Die geringe Nachfrage nach Elektrofahrzeugen stellt zunehmend auch für Zulieferer ein Problem dar. Eine Umfrage der Unternehmensberatung Horváth unter 50 Automobilzulieferern, darunter 35 aus Deutschland, ergab, dass die Hersteller bis zu 50 Prozent weniger E-Fahrzeugkomponenten abnehmen als zuvor in Aussicht gestellt. Dies setzt die Firmen unter Druck. Um die Kosten zu senken, planten 60 Prozent der befragten Zulieferer in Deutschland einen moderaten Stellenabbau.
"Die wirtschaftliche Situation hat sich für viele Zulieferer deutlich verschlechtert und bringt einige Unternehmen zunehmend in Bedrängnis", sagt Frank Göller, Partner und Automotive-Experte bei Horváth. "Die Umstellung auf die Module und Bauteile für E-Fahrzeuge erfordert erhebliche Investitionen und viele Zulieferer haben aufgrund der reduzierten Nachfrage hohe Einbußen bei Umsatz und Ertrag."
Wegen der angespannten Lage sei bei den Autozulieferern mit weiteren Zusammenschlüssen oder Übernahmen zu rechnen.
Doch wer sind die umsatzstärksten Zulieferer? In unserem Ranking erfahren Sie es:
Das Ranking zeigt: Die deutschen Automobilzulieferer dominieren die Top 5. In den Top 100 sind noch 14 weitere Unternehmen aus Deutschland. Das sind die weiteren Platzierungen:
- Platz 26: Mahle (Umsatz: 12,8 Milliarden Euro)
- Platz 29: Schaeffler (Umsatz: 12 Milliarden Euro)
- Platz 37: Vitesco Technologies (Umsatz: 9,2 Milliarden Euro)
- Platz 43: Infineon (Umsatz: 8,5 Milliarden Euro)
- Platz 44: Brose (Umsatz: 7,9 Milliarden Euro)
- Platz 55: Eberspächer (Umsatz: 6,3 Milliarden Euro)
- Platz 62: Dräxlmaier (Umsatz: 5,6 Milliarden Euro)
- Platz 65: Thyssenkrupp Automotive (Umsatz: 5,5 Milliarden Euro)
- Platz 68: Freudenberg (Umsatz: 5 Milliarden Euro)
- Platz 71: Leoni (Umsatz: 4,7 Milliarden Euro)
- Platz 74: Webasto (Umsatz: 4,6 Milliarden Euro)
- Platz 81: Knorr-Bremse (Umsatz: 4,2 Milliarden Euro)
- Platz 83: Mann + Hummel (Umsatz: 4 Milliarden Euro)
- Platz 88: Aunde (Umsatz: 3,7 Milliarden Euro)
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So ist die Lage in der Zuliefererbranche
Die Top-100-Zuliefererstudie der Managementberatung Berylls zeigt: Die Unternehmen konnten Umsätze und Margen im Vergleich zum Vorjahr steigern. "Allerdings ist das Vergleichsjahr 2022 für die Industrie extrem schlecht gelaufen, ein leichtes Plus ist also kein Grund zum Jubeln", schreiben die Experten von Berylls.
Die zehn größten Automobilhersteller übertrafen mit einem Umsatzanstieg von 8,1 Prozent auf 1.770 Milliarden Euro, das Wachstum der Zulieferer, die im vergangenen Jahr zahlreiche Performance-Programme angestoßen und sich von tausenden Mitarbeitenden getrennt haben. Aktuell hat ZF angekündigt, tausende Stellen zu streichen.
Wie in den Vorjahren liegen die OEMs und Lieferanten bei der Marge weit auseinander: Die Autohersteller erreichen mit einer Durchschnittsmarge von 8,5 Prozent einen neuen Bestwert, während die Zulieferer mit 5,9 Prozent lediglich das Vor-Corona-Niveau erreicht haben. 2023 konnte die Branche ihren Umsatz allerdings auf den neuen Rekordwert von 1,135 Milliarden Euro steigern.
Grund dafür war vor allem die gestiegene Nachfrage nach Neufahrzeugen in Nordamerika und Europa. Belastend sind weiter die hohen Erzeugerpreise für Energie und Rohstoffe.
Deutsche und japanische Zulieferer dominieren noch
Die Vormachtstellung der deutschen und japanischen Lieferanten ist zwar noch ungebrochen, aber ihre Bedeutung erodiert. In den vergangenen Jahren haben die Zulieferer aus Japan rund fünf Prozent am globalen Markt verloren, die deutsche Gruppe schrumpfte um zwei Prozent. Dennoch stehen sie in ihrer Gesamtheit immer noch für etwa 40 Prozent der weltweiten Zuliefererindustrie.
