
Automatisiertes Padsetzen in der Lackiererei eliminiert bei Porsche Leipzig einen der ergonomisch anspruchvollsten Arbeitsplätze der Automobilindustrie. (Bild: Porsche Leipzig)
Porsche Leipzig ist der Gesamtsieger der Fabrik des Jahres. Aber wie konnte das Werk die Jury beeindrucken? „Unsere Erfolgsfaktoren im Wettbewerb waren zum einen, dass wir extrem lean produzieren. Zum anderen konnten wir unser breites Spektrum an effizienter und nachhaltiger Produktion aufzeigen“, sagt Gerd Rupp, Vorsitzender der Geschäftsführung der Porsche Leipzig GmbH, im Gespräch mit 'Produktion'. Das sah die Unternehmensberatung Kearney genauso.
Zu dem Bild, das der Jury präsentiert wurde, gehört zum einen die hohe Flexibilität, mit der das Werk ihren Fertigungsmix abbilden kann. Neben derzeit sieben Karosserievarianten werden zum Beispiel auch alle drei Antriebsarten auf einer Linie gefertigt. „Mit unserer Rundstrecke und unserem außergewöhnlichen Beweidungskonzept ist es uns auch gelungen, Kundenerlebnis und Nachhaltigkeit in Summe darzustellen“, ergänzt Rupp den Gesamteindruck um die ebenso relevanten Aspekte Nachhaltigkeit und CSR-Engagement.
Das Ziel Zero Impact Factory sei anspruchsvoll zu realisieren, aber allein das Aufzeigen des permanenten Reduzierens von Auswirkungen, die in den ökologischen Fußabdruck einzahlen, ist bei Porsche Leipzig ebenso ausgeprägt wie das gesellschaftliche Engagement für Kultur, Soziales, Sport, Umwelt und Bildung.
Fabrik des Jahres

Die Fabrik des Jahres zählt zu den renommiertesten Industrie-Wettbewerben in Europa. Auf dem gleichnamigen Kongress werden jedes Jahr die Gewinner geehrt. Der nächste Kongress wird am 18. und 19. März 2025 stattfinden.
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Porsche Leipzig: Das Wichtigste sind die Menschen
„Das Wichtigste an unserem Standort sind die Menschen“, verrät Rupp den wesentlichsten Erfolgsfaktor.
Was sie so besonders macht? „Bei jedem Entwicklungsschritt, den Porsche Leipzig über die vergangenen zwei Jahrzehnte gemacht hat, mussten wir uns immer wieder neu beweisen, Teilerfolge immer wieder bestätigen. Dadurch ist eine gewisse Mentalität am Standort entstanden, mit der wir den hohen Kompetenzaufbau und den Umgang mit Aufgaben und Anforderungen geschafft haben. Darum ist der Sieg im Wettbewerb auch eine Teamleistung“, weiß Rupp zu schätzen.

