
Der weltweit größte und leistungsstärkste Stellarator Wendelstein 7-X (W7-X), der vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald betrieben wird. (Bild: Anja Ullmann)
Die Kernfusion gilt als eine vielversprechende Option für eine saubere und sichere Energiequelle der Zukunft. Die am weitesten fortgeschrittene Form der Fusionsforschung ist der magnetische Einschluss eines Plasmas bei mehreren Millionen Grad Celsius - die sogenannte „Magnetfusion“. Weltweit konzentrieren sich die Forscher auf zwei Hauptkonzepte: den Tokamak und den Stellarator. Tokamaks erzeugen ein donutförmiges Plasma und haben bereits viele wichtige Meilensteine in Experimenten auf dem Weg zu einem Fusionskraftwerk erreicht. Auch der internationale Versuchsreaktor ITER in Südfrankreich wird derzeit nach diesem Konzept gebaut.
Trotz aller Fortschritte haben Tokamaks im Vergleich zu Stellaratoren einen großen Nachteil: Für ihren Betrieb muss ein starker elektrischer Strom durch das Plasma fließen. Dieser Strom kann jedoch das Plasma destabilisieren, was zu Schäden am Reaktor führen kann. Da dieser Strom außerdem in regelmäßigen Abständen abgeschaltet werden muss, würde die Fusionsleistung für kurze Zeit pausieren. Dies nennt man gepulsten Betrieb (jeder Puls kann mehrere Stunden dauern). Stellaratoren hingegen können ganz ohne Stromantrieb und damit kontinuierlich betrieben werden, weil das Plasma durch eine komplexe Verformung seiner Donut-Struktur in einem inhärent stationären Gleichgewicht gehalten wird. Allerdings müssen sie noch in Experimenten beweisen, dass der Plasmaeinschluss genauso gut ist wie in Tokamaks.
Wendelstein 7-X: Validierung des Stellarator-Designs
Der weltweit größte und leistungsstärkste Stellarator Wendelstein 7-X (W7-X), der vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald betrieben wird, arbeitet daran, diesen Nachweis zu erbringen. Die Anlage hat bereits einige wichtige Meilensteine erreicht, weitere sind für die kommenden Jahre geplant. Gleichzeitig ist jedoch klar, dass das Design von W7-X, das Ende der 1980er Jahre begonnen wurde, weiter verbessert werden muss, um es für einen lebensfähigen Reaktor geeignet zu machen.
Mit den Erkenntnissen aus W7-X haben die Forscher am IPP in Greifswald genau das getan. Das Team der IPP-Abteilung Stellarator-Theorie hat kürzlich den Entwurf für neue Stellaratoren mit wichtigen Eigenschaften für den Einsatz in Kraftwerken veröffentlicht. Das neue Konzept ist so vielversprechend, dass bereits mehrere private Fusionsunternehmen im In- und Ausland ihr Interesse bekundet haben, ihre eigenen Arbeiten auf dieser Basis fortzusetzen: "W7-X ist ein so genannter quasi-isodynamischer (QI) Stellarator, der mehrere verlockende Vorteile gegenüber anderen Stellarator-Typen bietet. Da W7-X in Experimenten gezeigt hat, dass diese Vorteile tatsächlich vorhanden sind, haben wir uns entschlossen, unsere Anstrengungen speziell auf QI-Stellaratoren zu konzentrieren", erklärt IPP-Wissenschaftler Alan Goodman, der das Projekt im Rahmen seiner Doktorarbeit geleitet hat.
Was ist ein Stellerator?
Ein Stellarator stellt ein innovatives Konzept für Fusionsreaktoren dar, welches darauf abzielt, kontrollierte Kernfusion zur Energiegewinnung zu nutzen. Die torusförmige Anlage basiert auf der Verwendung komplexer, spezifisch geformter Magnetspulen, welche die Einschließung und Stabilisierung eines heißen Plasmas gewährleisten. Im Gegensatz zu anderen Fusionsreaktor-Typen wie dem Tokamak ist für den Stellarator keine starke interne Plasmaströmung erforderlich, da das gesamte Magnetfeld von äußeren Spulen erzeugt wird. Dies eröffnet das Potenzial für einen stabileren und längeren Plasmabetrieb.
