Ein Second Life für alte Batterien von Elektroautos drängt sich auf, um dem Bedarf an Stromspeichern für erneuerbare Energien zugunsten eines stabilen Stromnetzes zu genügen. Doch der Hunger nach Rohstoffen für neue Akkus wird immer größer - und damit auch nach recycelten Batteriematerialien.

Ein Second Life für alte Batterien von Elektroautos drängt sich auf, um dem Bedarf an Stromspeichern für erneuerbare Energien zugunsten eines stabilen Stromnetzes zu genügen. Doch der Hunger nach Rohstoffen für neue Akkus wird immer größer - und damit auch nach recycelten Batteriematerialien. (Bild: romaset - stock.adobe.com)

Ausgediente Batterien von Elektroautos enthalten zahlreiche wertvolle Rohstoffe, so dass sich ein Recyclen ausdrücklich rentiert. Wobei vor dem Batterie-Recycling meistens erst das Second Life der Akkus kommt, wie Timon Elliger vom Research Assistant Battery Components & Recycling beim PEM der RWTH Aachen betont. „Da sind die Akkus noch für andere Anwendungen sehr gut nutzbar, zum Beispiel um Zwischenspeicherung für Solar- oder Windstrom darzustellen. So können die Batterien weitere fünf bis zehn Jahre Einsatzzeit erhalten“, sagt Elliger.

Dies löst laut dem Forscher das Problem, dass wir „aktuell Batteriespeicher brauchen, um Solar- und Windstrom zwischen zu speichern und es verbessert den CO2-Fußabdruck der Batterien. Diese alten Lithium-Ionen-Batterien der Autos können zudem als Ladestationen genutzt werden.“

Batterien: Ein 'zweites Leben' im Stromnetz

Dieses zweite Leben könnte laut einer Simulation des ADAC sogar zehn bis zwölf weitere Jahre andauern. Rechnet man das zusammen, wird ein gebrauchter Autoakku erst nach über 20 Jahren ein Fall für die Entsorgung.

Somit wäre es weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll, eine funktionstüchtige, wenn auch geschwächte Batterie direkt zu entsorgen. Im Idealfall schiebt man daher noch die Phase des 'Second Life' ein. Denn im stationären Einsatz - etwa am Stromnetz - ist der Kapazitätsverlust weniger relevant als im Fahrzeug. Dort können auch geschwächte Batterien noch gute Dienste leisten.

Fahrzeug-Akkus als Speicher für eine PV-Anlage?

Inwieweit sich in der Praxis tatsächlich eine zweite Nutzungsphase anschließen wird, ist allerdings noch schwer abzuschätzen. So ist eine alte Autobatterie für die dezentrale Nutzung als Hausspeicher nicht ohne Weiteres nutzbar. Denn sie ist mit einer Speicherkapazität von etwa 40 Kilowattstunden letztlich zu groß dimensioniert, da heutige Speicher für Photovoltaikanlagen selten über mehr als 10 Kilowattstunden verfügen. In der Praxis dürften jedoch die Schwierigkeiten bei der Einbindung der Batterie in das Hausstromnetz ebenso hinderlich sein, wie die Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der gealterten Zellen.

Einsatz von alten Akkus in der Industrie besser umsetzbar

Im großen Maßstab lassen sich solche Herausforderungen besser bewältigen. Entsprechende Pilotprojekte gibt es daher bereits. BMW hat im Werk in Leipzig einen stationären Speicher errichtet, der aus 700 teilweise gebrauchten Akkus des i3 besteht, um den selbst erzeugten Solar- und Windstrom für die Produktion zu nutzen. Ein weiteres Beispiel ist das Fährterminal im Hamburger Hafen, wo ebenfalls i3-Akkus mit einer Gesamtleistung von zwei Megawatt Schwankungen im städtischen Stromnetz ausgleichen.

Der französische Autobauer Renault wiederum will in Südengland ein Energiespeichersystem einsetzen, das Strom für Wohnungen, Verkehr und Geschäfte liefert. 1.000 gebrauchte Batterien speichern dort 14,5 Megawattstunden Strom, womit etwa 1.700 Haushalte einen Tag lang versorgt werden können.

Jaguar Land Rover hat in Zusammenarbeit mit dem Energieunternehmen Pramac einen Energiespeicher entwickelt, der es ermöglicht, alte Batteriepakete des Jaguar i-Pace stationär für die Stromversorgung zu nutzen. Es soll dort Energie bereitstellen, wo kein oder nur ein eingeschränkter Zugang zum öffentlichen Stromnetz besteht - mit einer derzeitigen Kapazität von bis zu 125 kWh. Damit könnte ein Einfamilienhaus eine Woche lang mit Strom versorgt werden.

