Cobot und Mensch arbeiten Hand in Hand

Cobot und Mensch arbeiten Hand in Hand. - (Bild: adobe.stock.com/zapp2photo)

Produzenten glauben gerne daran, dass sie so etwas wie das Hoheitsrecht auf Wertschöpfung besitzen und perfektionieren Fabriken, die es so in zwanzig Jahren vielleicht gar nicht mehr geben wird. Tatsächlich wird die Wertschöpfung in Zukunft dezentralisiert sein und im Handel stattfinden sowie im Handwerk und in Privathaushalten. Oder in Makerspaces: Sie ermöglichen jedem den Zugriff auf smarte Betriebsmittel, wie Cobots oder 3D-Drucker. Das ist zwar häufig noch in den technischen Anfängen, aber die Fortschritte sind gewaltig. Wenn diese Orte der Wertschöpfung einmal vernetzt sind, dann wird sich Produktion dorthin verlagern. In absehbarer Zukunft wird sich ein erheblicher Teil der Wertschöpfung in flexiblen Netzwerken abspielen. Mit anderen Worten: Viele Wertströme umfahren die Fabriken.

Die klassische Produktion steht vor einem weiteren grundlegenden Wandel: die derzeit bestehende Trennung zwischen dem Produzenten und seinem Kunden löst sich auf. Der Produzent von morgen entwickelt und fertigt keine Güter mehr, sondern befähigt andere, dies zu tun. Verstanden haben dies die Wenigsten.

Was wie Zukunftsmusik klingt, hat schon begonnen – und mittendrin die Cobots, an denen ich das Folgende festmachen möchte.

Der Roboter wurde klein und smart und konnte deshalb aus der Käfighaltung befreit werden. Er steht nun in der Nähe des Mitarbeiters und reicht ihm höchst kollaborativ das Werkstück an. Deshalb nennt er sich ja auch Cobot. Damit ist er aber noch lange nicht der Freund des Mitarbeiters. Im Gegenteil: der Mitarbeiter hört die Botschaft des Cobots allzu deutlich: „Eigentlich würde ich gerne deinen gesamten Job übernehmen, bin dafür aber noch zu teuer“. Mit Betonung auf: „Noch!“ Über dem Mitarbeiter hängt weiterhin das Damoklesschwert der Ersetzbarkeit. Und das weiß er nur zu gut.

Der Cobot wird nach Feierabend nicht shoppen gehen

Dies würde sich erst dann ändern, wenn die Unternehmer sich nicht länger weigern, die Früchte des Produktivitätsgewinns mit ihren Mitarbeitern zu teilen.

Mitarbeiter am Produktivitätsgewinn materiell teilhaben lassen? Warum sollten Unternehmer dies tun? Ganz einfach: Weil sie keine andere Wahl haben. Sie brauchen Kaufkraft. Niemandem ist geholfen, wenn die Fabriken menschenleer sind und sich keiner mehr die autonom hergestellten Produkte leisten kann. Und bevor jetzt der Begriff „Wachstumsmarkt“ fällt: Eben dieser wird ja durch die Kürzung der Lohnsumme ausgetrocknet.

Der Cobot wird nach Feierabend nicht shoppen gehen – und nicht nur, weil er keinen Feierabend kennt. Deshalb gilt: Wenn wir Bedarfsgüter hoch automatisiert produzieren, dann muss der Mitarbeiter, der nur noch einen Bruchteil der Zeit arbeitet, trotzdem voll bezahlt werden. Den Produktivitätsgewinn müssen sich Unternehmer und Mitarbeiter in Zukunft fair teilen. Er darf nicht wie bisher nur der Kapitalseite gutgeschrieben werden - in ihrem eigenen Interesse.

Solange sich Unternehmer aber weigern, dies zu tun, werden Gespenster, wie das Ausbezahlen einer Stilllegungsprämie an die Digitalisierungsverlierer, genannt Bedingungsloses Grundeinkommen oder gar Vergesellschaftung von Unternehmen vom muffigen Dachboden herabsteigen, um wahlweise Schrecken zu verbreiten oder falsche Hoffnungen zu schüren, auf jeden Fall aber die Diskussion zu emotionalisieren.

