In China sind Industrie 4.0-affine Projekte hoch im Kurs. Dazu gelang zwei deutschen Instituten der Technologietransfer einer Lernfabrik im Industriepark in Huai'an. Sowohl für China als auch für Deutschland entsteht dadurch eine Win-win-Situation.

Für den Industriepark in Huai'an gelang der Technologietransfer einer Lernfabrik, der die Vorzüge einer Smart Factory ideal darstellt. Unter der Regie von IAIT (Institut für Automatisierung und Industrie-Technologie) und der Partnerschaft mit dem Fraunhofer-Institut IOSB-INA in Lemgo wird aktuell das Schaumodell installiert, in dem vernetzte Funktionsmodule und digitalisierte Prozessbausteine implementiert sind. Ansässige Unternehmen können dann vor Ort betrachten, wie Produktionsprozesse effizienter und intelligenter zu gestalten sind – ganz gemäß der nationalen Hightech-Strategie ‚Made in China 2025‘.

Internet of Things

Kernkompetenz der IAIT in Hannover ist die gegenseitige Geschäftsanbahnung für Unternehmen zwischen Deutschland und China, wobei diverse Technologietransfer-Projekte im Fokus stehen, die den beteiligten Unternehmen Marktvorteile verschaffen. Als Triebfedern fungieren dabei die nationalen Themenfelder Industrie 4.0 und ‚Made in China 2025‘, deren Potenziale in der Verknüpfung der industriellen Produktion mit Informations- und Kommunikationstechnik enorm sind. Unterschiede wie auch Gemeinsamkeiten dieser beiden Zukunftsstrategien schaffen die Basis für Geschäftsmodelle aller Art. Gerade die Absichtserklärung beider Nationen, wirtschaftlich enger zusammenarbeiten zu wollen, eröffnet langfristige Vorteile für die Unternehmen, deren Kommunikation durch die IAIT moderiert wird.

Industrie 4.0-Pilotanlage

Aktuell wirkt der Industriepark in Huai'an mit einer Industrie 4.0-Pilotanlage richtungsweisend für einen idealen Brückenschlag beider Nationen. Das Ziel, eine ‚intelligente Fabrik‘ als Keimzelle der Kommunikation zu installieren, macht Schule: Menschen, Maschinen, Anlagen, Logistik und Produkte kommunizieren und kooperieren an der Anlage direkt miteinander – und exakt das ist die Absicht eines Industrieparks, den die Stadtregierung in Huai'an damit verfolgt. Nebst Stadtteilplanung und Investitionsprojekt für Unternehmen steht auch der soziale Aspekt von Bildung und Arbeit im Interesse der Chinesen. Kernaspekt ist die vollständige Modernisierung der chinesischen Industrie, um die Massenproduktion auf eine qualitativ hochwertige und innovative Fertigung umzustellen. Erwähnenswert ist bei diesem Technologietransfer die kurze Umsetzungszeit dieser Modelllinie 4.0 mit Fraunhofer IOSB-INA als Technologie-Exekutive und IAIT als Moderator zwischen Ost-West.

Digitale Fertigungsoptimierung

Startschuss für diese Kooperation erfolgte im September 2016 in China und bereits im März 2018 wird man den Technologiepark in Huai'an offiziell eröffnen – inklusive Anlagendemonstration, Ausstellung sowie Konferenz und passenden Schulungsangeboten. Gerade für mittelständische Unternehmen, die den Nutzen einer Digitalisierung in der Produktion verstehen und anwenden wollen, hilft die Installation mit vernetzten Funktionsmodulen und digitalisierten Prozessbausteinen. Daher sind in dieser Smart Factory-Anlage Funktionsmodule wie ein RFID-gestütztes Steuerungskonzept, diverse Robotikanwendungen und Lösungen zur intelligenten Qualitätskontrolle sowie zur ‚Losgröße 1‘-Produktindividualisierung integriert, die zu einer digitalen Fertigungsoptimierung beitragen.

