Resilienz in der Lieferkette

BMW setzt auf smarte Sourcing-Strategien

Mit Regionalisierung, Digitalisierung und Multi-Sourcing reagiert BMW auf steigende Anforderungen in der Beschaffung. Die optimierte Sourcing-Strategie stärkt die Lieferketten und erhöht die Wettbewerbsfähigkeit. Was macht den Unterschied?

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BMW Group iFactory, Smart Maintenance, BMW Group Werk Regensburg
Auch der Einsatz von Smart Maintenance beeinflusst die Sourcing-Strategie der BMW Group positiv: Durch geringere Ausfallzeiten, optimale Prozesssteuerung und höhere Lieferkettentransparenz kann sich der Premiumhersteller entscheidende Wettbewerbsvorteile sichern.

In einer Welt, die von geopolitischen Unsicherheiten, technologischen Umwälzungen und strengeren Nachhaltigkeitsanforderungen geprägt ist, muss der Münchner Konzern seine globale Beschaffungsstrategie neu ausrichten, um wettbewerbsfähig zu bleiben und gleichzeitig den Anforderungen einer sich wandelnden Industrie gerecht zu werden.

Komplexität als tägliche Herausforderung

Die Dimension der Aufgabe ist beeindruckend: Die BMW Group koordiniert ein weltweites Netzwerk von 1.800 Lieferanten an über 4.000 Standorten, die täglich mehr als 31 Millionen Bauteile zu 30 Produktionsstandorten liefern. Diese logistische Meisterleistung wird durch eine Reihe externer Faktoren zusätzlich erschwert.

Geopolitische Turbulenzen: Handelskonflikte, Sanktionen und der anhaltende Ukraine-Krieg belasten den globalen Warenverkehr erheblich. Besonders kritisch ist die Abhängigkeit von strategischen Rohstoffen wie Lithium, Kobalt und seltenen Erden, die oft aus politisch instabilen Regionen stammen.

Störungen in der Lieferkette: Die COVID-19-Pandemie hat die Anfälligkeit globaler Lieferketten schonungslos offengelegt. Verzögerungen, Materialengpässe und steigende Transportkosten sind zu einer neuen Normalität geworden, die ein hohes Maß an Flexibilität und vorausschauender Planung erfordert.

Regulatorische Anforderungen: Mit der Einführung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) und der EU-Taxonomie steigen die Anforderungen an Transparenz und Nachhaltigkeit in der gesamten Wertschöpfungskette. Dies zwingt Unternehmen wie BMW, ihre Lieferantenbeziehungen neu zu bewerten und strengere Kontrollen einzuführen.

Technologischer Wandel: Der Übergang zur Elektromobilität verlangt nach neuen Zuliefererstrukturen und Ressourcen. Der akute Bedarf an Batteriezellen und Halbleitern übersteigt derzeit das verfügbare Angebot, was die Notwendigkeit strategischer Partnerschaften und Investitionen in neue Technologien unterstreicht.

Bilderstrecke: So geht BMW Innovation und Resilienz an

Talente BMW Group
Spitzenplätze in renommierten Arbeitgeber-Rankings sichern der BMW Group den Zugang zu exzellentem Fachwissen und Talenten – ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, der auch die Sourcing-Strategie und damit die weltweite Lieferkettensicherheit des Unternehmens stärkt.
BMW Group Batterie Montage Netzwerk weltweit
Local-for-Local in der Batteriemontage: Mit nahegelegenen Fertigungsstätten stärkt BMW die Versorgungssicherheit, verringert Transportwege und festigt damit die globale Sourcing-Strategie für die Neue Klasse - deren in Richtung Software-definierten Modelle ab Ende 2025 ausgeliefert werden.
Recycling im BMW Kompetenzzentrum Kirchroth
Im Kompetenzzentrum in Kirchroth werden sowohl Reststoffe aus der Batteriezellproduktion als auch komplette Batteriezellen recycelt. Dabei werden vor allem Rohstoffe wie Lithium, Kobalt, Graphit, Mangan, Nickel und Kupfer zurückgewonnen und direkt wieder in den Zellproduktionskreislauf eingespeist.
Batteriemontage BMW Group Werk München
Kürzere Lieferwege, eng verzahnte Produktion und optimale Qualitätskontrolle – von der Zelllackierung bis zur fertigen Hochvoltbatterie. Mit dem Ausbau auf acht Produktionslinien deckt das Werk Leipzig die gesamte Prozesskette der Hochvoltbatteriefertigung ab und folgt damit der Sourcing-Strategie der BMW Group.
BMW Group Werk Regensburg Wasserstoffbetriebene Flurfahrzeuge
Ab 2026 setzt das BMW Group Werk Regensburg auf wasserstoffbetriebene Routenzüge und Gabelstapler: Die schnelle Betankung vor Ort und der reduzierte Flächenbedarf stärken die Logistikprozesse – und zahlen mit dem Ausbau eines nachhaltigen Energiemixes direkt auf die Sourcing-Strategie der BMW Group ein.
BMW Group Werk Dingolfing KI Analyse per Handyvideo
Zählen war gestern: In einer innovativen Kooperation zwischen dem BMW Group Werk Dingolfing und der Hochschule Landshut analysiert KI per Handyvideo 1.600 Behältertypen – ein Zeitsparer, der die Werkslogistik präziser und effizienter macht.

