Transatlantische Beziehungen

Handel: Wie wichtig sind die USA wirklich für die EU?

Energie, Autos, Pharma: Der Handel zwischen EU und den USA treibt Schlüsselbranchen an – und sorgt für gewaltige Ungleichgewichte. Welche Industriezweige profitieren, wo Handelsdefizite wachsen und wie hoch die Zölle tatsächlich sind.

Ob Erdöl, Autos oder Streamingdienste: Der Handel zwischen der EU und den USA ist vielfältig. Welche Branchen profitieren von der Partnerschaft - und wo ist der Handel besonders ungleich?
Ob Erdöl, Autos oder Streamingdienste: Der Handel zwischen der EU und den USA ist vielfältig. Welche Branchen profitieren von der Partnerschaft - und wo ist der Handel besonders ungleich?

Welche Rolle spielen die USA im EU-Außenhandel?

Mit einem Handelsvolumen von 865 Milliarden Euro im Jahr 2024 sind die Vereinigten Staaten nicht nur der wichtigste Handelspartner der EU, sondern setzen Maßstäbe im globalen Außenhandel. Etwa 17 Prozent des gesamten EU-Handels entfallen auf die USA – mehr als auf jeden anderen Markt weltweit. China, lange Zeit auf der Überholspur, rangiert mit 15 Prozent deutlich dahinter.

Dieser transatlantische Wirtschaftskanal ist nicht nur ein Zeichen geopolitischer Stabilität, sondern wirtschaftlich überlebenswichtig für viele Branchen. Besonders auffällig: Die Handelsbeziehung ist geprägt von einer klaren Gewichtung – die EU exportiert deutlich mehr Waren in die USA als umgekehrt.

Welche Branchen profitieren besonders vom Transatlantik-Handel?

Flüssigerdgas-Tanker Prism Courage von Hyundai Heavy Industries auf hoher See
Der Flüssigerdgas-Tanker Prism Courage: Die Hälfte der 20.000 Kilometer ihrer jüngsten Reise von Mexiko nach Südkorea fuhr sie autonom gesteuert vom Computer.

Die Nachfrage nach europäischen Produkten ist in den USA hoch – und umgekehrt. Besonders hervor sticht der Austausch in folgenden Industrien:

1. Energiewirtschaft

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich das Handelsprofil massiv verändert. Die USA avancierten über Nacht zum Hauptlieferanten fossiler Energieträger für Europa. 2024 belegten Erdölerzeugnisse den ersten Platz bei den EU-Importen aus den Vereinigten Staaten.

2. Pharma- und Medizintechnik

Ein massiver Wachstumstreiber: Die chemisch-pharmazeutische Industrie. 2024 gehörten pharmazeutische Produkte sowohl bei den Importen als auch Exporten zu den Top-Positionen. Für Deutschland machten sie sogar ein Viertel des gesamten Exportwertes in die USA aus.

3. Automobilindustrie

Trotz hoher US-Zölle bleibt der Automobilsektor einer der zentralen Motoren des Handels. Autos und Fahrzeugteile zählen zu den gefragtesten EU-Exportgütern in die USA – insbesondere aus Deutschland und Italien.

4. Maschinenbau und Elektrotechnik

Industriegüter „Made in Europe“ sind in Nordamerika gefragt. Maschinen und elektrische Ausrüstungen belegen konstant vordere Plätze im Export-Ranking – ein echter Wachstumsmarkt, gerade für mittelständische Anlagenbauer.

Wo liegt das Handelsungleichgewicht und was bedeutet es?

Ein Blick auf die Handelsbilanz offenbart: Der Exportüberschuss der EU gegenüber den USA wächst. Allein Deutschland exportierte 2024 Waren im Wert von 161,4 Milliarden Euro in die USA, importierte aber nur für 91,5 Milliarden Euro. Das Handelsplus: knapp 70 Milliarden Euro.