Weil sich allerdings die Bedeutung der Warengruppen hin zur Batterie- und Halbleiterindustrie verschiebt, besteht den Expertinnen und Experten zufolge die Gefahr, dass die Position der deutschen Unternehmen weiter unter Druck gerät. Der Grund: Die deutschen Zulieferer sind kaum in diesem Zukunftsmarkt vertreten.
Im Gegensatz dazu sind viele chinesische Zulieferer in diesem Markt vertreten. Deshalb erwarten die Berylls Expertinnen und Experten im Jahr 2030 eine in weiten Bereichen neue Zusammensetzung der Top 100. „2030 sehen wir bereits 17 chinesische Unternehmen innerhalb der Top 100, nur 18 Jahre nachdem mit Weichai Power das erste Unternehmen in diese Spitzengruppe vordringen konnte", sagt Dr. Alexander Timmer, Partner bei Berylls by AlixPartners. Es sei außerdem davon auszugehen, dass CATL 2030 den Spitzenplatz im Ranking belegen wird.
Ausblick: Weiter schwierige Lage für Zulieferer
Bis 2020 war die Zuliefererindustrie ein Garant für stabile Marktentwicklungen und stetiges Wachstum. Das hat sich inzwischen geändert.
Denn die positiven Zahlen, die das aktuelle Ranking zeigt, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Situation insgesamt negativ entwickelt. Obwohl die umsatzgewichtete Marge der Top 100 im Mittel um 0,7 Prozentpunkte auf 5,9 Prozent anstieg, liegen 50 Prozent der Unternehmen unter dieser Marge.
Diese Entwicklung ist vor allem für den deutschen Mittelstand besorgniserregend. Dr. Jürgen Simon, Associate Partner bei Berylls by AlixPartners, stellt fest: „Wir sehen, dass die Marge bei den mittelständischen Lieferanten in Deutschland vielfach bei nur vier bis 4,5 Prozent oder sogar darunter liegt. Damit ist die dringend nötige Transformation der Unternehmen kaum zu stemmen.“
Problematisch für den Standort Deutschland ist außerdem, dass die Reifenhersteller als einzige Warengruppe nicht vom gestiegenen Fahrzeugabsatz im Jahr 2023 profitieren konnten. Das umsatzstarke Reifenersatzgeschäft ging im vergangenen Jahr um 1,9 Prozent zurück.
Zudem belastet die Zulieferer das weiter schwer einzuschätzende Marktumfeld: "Protektionismus, Einfuhrbeschränkungen und Importzölle zwischen Europa, China und den USA werden für die Branche in diesem Jahr tonangebend sein", meinen die Expertinnen und Experten. Sie erwarten deshalb eine höhere Lokalisierung der Produktion und eine Steigerung der Autonomie in den einzelnen Weltregionen.
Mit dem Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA erfolgt Ende des Jahres zudem eine wichtige Weichenstellung, die auch die Zuliefererindustrie betrifft. Abhängig vom Ergebnis können sich die protektionistischen Effekte weiter verstärken.
Zulieferer, die sich momentan noch nicht auf den E-Antrieb fokussiert haben, haben laut Berylls derzeit Vorteile. Insgesamt bleibe die Situation für die Branche weiter schwierig.
Was sind Automobilzulieferer?
Betriebe, die Teile für die Automobilindustrie herstellen, werden Automobilzulieferer genannt. Die hergestellten Güter können Einzelteile wie LEDs für die Scheinwerfer und Reifen oder gleich ganze Baugruppen wie Türmodule und Getriebe sein. Zwischen Automobilzulieferer und Autohersteller besteht eine große Abhängigkeit. Die umsatzstärksten Automobilzulieferer sind Bosch, Continental und Denso.
Top 10: Das sind die umsatzstärksten Automobilzulieferer
- Bosch (56,2 Milliarden Euro)
- Denso (45,7 Milliarden Euro)
- ZF Friedrichshafen (42,9 Milliarden Euro)
- Hyundai Mobis (41,9 Milliarden Euro)
- Continental (41,4 Milliarden Euro)
- Magna (39,6 Milliarden Euro)
- CATL (37,2 Milliarden Euro)
- Aisin (31,5 Milliarden Euro)
- Michelin (28,3 Milliarden Euro)
- Forvia (27,2 Milliarden Euro)