Mehr Effizienz in Produktionsprozessen

Den Zielbranchen Automobil- und Zulieferindustrie, Maschinenbau, Elektroindustrie, Automatisierung sowie Medizin- und Umwelttechnik gibt diese Hightech-Initiative vielerlei Perspektiven, um ihren Produktionsprozessen mehr Effizienz zu verleihen. Deutsche Unternehmen wie Anlagenbau Habeck aus Ostercappeln, die mit Fraunhofer IOSB-INA aktiv am Aufbau der Modelllinie beteiligt ist, profitieren genauso vom sino-germanischen Erfahrungsaustausch wie auch Siemens und Phoenix Contact, deren Komponenten in der Anlage verbaut sind.

Lern-Fabrik als Nachhilfe

Inwieweit die Lernfabrik ‚Nachhilfe‘ für chinesische Unternehmen sei, erklärt Holger Flatt, Gruppenleiter Intelligente Sensorsysteme bei Fraunhofer IOSB-INA und Leiter des Projekts: „Ja, wir zielen auf die chinesischen Unternehmen. Die Lernfabrik soll als Startpunkt genutzt werden, um Unternehmen auf dem Weg zur Produktion der Zukunft zu beraten.“ Denn Industrie 4.0 sei ja ein ganzer Blumenstrauß an Technologien und für viele auch nicht greifbar. „Das Ziel der Anlage ist es, zu zeigen, wie eine große Auswahl an verschiedenen Industrie 4.0-Technologien in der vernetzten Produktion aufgebaut sind und funktionieren“, gibt Flatt zu verstehen.

Thomas Nolting über die Lernfabrik

Thomas Nolting, Geschäftsführer IAIT

„Wenn es um deutsch-chinesische Entwicklungsmodelle zwischen Regierungen, Unternehmen, Verbänden sowie Institutionen und Hochschulen geht, dann braucht man von beiden Seiten ein Know-how, das das technologisch-orientierte Networking sowie Sprache, Kultur und Marktkenntnis beinhaltet. Die IAIT wirkt wie ein Katalysator, der die Ansprüche eines Gemeinschaftsprojektes effizient moderiert und harmonisiert – seien es Industrieparks, Bildungsinitiativen, Delegationen oder Veranstaltungen. Es gilt, die Vernetzung von Personen und Unternehmen im Umfeld einer intelligenten Fertigung so zu stricken, dass entlang den Achsen Ost-West und auch West-Ost langfristig Partnerschaften entstehen, die weitere Partner nach sich ziehen. Huai'an ist hier das beste Beispiel dafür.“

Deutsche Unternehmen wiederum profitierten davon, dass „wir primär am Markt verfügbare Industriekomponenten aus Deutschland und Europa eingesetzt haben. Da sind namhafte Unternehmen wie Siemens, Phoenix Contact und Elcom dabei“, wie Flatt berichtet. Zudem kämen von ABB ein Pick-and-Place-Roboter dazu, von Universal Robots ein kollaborativer Roboter, von Keyence ein Industrielaser, eine Industriewaage von Mettler Toledo sowie ein 3D-Drucker von German RepRap. Deren Komponenten bildeten die Grundlage für die gesamte Anlage.

Produktgetriebene Fertigung

Bei dem Prozess handelt es sich laut Flatt um eine produktgetriebene Fertigung: „Das heißt, an einer Orderstation wird ein Produktionsauftrag angelegt – man hat die Auswahl zwischen drei Miniatur-Modellautos. Für diese Autos können kundenindividuell entweder ein Standardanbauteil – zum Beispiel eine Drehleiter bei einem Feuerwehrwagen – als 3D-Anbauteil bestellt werden. Dann kann ein eigens definierter Text auf die Seite gelasert werden und aus einer Logoauswahl kann dieses aufgedruckt werden.“ Aus dieser Order werde ein Produktionsauftrag generiert und dieser werde in einer Art Kochrezept auf den RFID-Träger geschrieben, der in dem Werkstückträger montiert ist.

„Dieser wird wiederum über die Förderbänder von Station zu Station transportiert und dann teilt der Werkstückträger jeder Station mit, welche Produktionsaufträge an der jeweiligen Station umgesetzt werden müssen. Ein ordnungsgemäßer Ablauf oder Fehlermeldungen werden dann wieder als Ergebnis auf den Werkstückträger zurückgeschrieben“, erläutert Flatt. An der letzten Station entnimmt ein Roboter schließlich das Produkt und legt es auf eine Ausgaberutsche. Dann kann der Kunde sein Give-away entnehmen und die Produktion ist abgeschlossen.

