Mehr als 17.000 Infizierte weltweit und über 360 bekannte Todesopfer bisher: Der Coronavirus breitet sich weiter aus und hat inzwischen auch Auswirkungen auf die Autoindustrie. Einige Autohersteller haben nun erste Konsequenzen gezogen.
So ruhen bei BMW und Volkswagen momentan die Produktionen in China. Beide Automobilhersteller haben die einwöchigen chinesischen Neujahrsferien um eine weitere Woche bis 9. Februar verlängert. BMW hat dabei seine drei Werke in der Millionenstadt Shenyang geschlossen. Dort arbeiten rund 18.000 Mitarbeiter, die jährlich eine halbe Million Autos und Motoren fertigen. Damit ist der Standort der weltweit größte von BMW.
Die deutschen Autobauer machen laut Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, rund ein Drittel ihrer Gewinne in China. Sieben Prozent der deutschen Ausfuhren gehen zudem nach China – hauptsächlich Autos, Autoteile und Maschinen.
Wie Audi auf den Coronavirus reagiert
Auch Audi hat Konsequenzen aus dem Coronavirus gezogen. Eine Sprecherin des Unternehmens sagt gegenüber Produktion, dass die Audi-Mitarbeiter in Beijing bis 17. Februar vorsorglich im Home-Office arbeiten. Nationale und internationale Dienstreisen seien für die Mitarbeiter aus China vorerst ausgesetzt, so die Sprecherin weiter. In der besonders betroffenen Region Hubei, in der momentan 45 Millionen Menschen abgeschottet sind, hat der Automobilhersteller keinen Standort.
Audi beobachte weiterhin die Entwicklung und empfehle seinen Mitarbeitern, Dienstreisen nach China nur anzutreten, wenn diese zwingend nötig sind, erklärt die Audi-Sprecherin. Der Konzern orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Auswärtigen Amtes. Zudem wird Mitarbeitern, die aus China zurückkommen, geraten, vorerst zwei Wochen von zu Hause aus zu arbeiten.
Bei FAW-Volkswagen, dem Gemeinschaftsunternehmen von Volkswagen und Audi mit der First Automotive Works, startet die Produktion der Sprecherin zufolge frühestens ab dem 9. Februar. Es zeichnen sich vorerst jedoch keine Lieferengpässe bei FAW-VW ab. „Geplante Lieferungen an Kunden bleiben unverändert“, teilt Audi mit. Auch Volkswagen geht nicht von Verzögerungen aus.
Autoexperte Dudenhöffer erwartet Milliardenverluste
Sollte China jedoch weitere Regionen unter Quarantäne setzen, rechnet Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen, mit Umsatzverlusten in Milliardenhöhe. Er erklärt, dass im vergangenen Jahr von weltweit 15,9 Millionen produzierten Autos der deutschen Hersteller knapp fünf Millionen in China produziert wurden. Knapp 300.000 Fahrzeuge wurden außerdem von Deutschland nach China exportiert. Zusammen mit den SUV liegen die für China und in China gefertigten Neuwagen bei 33 Prozent der gesamten Produktion der deutschen Autohersteller, sagt Dudenhöffer.
Der Direktor des CAR-Center Automotive Research schätzt, dass von den 430 Milliarden Euro Umsatz, den die deutsche Autoindustrie jährlich macht, rund 150 Milliarden Euro auf das China-Geschäft entfallen. Dudenhöffer rechnet mit einem Gewinn von 60 Millionen Euro, den die deutsche Autoindustrie in China pro Arbeitstag macht. Bei einem Tag Stillstand würden 72 Millionen Euro Verlust entstehen. Ein Monat Quarantäne in 20 Prozent des Landes würden Dudenhöffer zufolge dann rund 2,5 Milliarden Euro Umsatzeinbuße für die deutschen Autobauer bedeuten.
Wirtschaftliche Auswirkungen befürchtet auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. „Mit der weiteren Ausbreitung des Coronavirus innerhalb Chinas und darüber hinaus in Asien werden auch die wirtschaftlichen Kosten zunehmen“, sagt er. Er geht davon aus, dass die konjunkturellen Folgen heftiger ausfallen werden, als bei der Infektionskrankheit Sars vor 17 Jahren.
Warum internationale Lieferketten bedroht sind
Auch Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft äußert sich besorgt: „Sollten die Produktionsstopps in der chinesischen Industrie länger anhalten, wären auch die internationalen Lieferketten bedroht“, sagt er. Denn: Die Bedeutung Chinas als Lieferant für die übrige Welt sei erheblich. Chinesische Experten rechnen damit, dass die Coronavirus-Epidemie ihren Höhepunkt in zehn bis 14 Tagen erreichen wird.
In Deutschland ist momentan vor allem der Automobilzulieferer Webasto betroffen. Fünf deutsche und zwei chinesische Mitarbeiter des Unternehmens haben sich mit dem Coronavirus infiziert (Stand 4.2.20). In der Zentrale in Stockdorf bei München wurden daraufhin mehr als 130 Mitarbeiter auf die Krankheit getestet. Mehr als 120 Mitarbeiter seien negativ getestet worden, teilt das Unternehmen mit. Einige wenige Testergebnisse stehen noch aus. Die Firmenzentrale bleibt vorsorglich bis 11. Februar geschlossen.
Der Großteil der mehr als 1.000 Mitarbeiter werde weitere neun Tage von zu Hause arbeiten, erklärt Webasto. Bisher sei es zu keinen weiteren Einschränkungen im laufenden Betrieb gekommen. Alle Gebäude auf dem Gelände in Stockdorf wurden zudem in den vergangenen Tagen von Fachpersonal professionell gereinigt und desinfiziert.
(mit Material von dpa)