Single, Modular und Global Sourcing im Vergleich

Um den Herausforderungen der Ressourcenknappheit zu begegnen, setzen Automobilhersteller auf unterschiedliche Beschaffungsstrategien:

Single Sourcing: Diese Strategie konzentriert sich auf die Zusammenarbeit mit einem einzigen Lieferanten, was die Kosten senken und die Qualität sichern kann. Jedoch birgt sie erhebliche Risiken, wie der Fall Toyota zeigt: Nach einem Erdbeben in Japan 2011 kam es zu monatelangen Produktionsausfällen, da ein Lieferant nicht mehr liefern konnte.

Modular Sourcing: Hier werden vormontierte Baugruppen von Modullieferanten bezogen. Dieses Konzept reduziert die Anzahl der Schnittstellen und ermöglicht Automobilherstellern wie BMW, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren. Ein Beispiel ist Magna, das das Modell X3 für BMW entwickelt hat.

Global Sourcing: Diese Strategie setzt auf die Beschaffung von Rohstoffen und Bauteilen aus verschiedenen Regionen weltweit. Unternehmen wie Daimler und BMW nutzen diese Strategie, um von Preisdifferenzen zu profitieren und Versorgungsrisiken zu minimieren. So beschafft BMW Rohstoffe wie Lithium und Kobalt aus Ländern wie Australien, Argentinien und Marokko, um die Abhängigkeit von China zu reduzieren.

Innovative Lösungsansätze für eine resiliente Sourcing-Strategie

Um diesen vielschichtigen Herausforderungen zu begegnen, hat die BMW Group eine multidimensionale Sourcing-Strategie entwickelt, die auf Diversifikation, Digitalisierung und strategische Partnerschaften setzt.

Regionalisierung der Lieferketten: BMW verlagert gezielt Produktionskapazitäten in die Nähe seiner Hauptabsatzmärkte. Dies reduziert nicht nur die Abhängigkeit von globalen Transportwegen, sondern ermöglicht auch eine schnellere Reaktion auf lokale Marktanforderungen. Ein Paradebeispiel hierfür ist die Produktion von Batteriezellen in Europa, die die Elektromobilitätsstrategie des Unternehmens unterstützt.

Langfristige Partnerschaften: Der Aufbau enger Kooperationen mit strategischen Lieferanten sichert den Zugang zu kritischen Materialien und Technologien. Diese Partnerschaften gehen oft über reine Lieferbeziehungen hinaus und umfassen gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekte, etwa im zukunftsweisenden Bereich der Feststoffbatterien.

Digitalisierung als Schlüssel zur Transparenz: BMW setzt verstärkt auf moderne Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und Blockchain, um eine vorausschauende Planung und lückenlose Transparenz in der Lieferkette zu gewährleisten. Diese digitalen Werkzeuge ermöglichen es, potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und proaktiv Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Multi-Sourcing-Strategie: Um die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten zu minimieren, arbeitet BMW mit mehreren Zulieferern für denselben Rohstoff oder dasselbe Bauteil. Dieser Ansatz erhöht zwar die Komplexität des Lieferkettenmanagements, stärkt aber gleichzeitig die Resilienz gegenüber Lieferengpässen und Marktvolatilitäten.

Direkte und indirekte Kosten durch Multi-Sourcing

Multi-Sourcing bringt sowohl direkte als auch indirekte Kosten mit sich, die sich auf die gesamte Kostenstruktur eines Unternehmens wie BMW auswirken.

Direkte Kosten

  • Beschaffungskosten: Die Zusammenarbeit mit mehreren Lieferanten ermöglicht es Unternehmen, bessere Verhandlungsspielräume zu nutzen. Lieferanten mit regionalen Standorten können preislich günstiger sein, während andere durch höhere Qualitätsstandards teurer ausfallen. Insgesamt hilft Multi-Sourcing jedoch, Preisvolatilitäten zu reduzieren.
  • Transport- und Logistikkosten: Eine diversifizierte Lieferantenbasis bringt höhere Transportkosten mit sich, vor allem bei internationalen Lieferanten. Gleichzeitig kann eine Regionalisierung der Beschaffung Wege verkürzen und Kosten optimieren.