Vernetzte Fertigung durch Digitalisierung

Der genaue Ablauf ist natürlich umfangreicher: Je nach Produkt müssen unterschiedliche Seitenteile für das Modellauto verwendet werden. Dazu Flatt: „Diese werden in einem ersten Schritt auf den Werkstückträger gelegt und in einem späteren Schritt vom Laser beschriftet. Danach erst folgt die Montage an einer Augmented-Reality-Station mit AR-Brille oder an einer projektionsbasierten Handarbeitsstation, welche beide am Fraunhofer IOSB-INA entwickelt wurden.“

So hätten die Ingenieure zum Beispiel über dem Arbeitstisch einen Beamer montiert, der direkt die Kiste anleuchtet, aus der das nächste Teil zu entnehmen ist. Dazu gibt Flatt zu erkennen, dass „auch der Griff in die Kiste durch den Werker via Handtracking erkannt und sofort der nächste Montageschritt angezeigt wird. Das kann somit jeder ungeübte Werker leisten.“

"Die Lernfabrik soll als Startpunkt genutzt werden, um Unternehmen auf dem Weg zur Produktion der Zukunft zu beraten", sagt Holger Flatt, Gruppenleiter Intelligente Sensorsysteme, Fraunhofer IOSB-INA.

Dann gibt es noch Stationen zur Qualitätsüberprüfung – zum Beispiel auf Basis von Bildverarbeitungsmethoden (BV-Methoden). „Habe ich das Produkt A gefertigt, wird natürlich der BV-Station auch der dementsprechend zugehörige Test mitgeteilt. Dafür ist das RFID-Konzept auch sehr wichtig“, verdeutlicht der Projektleiter.

Insgesamt gibt es sechs verschiedene 3D-Anbauteile für die Modellautos. Diese verfügen sogar über eine in einem Schritt gedruckte bewegliche Drehleiter, was im 3D-Duck nicht selbstverständlich ist, wie Flatt darstellt.  „Als weitere Kernfunktionalität wurde eine Cloud-Integration umgesetzt, welche einen Überblick über den Status der laufenden Produktion gibt sowie statistische Daten aus der Produktion anzeigt.“

Win-win-Situation durch Internet of Things

Laut Flatt ergebe sich für beide Länder eine Win-win-Situation, denn „für uns ist es ein innovatives und strategisch bedeutsames Projekt, das die Grundlage bildet, unsere künftigen Industrie 4.0-Technologien in produzierenden Unternehmen auch weit über die Landesgrenzen hinaus zugänglich zu machen.“ Es eröffne sich somit ein riesiger Markt in China und damit „fördern wir ja auch unsere heimischen Unternehmen, weil wir deren Komponenten einsetzen und deren Bekanntheit stärken. Somit werden auch dort deutsche Standards eingeführt“, führt Flatt aus. So habe man ja aktuell auch mit OPC UA einen potenten Kandidaten für die Industrie 4.0-Schnittstelle im Wettbewerb mit andern Standards. „Und solche Projekte können dann dazu beitragen, Standards, die wir in Deutschland begrüßen, auch international zu fördern“, schließt der Projektleiter.

Moderiertes Gemeinschaftsprojekt

„Wenn es um deutsch-chinesische Entwicklungsmodelle zwischen Regierungen, Unternehmen, Verbänden sowie Institutionen und Hochschulen geht, dann braucht man von beiden Seiten ein Know-how, das das technologisch-orientierte Networking sowie Sprache, Kultur und Marktkenntnis beinhaltet. Die IAIT wirkt wie ein Katalysator, der die Ansprüche eines Gemeinschaftsprojektes effizient moderiert und harmonisiert – seien es Industrieparks, Bildungsinitiativen, Delegationen oder Veranstaltungen. Es gilt, die Vernetzung von Personen und Unternehmen im Umfeld einer intelligenten Fertigung so zu stricken, dass entlang den Achsen Ost-West und auch West-Ost langfristig Partnerschaften entstehen, die weitere Partner nach sich ziehen. Huai'an ist hier das beste Beispiel dafür.“

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