Auf gesamteuropäischer Ebene zeigt sich ein ähnliches Bild – jedoch mit spannenden Ausnahmen. Beim Dienstleistungshandel ergibt sich ein umgekehrtes Szenario:

  • USA → EU: 482,5 Milliarden Euro

  • EU → USA: 334,5 Milliarden Euro

Digitale Dienste von US-Giganten wie Netflix, Microsoft oder Uber dominieren den europäischen Markt – das Defizit beträgt hier 148 Milliarden Euro. Ein Spannungsfeld, das auch politische Brisanz birgt, gerade im Hinblick auf Regulierung und digitale Souveränität.

Wie hoch sind die Zölle – und was bedeuten sie für die Industrie?

Trotz moderater Durchschnittszölle bleibt das transatlantische Handelsklima angespannt. Während vor dem Handelsstreit 2 Prozent der Standard waren, liegt der US-Zollsatz auf EU-Waren mittlerweile bei etwa 11 Prozent – vor allem durch gezielte Branchenzölle:

  • 25 Prozent auf Autos und Fahrzeugteile

  • 50 Prozent auf Stahl und Aluminium

  • 10 Prozent allgemeiner Basiszollsatz

Gerade für die deutsche Automobil- und Stahlindustrie ein Risikofaktor, der Investitionsentscheidungen zunehmend beeinflusst. Dazu kommt das erratische Verhalten von US-Präsident Trump, was Zölle betrifft.

Deutschlands Exportmaschine in die USA

Die Bundesrepublik ist 2024 wieder Exportweltmeister im Verhältnis zu den USA. Laut Germany Trade & Invest (GTAI) dominieren folgende Produktgruppen:

  • Chemisch-pharmazeutische Erzeugnisse

  • Maschinen und Ausrüstungen

  • Automobile und Teile

  • Elektrotechnik

Auf der Importseite spiegeln sich ähnliche Schwerpunkte wider – jedoch in geringeren Mengen. Die Konsequenz: Deutschland ist für die USA nur das siebtgrößte Abnehmerland, aber der wichtigste Exporteur in Europa.

Was steckt hinter dem digitalen Defizit im Dienstleistungssektor?

Ein überraschender Aspekt: Während Europa bei physischen Gütern dominiert, liegt die digitale Dienstleistungswelt klar in amerikanischer Hand. Die Dominanz von Big-Tech-Unternehmen aus den USA schlägt sich deutlich in den Handelszahlen nieder. Allein Netflix, Microsoft und Amazon Web Services treiben das Dienstleistungsvolumen der USA in der EU massiv nach oben.

Die EU hinkt im Gegenzug bei digitalen Exporten hinterher – was Fragen aufwirft zur Innovationskraft und digitalen Souveränität Europas.

Warum ist der transatlantische Handel trotz Konflikten stabil?

Ob Strafzölle, Datenschutzkonflikte oder geopolitische Spannungen – die ökonomische Verflechtung zwischen EU und USA bleibt robust. Der Grund: Ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis, das tief in den Industrien verwurzelt ist.

Unternehmen auf beiden Seiten profitieren von technologischem Austausch, Kapitalströmen und standardisierten Lieferketten. Besonders die strategische Bedeutung von LNG-Gas, pharmazeutischen Produkten und Rüstungsgütern hat das Band zuletzt verstärkt.

Keine Entspannung in Sicht: Was erwartet den transatlantischen Handel?

  • Regulatorische Konflikte: Vor allem bei Tech und Daten stehen harte Verhandlungen bevor.

  • Zollverhandlungen: Eine Rückkehr zu früheren Freihandelsbedingungen (wie TTIP) ist ungewiss.

  • Industriepolitische Konkurrenz: Der US-amerikanische Inflation Reduction Act bringt europäischen Unternehmen Wettbewerbsdruck – und Subventionsfragen auf den Tisch.

Mit Material der dpa