Indirekte Kosten

  • Risikomanagement: Eine diversifizierte Lieferantenstruktur minimiert das Risiko von Produktionsausfällen, was langfristig potenzielle Kosten durch Engpässe reduziert.
  • Verhandlungsmacht: Mehrere Lieferanten stärken die Position der Automobilhersteller und führen zu günstigeren Konditionen – ein Vorteil, der sich mittelfristig für den OEM auszahlt.
  • Qualität und Innovation: Unterschiedliche Lieferanten bringen Know-how und neue Technologien ein, die langfristig Kosten senken können, beispielsweise durch weniger Ausschuss oder effizientere Produktionsprozesse.

Digitale Transformation als Treiber der Effizienz

Lösungen für die Herausforderungen moderner Lieferketten

Multi-Sourcing bringt auch Herausforderungen mit sich. Eine fehlende Transparenz in der Lieferkette oder ineffizientes Risikomanagement können Schwachstellen aufzeigen. Hier kommen digitale Lösungen ins Spiel.

  • Echtzeit-Datenanalyse: Tools ermöglichen es, Veränderungen in der Lieferkette sofort zu erkennen und anzupassen.
  • Automatisierung: Robotik und KI beschleunigen Prozesse und reduzieren Fehler.
  • Cybersecurity: In einer digital vernetzten Lieferkette ist Schutz vor Cyberangriffen essenziell. Verschlüsselung und KI-gestützte Sicherheitssysteme sind Standard.

Die Digitalisierung spielt eine Schlüsselrolle in der Neuausrichtung der Sourcing-Strategie von BMW. Mit der Einführung einer umfassenden Cloud-Architektur hat der Konzern einen entscheidenden Schritt in Richtung Zukunft getan.

KI als Logistik-Guru: Die Integration von Künstlicher Intelligenz in die Lieferkette markiert dabei einen Paradigmenwechsel. KI-Systeme fungieren als digitale Logistik-Experten, die potenzielle Engpässe vorhersehen, Lösungsvorschläge generieren und kontinuierlich aus historischen Daten und aktuellen Trends lernen.

Echtzeit-Dashboards: Um die Fülle an Daten nutzbar zu machen, setzt BMW auf umfassende Echtzeit-Dashboards. Diese digitalen Schaltzentralen bieten einen 360-Grad-Blick auf den gesamten Logistikprozess und ermöglichen sofortige Reaktionen auf Veränderungen. KI-generierte Lösungsszenarien unterstützen Entscheidungsträger bei der Bewältigung komplexer Herausforderungen.

Revolution der Intralogistik: Innerhalb der Produktionshallen treibt BMW die Automatisierung voran. Autonome Routenzüge und Smart Transport Roboter optimieren die internen Materialflüsse und reduzieren manuelle Eingriffe.

Automatisiertes Fahren im Werksumfeld (AFW): Ein weiterer Meilenstein ist das 'Automatisierte Fahren im Werksumfeld'. Milan Nedeljković, Produktionsvorstand der BMW AG, unterstreicht dessen Bedeutung: "Das automatisierte Fahren im Werksumfeld optimiert unseren Produktionsprozess und bringt deutliche Effizienzgewinne in unserer Logistik mit sich. Deshalb werden wir diese Technologie zügig im Produktionsnetzwerk ausrollen."

So begegnet BMW den Herausforderungen der Branche

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Die Sourcing-Strategie der BMW Group zeigt exemplarisch, wie ein globaler Automobilhersteller den Herausforderungen einer sich rapide wandelnden Branche begegnen kann. Durch die geschickte Kombination von Regionalisierung, strategischen Partnerschaften und digitaler Innovation wurden die Voraussetzungen für eine resiliente und zukunftsfähige Lieferkette geschaffen. Die konsequente Digitalisierung, insbesondere der Einsatz von KI und Cloud-Technologien, ermöglicht es dem Unternehmen, flexibler auf Marktveränderungen zu reagieren und gleichzeitig die Effizienz zu steigern.

In einer Welt, die von Unsicherheit und rasantem technologischen Wandel geprägt ist, wird eine vorausschauende und adaptive Sourcing-Strategie nicht nur überlebenswichtig ist, sondern auch neue Chancen für Innovation und Wachstum eröffnen.

Die Fähigkeit, globale Herausforderungen in Wettbewerbsvorteile zu verwandeln, wird in den kommenden Jahren entscheidend für den Erfolg in der Automobilindustrie sein.

überarbeitet von: Dietmar Poll

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