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Viele Einsatzmöglichkeiten für Stromspeicher

Es gibt also viele Gründe, Strom zu speichern. Man kann damit den Eigenverbrauch von regenerativ erzeugtem Strom erhöhen. Man kann damit unerwartete Schwankungen von Erzeugung und Verbrauch ausgleichen (so genanntes Bilanzkreismanagement). Oder man puffert damit Lastspitzen im Netz ab - zum Beispiel, wenn man leistungsstarke Ladestationen in schwachen Stromnetzen platzieren will. In einem solchen Fall ist es manchmal günstiger, einen Speicher zu installieren, als das Netz auszubauen, um kurzfristig die gewünschte Ladeleistung bereitstellen zu können.

Letztlich macht aber auch der Second-Life-Ansatz eines nie überflüssig: ein Recyclingsystem für Batteriezellen. Denn irgendwann sind die chemischen Speicher auch für den stationären Einsatz nicht mehr geeignet. Spätestens dann müssen sie zerlegt werden.

Markt verlangt nach ausreichend Rezyklaten

Elliger verweist aber darauf, dass ein Teil der Batterien direkt recycelt wird, weil der Markt nach vielen Materialien verlangt. „Denn dadurch ist der Preis für diese Materialien sehr hoch, wodurch es für den Hersteller mitunter finanziell attraktiver ist, direkt zu recyceln“, so Elliger.

Valentin Mussehl vom Lehrstuhl für Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) der RWTH Aachen ergänzt dazu, dass bei hoher Nachfrage nach recycelten Materialien dementsprechend ein hoher Preis bezahlt wird, so dass demzufolge das Recycling gewählt wird.

Elliger sieht somit eine Herausforderung für diesen Markt, dass vor kurzem die zuvor erwähnte EU-Batterieverordnung verabschiedet wurde. Somit hat der gesamte Batteriemarkt ein neues Rahmengesetz bekommen. Ein Teil dieses Rahmengesetzes besagt, dass es für die Jahre 2031 und 2036 Mindestanteile an Rezyklaten geben muss, die auch wiederverwendet werden müssen.

Wissenswertes rund um Elektromobilität und Batterien

 

Sie interessiert, was es Neues zu den Themen Elektromobilität und rund um das Thema Batterien gibt? Dann können Ihnen die nachfolgenden Beiträge helfen:

 

 

 

 

  • Forscher am KIT haben ein Verfahren entwickelt, im Zuge dessen beim Recycling von Lithium-Ionen-Batterien mechanische Prozesse chemische Prozesse induzieren sollen. Das bringt eine höhere Ausbeute an Lithium bei niedrigerem Aufwand sowie mehr Nachhaltigkeit.

 

 

 

 

 

 

 

 

  • Immer mehr Elektroautos kommen auf den Markt - und damit auch Batterien. OEMs wie Daimler, VW, Audi und BMW haben verschiedene Strategien entwickelt, um gebrauchte Lithium-Ionen-Akkus anderweitig weiterzuverwenden. Auch Recycling bleibt ein Thema. Genaue Infos dazu gibt es im Beitrag "Elektromobilität: Zweites Leben für Lithium-Ionen-Akkus".

Recyceltes Material muss verwendet werden

„Das heißt, wenn ich dann eine Batterie produziere, muss ich einen gewissen Anteil an recyceltem Material einsetzen, also Lithium, Nickel und Kobalt zum Beispiel. Der Gedanke ist gut, weil damit das Recycling unterstützt wird. Es kann aber zur Folge haben, dass zum Zeitpunkt 2031 nicht genug recyceltes Material zur Verfügung steht, je nachdem wie sich die Nachfrage nach Batterien entwickelt“, befürchtet Elliger.

Ist dieses Gut knapp, dann wird laut Elliger der Wert für recyceltes Material so hoch sein, was zur Folge haben kann, dass die Batterien kein zweites Leben erhalten, weil aktuell dringend recyceltes Material gebraucht wird, um überhaupt Batterien produzieren zu können. „Denn ohne diesen Recycling-Anteil darf der Hersteller dann keine Batterien mehr produzieren. Das sind somit sehr schwierige Konstellationen, die auf uns zukommen könnten“, denkt Elliger laut nach.

Unabhängig davon bleibt das Thema Recycling der Batterien hochaktuell, zumal Verbesserungen in Richtung Automatisierung notwendig sind.

Dietmar Poll, Redakteur mi connect
(Bild: mi connect)

Der Autor Dietmar Poll ist Redakteur bei mi-connect und fokussiert sich auf Themen rund um die klimaneutrale Industrie. Nach einem Geographiestudium (ja, er wollte die Welt retten) und mehrjähriger Arbeit als wissenschaftlicher Angestellter wechselte er in den Fachjournalismus, arbeitete in verschiedenen Verlagen und betreute dort unterschiedlichste Ressorts. Spannend findet er, bei der Recherche die Geschichte hinter der Geschichte zu entdecken. Privat erwischt man in häufig auf seinem Mountainbike durch die Berge rumpeln.

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