Und das Mantra: „Geht es der Wirtschaft gut, dann geht es auch den Menschen gut“, glaubt heute keiner mehr. Die Loyalität zwischen Unternehmen und Mitarbeiter ist vielerorts aufgekündigt worden - und es waren nicht die Mitarbeiter, die dies getan haben.

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Macht eine Robotersteuer Sinn?

Eine Lohnerhöhung wäre aber fantasielos und die Aufforderung, Aktien zu kaufen, zynisch. Zum einen arbeiten die wenigsten Menschen in börsennotierten Unternehmen, zum anderen hängt deren Aktienkurs von allen möglichen Dingen ab, am wenigsten aber von der Leistung der dort Beschäftigten.

Und was ist mit einer Robotersteuer? Eine hervorragende Idee, wenn man vorhat, die Produktion dorthin zu vertreiben, wo diese am niedrigsten ist. Daran ändert vermutlich auch die aktuell diskutierte Globale Mindeststeuer nichts. Sie ist noch nicht einmal ansatzweise Realität, da wird schon an den ersten Ausnahmeregelungen gebastelt. Nein, so wird das nichts. Und meine Meinung zur Besteuerung von wirtschaftlichem Erfolg kennen Sie ja spätestens seit meiner letzten Kolumne.

Gehen wir also einen beherzten Schritt nach vorn, ändern die Spielregeln und machen aus dem Mit-Arbeiter den Mit-Unternehmer. Plakativ gesprochen: Würde der Cobot dem Mitarbeiter (mit)gehören, dann wäre der vom Cobot erzielte Produktivitätsgewinn nicht mehr eine Gefahr für die materielle Existenz des Mitarbeiters, sondern ein Beitrag für dessen Wohlstand. Mehr noch: Der Mit-Unternehmer hätte ein sehr großes, weil eigenes Interesse, die Produktivität und damit seinen materiellen Wohlstand oder seinen Zeitwohlstand noch weiter zu steigern. Und bei der Auszahlung der Produktivitätsrendite könnte er zwischen zwei Währungen wählen: Zeit oder Geld. Alle würden profitieren.

Vom Mit-Arbeiter zum Mit-Unternehmer? Ja, warum denn nicht? Und warum nicht außerhalb von klassischen Fabriken in flexiblen Wertschöpfungsnetzwerken. Beenden wir also nicht nur die Käfighaltung der Roboter, sondern auch die Käfighaltung des Denkens.

Bye, bye, Fabrik der Lohn- und Gehaltsempfänger.
Hello Netzwerk, der selbständigen Produktionsdienstleister.

Porträt von Andreas Syska
(Bild: Mareike Daennart)

Unseren Kolumnisten Prof. Dr. Andreas Syska hat die Faszination für Technologie und ihre Möglichkeiten für ein besseres Miteinander sein gesamtes Berufsleben begleitet. Nach seinem Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen war er zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Aachener Forschungsinstitut für Rationalisierung tätig. Dort hat er sich mit Fragen des IT-Einsatzes in der Produktion beschäftigt und dabei auch eine Reihe von Industrieprojekten durchgeführt.

Nach seiner Promotion zum Dr.-Ing. ist er in die Industrie gewechselt - und zwar zur Robert Bosch GmbH nach Stuttgart. Dort war er zunächst Assistent in der Werkleitung und wurde Produktionsleiter bei einer Tochtergesellschaft des Konzerns. Danach ist er zurück in seine alte Heimat - das Rheinland - und hat sich dort als Berater für Fabrikorganisation selbständig gemacht.

Kurze Zeit später hat er einen Ruf an die Hochschule Niederrhein nach Mönchengladbach erhalten. Dort vertritt er seitdem das Lehr- und Forschungsgebiet Produktionsmanagement und versucht seinen Studenten sowie seinen Kooperationspartnern in der Industrie ein größtmögliches Stück dieser Faszination weiterzugeben.

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