So setzt Porsche KI ein
In den vergangenen fünf Jahren wurde die Transformation hin zur Smart Factory in Leipzig stark forciert. „Wir haben viele Zukunftsthemen umgesetzt, mit dem Ziel, analoge Prozesse in automatisierte Prozesse umzustellen. Durch die Integration zahlreicher Datenverarbeitungsthemen verfügen wir mittlerweile über Daten, die wir für die Analyse weiterer Potenziale bereitstellen können. So werten wir zum Beispiel mit KI aus, wie stabil ein Prozess ist“, sagt Rupp.
Das große Ziel, Prozesse noch robuster zu machen, löste in der Belegschaft eine Welle aus, wie Rupp berichtet: „Jeder Fachbereich hat angefangen, seine digitalen Potenziale zu suchen und zu schauen, was wir dort realisieren können.“
Und so wurden in den vergangenen Jahren viele der Innovationen von der Mannschaft selbst entwickelt und integriert. Die internen Prozesse in der Produktion heute möglichst lean, smart und green zu gestalten, gehört mittlerweile zur Markenstrategie von Porsche.
Podcast: Johann Kraus (Rohde & Schwarz) über die Fabrik des Jahres
Wie smart die Prozesse bereits sind, zeigt ein Beispiel aus der Instandhaltung. Über intelligente Tools sind die Instandhalter mit sämtlichen Systemen verbunden. Sobald eine Störung auftritt, werden sie nicht nur automatisiert informiert. Ihnen stehen auch umgehend aufbereitete Daten zur Verfügung, die zur Lösung des Problems benötigt werden. Auch die automatische Fehlererkennung im Lack ist eine von zahlreichen digitalen Absicherungen, um die Prozesse noch robuster zu machen.
Wo früher sechs Mitarbeiter pro Schicht die Fahrzeuge visuell geprüft haben, erfasst heute ein Scanner die Oberfläche der Karosse. Mit einer KI wurden über ein halbes Jahr hinweg Fehler angelernt, wodurch die selbst entwickelte Sensorik des Scanners so feinfühlig geworden ist, dass in der Bildverarbeitung Anomalien lokalisiert werden und im Nachgang entsprechend überprüft werden können.
Auch dieses Projekt konnten die Leipziger konzernweit gut vermarkten, da es nicht nur die Effizienz erhöht, sondern gleichzeitig auch die Mitarbeitende entlastet, die nun anderweitig eingesetzt werden können.
Diesen Arbeitsplatz konnte Porsche eliminieren
Dem Siegerwerk ist es auch gelungen, einen der ergonomisch anspruchvollsten Arbeitsplätze der Automobilindustrie zu eliminieren. Jahrzehnte lang gab es nämlich nur eine Möglichkeit, die Löcher in der Karosse für den Ablauf des KTL-Bads nach dem Lackiervorgang abzudichten, damit später kein Spritzwasser von unten ins Auto gelangen kann: das Aufklipsen kleiner Plastikdeckel per Hand. Noch dazu über Kopf, da die Karosse nicht gedreht werden konnte.
„Dies zu automatisieren und unterschiedliche Deckel aus einem Magazin zu entnehmen, war einfach zu schwierig. Nachdem wir allerdings passende Klebepads gefunden hatten, die von einer Rolle automatisiert abgezogen und von einem Roboter sehr präzise aufgebracht werden können, konnten wir den Prozess automatisieren“, sagt Rupp über die prozesssichere Lösung, für die die Mitarbeiter sehr dankbar sind.

Die Transformation bei Porsche ist im vollen Gange
Zu den smarten Digitalisierungs- und Automatisierungstools, mit denen Porsche die Jury überzeugen konnte, gehört auch die virtuelle Bolzenschablone. Das Verwalten der zahlreichen Schablonen, mit denen Vollzähligkeit und Anbausituation der Bolzen geprüft wird, sowie deren maßliche Anpassung bei einer Produktveränderung, gehört mit Augmented Reality der Vergangenheit an. Ebenfalls aus dem Werk verschwunden ist der Meisterbock, an dem „Teile einzeln angebaut und überprüft wurde, ob wir damit ein Auto in der erforderlichen Qualität bauen können oder nicht“, beschreibt Rupp den Zweck.
Weil der Meisterbock immer wieder neu aufgebaut werden musste, wenn neue Teile kamen oder sich etwas verändert hatte, war diese Vorgehensweise zeitaufwändig und kostenintensiv. Am virtuellen Meisterbock hingegen können die Daten der bereits vor Anlieferung vermessenen Einzelteile zusammengelegt und eine virtuelle Ableitung gemacht werden, wie qualitativ beispielsweise die Tür bezüglich der Maßlichkeit ist. Weil auch der Ausschnitt vom Seitenteil, in das die Tür dann eingepasst wird, digital vorliegt, ist der Qualitätsprozess deutlich kürzer und effizienter als früher.
„Wir haben hier am Standort eine Strategie festgelegt, wie wir 2030 produzieren wollen. Aktuell ist die Transformation im vollen Gange“, sagt Rupp. Und er ist sich sicher, dass sein Team das schaffen wird.
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