Evonik, Europas größter Spezialchemiekonzern, plant nach eigenen Angaben den tiefgreifendsten Umbau seiner Unternehmensgeschichte. Im Rahmen einer umfassenden Restrukturierung könnten weltweit bis zu 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren, entweder durch Stellenabbau oder durch den Verkauf von Geschäftsbereichen. Der Essener Konzern mit derzeit 32.000 Beschäftigten wird seine Struktur grundlegend verändern, Hierarchien abbauen und Geschäftsbereiche neu ordnen, um Kosten zu senken und agiler zu werden.
Reduzierung der Managementebenen und Verschlankung des Vorstands
Ein zentraler Aspekt des Umbaus betrifft die Unternehmensstruktur: Die Hierarchieebenen werden von durchschnittlich zehn auf maximal sechs reduziert, rund 1.000 Führungskräfte sollen künftig auf Führungsverantwortung verzichten und als Spezialisten arbeiten. Insgesamt will Evonik bis Ende 2026 weltweit 2.000 Stellen abbauen, davon 500 Führungspositionen.
Auch der Vorstand wird gestrafft. Der bisherige erweiterte Vorstand wird aufgelöst, die Führung übernimmt künftig ein fünfköpfiges Kernteam. Besonders bemerkenswert: Mit der Berufung der langjährigen Managerinnen Lauren Kjeldsen und Claudine Mollenkopf in den Vorstand wird Evonik künftig mehrheitlich von Frauen geführt.
Drei statt fünf Geschäftsbereiche
Die neue Struktur umfasst künftig nur noch drei statt bisher fünf Geschäftsbereiche:
- „Custom Solutions“ wird maßgeschneiderte Spezialchemieprodukte wie Lipide für Impfstoffe und Lackzusätze anbieten.
- „Advanced Technologies“ vereint Produkte wie Aminosäuren für Tiernahrung oder Mittel zur Härtung von Rotorblättern für Windräder. Beide Bereiche erzielen jeweils etwa sechs Milliarden Euro Umsatz.
- „Infrastructure“, die kleinste Sparte, umfasst die Chemieparks in Marl und Wesseling sowie das C4-Chemiegeschäft, für das bereits ein Käufer gesucht wird.
Mögliche Spartenverkäufe und Konzentration auf Effizienz
Die Restrukturierung wird voraussichtlich dazu führen, dass bis zu 5.000 Mitarbeitende durch Spartenverkäufe einen neuen Arbeitgeber finden. Betroffen sind unter anderem das Polyestergeschäft mit 300 Mitarbeitenden und Bereiche der Sparte Infrastruktur. Als Optionen stehen Verkäufe oder Partnerschaften im Raum.
Um Bürokratie abzubauen und effizienter zu werden, wird die Zahl der Hierarchiestufen drastisch reduziert. Davon verspricht sich der Konzern nicht nur erhebliche Kosteneinsparungen, sondern auch schnellere Entscheidungen. Ein ähnliches Konzept verfolgt derzeit Bayer unter seinem neuen Chef Bill Anderson.
Strategische Neuausrichtung und Fokussierung auf Asien
Neben den internen Veränderungen sieht sich Evonik auch mit Herausforderungen auf den Weltmärkten konfrontiert. Nach der Wiederwahl von Donald Trump und dessen protektionistischer Handelspolitik rechnet Kullmann mit einer Zunahme von Handelshemmnissen wie Zöllen. Um dem entgegenzuwirken, plant Evonik, Produktionskapazitäten näher an den Märkten der Kundinnen und Kunden zu platzieren, insbesondere in Asien. Der Umsatzanteil des asiatischen Marktes soll von derzeit 20 Prozent auf ein Drittel steigen.
Signal für Wandel und Vielfalt
Mit der Transformation setzt Evonik nicht nur ein Zeichen für wirtschaftliche Anpassungsfähigkeit, sondern auch für Vielfalt im Management. Der Umbau zeigt, dass sich der Konzern neu aufstellen will, um trotz globaler Unsicherheiten wettbewerbsfähig zu bleiben. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeuten die Veränderungen jedoch gravierende Einschnitte, deren langfristige Auswirkungen noch abzuwarten sind.
Mit Material von Evonik