Es klingt wie ein Märchen, das bald Realität wird: Es war einmal ein Autofan, der sein Lieblingsauto wieder zum Leben erwecken wollte. Kurzerhand kritzelt er eine Skizze seines Traumautos in einem Pub auf einen Bierdeckel, stellt ein Team zusammen und präsentiert drei Jahre später tatsächlich seinen ersten eigenen Wagen.
Der Mann in dieser Geschichte heißt James Ratcliffe, Eigentümer des Chemiekonzerns Ineos. Mit einem geschätzten Vermögen von mehr als 19 Milliarden Euro ist er Großbritanniens reichstes Mann. Und: Der 67-Jährige ist ein Riesenfan des klassischen Land Rover Defender. Als die Produktion des Autos 2016 eingestellt wurde, wurde aus dem Milliardär ein Autobauer: Er beschloss, selbst einen Offroader zu bauen – die Geburtsstunde von Ineos Automotive.
Ineos-Auto soll Philosophie des Land Rovers widerspiegeln
Wie in jedem Märchen gab es aber natürlich zunächst Stolpersteine. So klopfte Radcliffe erst bei Jaguar Land Rover an und fragte, ob er das Auto weiterbauen darf – durfte er nicht. Das Unternehmen erklärte, dass keine Drittfirma ein Auto unter dem Namen Land Rover bauen könne.
Deshalb musste ein ähnliches Fahrzeug her, oder in den Worten von Ineos: Ein Offroader, der keine Replik des Defenders sein soll, sondern vielmehr dessen Philosophie widerspiegeln und zudem eine schrittweise Veränderung im Sinne der Produktionsqualität und Verlässlichkeit des Fahrzeugs sein soll.
„Das ist ein unglaublich aufregendes Projekt“, erklärte Ratcliffe Anfang 2017. Die Zielgruppe dabei: Entdecker, Landwirte und Offroad-Enthusiasten. Für das Happy End wollte Ineos „mehrere Hundert Millionen“ in die Produktion des neuen Geländewagens stecken.
„Unsere Aufgabe ist es, einen der weltbesten Offroader zu entwickeln und wir kommen derzeit gut mit unseren Plänen voran“, erklärte Dirk Heilmann, CEO der neu gegründeten Ineos Automotive. Heilmann war vorher Head of Engineering and Technology bei Ineos, hatte als noch keine Erfahrung in der Autoindustrie.
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Ein Ort für das Schloss – also die Fertigungsstätte – wurde dann auch bald gefunden. Bridgend im Süden von Wales sollte es werden, gab das Unternehmen im September 2019 bekannt. 200 neue Arbeitsplätze sollen dort geschaffen werden. Langfristig sollen es bis zu 500 werden.
Ineos ist auch an Werk in Frankreich interessiert
Ob das weiter so Bestand hat und Wales die einzige Produktionsstätte sein wird, bleibt abzuwarten. Denn inzwischen ist bekannt geworden, dass Ineos Interesse am Daimler-Werk im französischen Hambach hat. Wie berichtet, will der deutsche Autobauer das Werk verkaufen.
Eines ist jedoch schon klar: Die Motoren sollen von BMW kommen, entwickelt wird das Auto von Magna.
Jedes gute Märchen braucht natürlich auch einen Namen und der vom ersten Ineos-Fahrzeug ist von der Geburtsstätte des neuen Geländewagens inspiriert. „Grenadier“ soll das Ineos-Auto heißen – genauso wie der Pub, in dem Radcliffe die erste Skizze seines Wagens gezeichnet hat. „Diese Entscheidung wurde von über 6.000 internationalen Fans und Followern des Unternehmens via Online-Petition unterstützt“, erklärte Ineos.
Jetzt, drei Jahre nach der Idee, hat Ineos den Prototypen seines Autos vorgestellt. Autokenner sehen dabei sofort, dass der Geländewagen tatsächlich vom klassischen Land Rover inspiriert wurde – beispielsweise bei Details wie den Türgriffen oder der Kotflügelform.
Es gibt aber auch Unterschiede. Die Hecktür ist bei Ineos zum Beispiel zweigeteilt. Die Markteinführung ist für Ende 2021 geplant. Bis dahin soll der Ineos Grenadier noch 1,8 Millionen Testkilometer sammeln.
Bis zu 25.000 Autos sollen künftig pro Jahr produziert werden. Dann hat nicht nur Radcliffe seinen eigenen Land Rover Nachfolger. Ende gut, alles gut also? Vielleicht. Für ein echtes Happy End fehlt Ineos kein Prinz oder Prinzessin, sondern nur noch Kunden, die das Auto ab nächstem Jahr kaufen.
Wer ist James Ratcliffe?
- Der Chemieingenieur gründete 1998 Ineos. Inzwischen hat der Chemiekonzern einen Umsatz von mehr als 60 Milliarden Euro und beschäftigt weltweit mehr als 18.000 Mitarbeiter.
- 2018 wurde er von der Queen für seine „Verdienste für Unternehmen und Investment“ zum Ritter geschlagen.
- Im vergangenen Jahr plante er, nach Monaco umzusiedeln, um so Steuern zu sparen.
- Im gleichen Jahr kaufte er den Fußballverein OGC Nizza. Auch in der Schweiz gehört ihm ein Fußball-Club.
- Er gilt als Brexit-Befürworter.