Messebesucher laufen durch ein weißes, lichtdurchflutetes Messegebäude.

Inwieweit kann eine virtuelle Messe eine Physische ersetzen? - (Bild: engel.ac - stock.adobe.com)

Wir nutzen sie zum Vernetzen, für den persönlichen Austausch und natürlich, um neue Produkte und Innovationen vorzustellen. Messen und Konferenzen sind aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken. Und dennoch ist es zu Corona-Zeiten fast unmöglich eine physische Veranstaltung zu besuchen. Darunter leiden nicht nur die Besucherinnen und Besucher.

In einer Studie des Instituts für Produktionsmanagement (IPM), haben Experten nun die Folgen der Pandemie für Messen und Konferenzen untersucht. Dafür haben sie 1.500 Teilnehmer knapp ein Jahr lang mehrmals befragt.

Daniel Wäldchen, Vorstandmitglied des IPM erklärte auf einer Pressekonferenz, dass Veranstalter und Unternehmen auf die neuen Begebenheiten reagiert und die Veranstaltungen ins virtuelle verlagert hätten. Drei Viertel der Events mit mehr als 1.000 Teilnehmern, wurden im Februar 2021 bereits digital durchgeführt, erklärt Wäldchen. Das zeigt auch eine andere Zahl aus der Studie: Nur noch ein Viertel der Großveranstaltungen wurden im gleichen Monat gecancelt.

Unterschiedliche Reaktionen auf die Unbeständigkeit

Unternehmen reagieren auf die Unbeständigkeit im Event-Bereich unterschiedlich. Einige haben einen festen Ablaufplan implementiert, nach dem entschieden wird, ob und wie sie an Veranstaltungen teilnehmen. Andere entscheiden individuell je nach Event. „Zu Beginn der Krise hatten über die Hälfte der Unternehmen allgemeine Richtlinien, wie mit Veranstaltungen umzugehen ist. Im Februar 2021 hingegen treffen immer mehr Firmen differenziertere Entscheidungen im Hinblick auf die Teilnahme an Veranstaltungen und entscheiden im Einzelfall wie sie vorgehen“, erklärt Wäldchen auf der Pressekonferenz.

Unternehmen, die feste Richtlinien implementiert haben, sagten zu Beginn der Pandemie viele Veranstaltungen ab. Im Laufe des vergangenen Jahres wendete sich das Blatt. So wurden kleine Veranstaltungen mit weniger als 1.000 Teilnehmern im April 2020 von über 65 Prozent der Unternehmen abgesagt. Nur rund 30 Prozent haben sich zu diesem Zeitpunkt dazu entschieden virtuell an dem Event teilzunehmen.

Große Events werden online konsumiert

Im Februar 2021 verschob sich die Kurve: Nur etwas mehr als 40 Prozent plädieren weiterhin für eine Absage, wohingegen Knapp 55 Prozent eine virtuelle Teilnahme bevorzugten.

Große Events mit über 1.000 Teilnehmer wurden im April 2020 noch von knapp der Hälfte der Befragten abgesagt. Im Februar 2021 stornierten nur noch ein Viertel der Unternehmen die Großveranstaltungen. Die anderen drei Viertel nahmen an den Online-Veranstaltungen teil.

Wer keine allgemeinen Richtlinien implementiert habe, entscheide aufgrund von Größe, Internationalität des Publikums, Dauer und ergriffenen Schutzmaßnamen, ob er an einem Event teilnehme oder nicht. Für einen Messe- oder Kongressveranstalter, sei es nur von Vorteil, wenn ein Unternehmen individuell nach Event entscheide. Der Grund: „Der Veranstalter kann die Kriterien zu seinen Gunsten beeinflussen, indem er beispielsweise die Teilnehmerzahl klein hält oder das Publikum auf bundesweite Ebene begrenzt“, erklärt Wäldchen.

Virtuelle Veranstaltung bringt weniger Nutzen

Für Veranstalter – aber auch Unternehmen – stellte sich die Frage, ob eine virtuelle Veranstaltung denselben Nutzen bringen kann wie eine physische. Die Ergebnisse der Studie hierzu sind ernüchternd. Laut Wäldchen könne eine virtuelle Messe nur 36 Prozent des Nutzens einer physischen Messe abbilden. Eine digitale Konferenz könne immerhin zu 55 Prozent denselben Nutzen stiften.

