aus Wedel bei Hamburg mechanische, elektronische sowie elektromechanische Bauteile." Dazu zählen Komponenten wie die Diesel-Motoren, die in eigene Stromerzeugungsaggregate verbaut werden.

„Viele Teile stellen wir allerdings auch selbst her, in unserer eigenen Leiterplattenfertigung beispielsweise. Wo wir Teile von Zulieferern einkaufen, achten wir sehr streng auf die Einhaltung von Compliance-Richtlinien und auch von ESG-Kriterien. Da müssen wir in der Rüstungsindustrie noch etwas strenger als in anderen Bereichen sein. Denn unsere Produkte unterliegen sehr komplexen und einschneidenden Exportbestimmungen“, führt Stenzel weiter aus.

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Das sagt Rheinmetall zu Auswirkungen auf den Maschinenbau

Um die Bedeutung des Maschinen- und Anlagenbaus hierzulande für die Rüstungsindustrie weiß auch Rheinmetall-Vorstandsvorsitzender Papperger: „Die anstehenden größeren Aufträge und die damit verbundene Erhöhung von Produktionskapazitäten wird sich sicherlich auch auf den Maschinen- und Anlagenbau auswirken – sei es, dass alte Produktionsstätten instandzuhalten oder zu modernisieren sind oder dass neue Produktionsstätten gebaut werden müssen. Übrigens sehen auch immer mehr unserer Lieferanten den Defence-Markt als lukrativ an.“

Die Gründe seien nicht nur die sich erhöhenden Stückzahlen und Bedarfe in diesem Markt und das zu erwartende höhere Auftragsvolumen, sondern auch der Imagewechsel dieser Industrie in Politik und Gesellschaft.

Damit meint Papperger den Ukraine-Krieg: „Diese ‚Zeitenwende‘ nehmen wir nicht nur durch größere Aufträge und damit verbunden stärkere Auslastung wahr, sondern wir spüren auch einen Imagewandel. Weiten Kreisen in Politik und Bevölkerung ist klar, dass eine leistungsfähige Sicherheits- und Verteidigungsindustrie Teil der nationalen Sicherheitsvorsorge und Ausdruck sicherheitspolitischer Glaubwürdigkeit ist.“

Auch für Stefan Stenzel hat die Verteidigungspolitik in Europa mit dem Ukraine-Krieg öffentlich mehr Aufmerksamkeit erhalten: „In der Folge hat auch die Rüstungsindustrie an gesellschaftlicher und politischer Relevanz gewonnen, nachdem sie jahrzehntelang doch arg zusammengespart wurde. Durch den Angriff auf die Ukraine haben viele europäische Länder begonnen, ihre Streitkräfte nachzurüsten."

Das Fallbeispiel Deutschland zeige, dass es nicht nur um das Nachrüsten gehe, sondern auch darum, die Bestandsausrüstung auf einen der Aufgabe entsprechenden sinnvollen Stand zu bringen.

Kontinuierlicher Anstieg der Umsätze.
Weltweit verzeichnen die Experten von Statista seit 2014 einen kontinuierlichen Anstieg der Umsätze von 1.740 (2014) auf heute 2.240 Milliarden US-Dollar. Davon profitieren auch deutsche Unternehmen. (Bild: Statista)

Vincorion ist an vielen Rüstungsprojekten beteiligt

Vincorion selbst ist an vielen Projekten beteiligt: Etwa beim Luftabwehrsystem IRIS-T, bei Bestellungen des Leopard 2, der Panzerhaubitze 2000 und auch bei dem zweiten Los in der Beschaffung des Schützenpanzers Puma, bei der das Unternehmen das Energiesystem für 50 Fahrzeuge bereitstellen wird. Für den Puma wie auch den Leopard 2 kommen die Motoren, die den Turm drehen sowie die Waffe bewegen und stabilisieren, ebenfalls aus Wedel.

Insgesamt sind es 14 Komponenten, die Vincorion beim Leopard 2 zuliefert, beim Puma-Panzer noch mehr. „Wir profitieren auch von der Nachbeschaffung für Patriot“, so Stenzel. Für dieses Luftabwehrsystem steuert Vincorion die Energieversorgung für die Feuereinheit, für das Radarsystem und den Kontrollstand bei.

Aber auch beim Thema Nachhaltigkeit hat das Unternehmen seine Aktien, dazu Vincorion-Chef Stenzel: „Wir entwickeln gerade eine neue hybride Stromversorgung. Das ist Teil des Themas ‚Green Defense‘, dem wir uns verschrieben haben, also der Frage, wie Streitkräfte ihre Emissionen senken können. Das wird wichtiger, da die Nato zum Beispiel bis 2050 klimaneutral sein möchte.“

Stenzel: Neue Technik muss im Inland beschafft werden

Ob sein Unternehmen vom aktuellen Boom in der weltweiten Rüstungsindustrie profitiert, sagt Stenzel: „Wenn es in Deutschland jetzt einen echten ‚Boom‘ geben sollte, dann würden wir auch davon profitieren. In Ansätzen tun wir das auch. Aber mir fällt gleichzeitig auf, dass vom 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen ein großer Teil im Ausland investiert wird. Man denke auch an die Beschaffung des Kampfflugzeuges F-35 oder den schweren Transporthubschrauber, die beide in den USA eingekauft werden und dort Arbeitsplätze schaffen. Für einen ‚Boom‘ müsste es selbstverständlich sein, dass neue Technik im Inland beschafft wird.“

Die Bundesregierung bestehe da leider zu selten auf deutsche Teilhabe und tue sich selbst schwer, deutsche Anteile für Instandhaltung und Wartung auszuhandeln. Die Konsequenzen lägen auf der Hand: Deutsches Steuergeld fließe in erheblichem Umfang ins Ausland ab, und die multiplizierende Wirkung der Ausgaben im Land finde nicht statt. „Außerdem sinkt die Einsatzbereitschaft der Systeme in Deutschland, und man macht sich strategisch von ausländischen Partnern abhängig. Das steht im Widerspruch zur politisch gewollten Stärkung der europäischen Unabhängigkeit“, so abschließend ein nachdenklicher Vincorion-Chef.

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