Der Stellarator wurde erstmals 1951 von Lyman Spitzer in Princeton konzipiert und hat seitdem erhebliche Fortschritte durchlaufen. Moderne Varianten wie der Wendelstein 7-X in Deutschland nutzen computeroptimierte Spulenformen, um die Plasmastabilität zu verbessern. Obgleich Stellaratoren aufgrund ihrer komplexen Geometrie schwieriger zu errichten sind als Tokamaks, bieten sie Vorteile wie eine größere Designflexibilität sowie potenziell längere Betriebszeiten.
Stellaratoren werden als vielversprechende Option für zukünftige Fusionskraftwerke erachtet. Aktuelle Forschungsprojekte zielen darauf ab, ihre praktische Einsatzfähigkeit und Effizienz zu demonstrieren. Die Entwicklung dieser Technologie kann als faszinierendes Beispiel für die Anwendung fortschrittlicher Plasmaphysik und Magnettechnologie in der Suche nach sauberen, nahezu unerschöpflichen Energiequellen betrachtet werden.
Das neue SQuID-Design: ein Durchbruch für künftige Fusionskraftwerke

Diese neuen Stellaratoren haben den Namen "SQuIDs" erhalten: Stabile quasi-isodynamische Designs. Die neuen Designs weisen in Computersimulationen äußerst wünschenswerte Eigenschaften auf:
- Sie begrenzen den toroidalen Nettostrom im Plasma auf sehr niedrige Werte, was für die Extrapolation des Plasmaabzugskonzepts von W7-X auf einen Reaktor notwendig ist.
- In den Simulationen zeigen die SQuIDs ermutigende Eigenschaften hinsichtlich der Plasmaturbulenz. Dies bedeutet, dass der Energieeinschluss relativ gut sein sollte, was eines der Hauptziele eines Fusionsreaktors ist.
- Hochenergetische Teilchen, die durch Fusionsreaktionen im Plasma erzeugt werden, driften nicht ab und treffen auf die Reaktorwand, was andernfalls das Plasmagefäß beschädigen würde.
Die SQuIDs repräsentieren den neuesten Stand der Technik im Stellaratorentwurf, der zum Teil durch die jüngsten Entwicklungen bei den für den Stellaratorentwurf entwickelten Rechenwerkzeugen ermöglicht wurde. Der Erfolg dieser Arbeit ist auch weitgehend das Ergebnis des kollektiven Wissens- und Erfahrungsschatzes der Forscher am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik und der wertvollen Erfahrungen der Experimentalphysiker, die an W7-X arbeiten. Die Synthese dieses grundlegenden wissenschaftlichen Verständnisses mit modernen Supercomputerfähigkeiten ermöglicht die Konstruktion von Stellaratoren, die noch vor fünf Jahren unmöglich gewesen wären.
Das neue SQuID-Design: ein Durchbruch für künftige Fusionskraftwerke

"Die Philosophie unseres Designansatzes bestand darin, systematisch Designoptionen auszuschließen, von denen wir wussten, dass sie in der Praxis nicht realisierbar waren. Dann konnten wir uns ganz darauf konzentrieren, die Physik richtig hinzubekommen", sagt der Physiker Alan Goodman. Denn das ist eine der Herausforderungen bei Stellaratoren: Aufgrund ihres sehr komplexen Magnetfelds müssen Stellaratoren sorgfältig auf die praktischen Bedürfnisse zugeschnitten werden, und der Unterschied zwischen einem sehr guten und einem sehr schlechten Entwurf kann sehr gering sein.
Diese Entwürfe sind zwar theoretisch fundiert und durch umfangreiche Simulationen rechnerisch verifiziert, aber solange sie nicht gebaut, betrieben und im Labor untersucht wurden, kann man ihr wahres Potenzial nicht erkennen", erklärt Prof. Per Helander, Leiter der Abteilung Stellarator-Theorie am IPP. "Für Ingenieure, sowohl am IPP als auch in Fusions-Startups, können diese neuen SQuIDs die Grundlage für die Entwicklung neuer Magnetkonzepte und anderer Technologien sein, die für die Realisierung eines SQuID als Experiment oder Kraftwerk benötigt werden."
MPI für Plasmaphysik