Vorteile für eine virtuelle Veranstaltung seien zum einen die Zeit- und Kostenersparnis sowie das Wegfallen von An-, Abreise und Übernachtungen. Dennoch fehlt den Teilnehmern auf einer digitalen Messe der persönliche Austausch und das face-to-face Networking.

Niedrige Zahlungsbereitschaft für digitale Events

Neben dem fehlenden Networking gibt es noch ein weiteres Problem: Die Zahlungsbereitschaft der Kunden für Online-Events ist nicht besonders hoch: 1.400 Euro sind die Befragten der Studie bereit für einen virtuellen Ausstellungsstand zu zahlen, der sonst 7.500 Euro kosten würde. Für ein virtuelles Teilnahmeticket wollen sie nur 385 Euro statt 1.500 Euro zahlen.

Wäldchen erläutert: „Die Zahlungsbereitschaft für virtuelle Veranstaltungen ist im Verhältnis zum Nutzen gering. Während virtuelle Konferenzen circa 55 Prozent des Nutzens einer physischen Konferenz aufweisen, liegt die Zahlungsbereitschaft für ein virtuelles Ticket nur bei 26 Prozent.“ Das gleich gelte auch für Messen: Eine virtuelle Messe könne 36 Prozent des Nutzens einer physischen Messe abbilden und dennoch liege die Zahlungsbereitschaft nur bei etwa 19 Prozent.

Normalisierung der Veranstaltungsbranche ab 2022

Während viele Firmen von einer wirtschaftlichen Erholung sprechen, normalisiert sich die Lage im Event-Bereich nur schleppend. Im April 2020 rechneten drei Viertel der Befragten damit, dass sich die Lage für Kongresse im ersten Halbjahr 2021 wieder normalisieren würde. Im Hinblick auf Messeveranstaltungen waren nur 66 Prozent der Studienteilnehmer so optimistisch. Als man die Teilnehmer im Februar 2021 erneut befragte, gingen sie bereits davon aus, dass Veranstaltungen erst ab 2022 wieder zurück zur Normalität finden könnten.

Zudem bleibt abzuwarten, ob sich Messen und Kongresse durch die Pandemie in Zukunft nachhaltig verändern werden. Knapp die Hälfte der Befragten nimmt an, dass Messeveranstaltungen künftig anders ablaufen könnten. Einen Rückgang der physischen Präsenz erwarten nur 18 Prozent der Befragten. 66 Prozent gehen davon aus, dass sich Konferenzen in Zukunft nachhaltig verändern könnten. Dabei sind 38 Prozent überzeugt, dass virtuelle Formate ihren festen Bestandteil in diesen finden werden.

Virtuelle Events: ungenügende Qualität

Hybride Modelle könnten auch nach der Pandemie eine große Rolle spielen, so Wäldchen. Auch werde es in Zukunft immer Leute geben, die virtuelle Events präferieren würden. Digitale Veranstaltungen seien für Unternehmen objektiv betrachtet zwar am günstigsten und einfachsten umzusetzen, jedoch sei die Qualität dieser Events aktuell oft ungenügend. „Momentan gibt es einfach zu wenig geschultes Personal dafür“, argumentiert Wäldchen. Immerhin sei das digitale Networking schon über diverse gute Tools möglich. Trotzdem bestehe auch hier Luft nach oben: „Wir haben ein Tool, das gut ist aber nicht vergleichbar mit einem Master wie Tinder“, erklärt er.

Wann in der Veranstaltungsbranche wieder Normalität eintreten wird und wie lange es dauern wird, bis sich die Branche von der Pandemie erholt hat, bleibt offen. Für Wäldchen steht jedoch fest: „Je größer das Event und je internationaler die Zielgruppe, desto länger braucht das ‚back to normal.‘“

Messen während der Corona-Pandemie

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(Bild: ake1150 - stock.adobe.com)

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(Bild: ake1150 - stock.adobe.com)

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