Neben den LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel, Lubmin und Mukran hat jetzt auch das umstrittene Flüssigerdgas-Terminal auf Rügen den Regelbetrieb aufgenommen. Deutschland plant in Zukunft jährlich 13,5 Milliarden Kubikmeter Gas zu beziehen. Die höchsten LNG-Einspeisemengen werden bisher in Wilhelmshaven verzeichnet, während die Mengen in Brunsbüttel geringer ausfallen. Seit Frühjahr 2024 erfolgt keine LNG-Einspeisung in Lubmin, da das Terminal-Schiff nach Mukran verlegt wurde. Allerdings ist in Mukran bisher kaum Flüssiggas angekommen.
Derzeit erfolgt die Versorgung Deutschlands mit Flüssigerdgas noch über schwimmende LNG-Terminals. In einigen Jahren sollen diese in Wilhelmshaven, Stade und Brunsbüttel durch stationäre Anlagen abgelöst werden.
Was ist eigentlich LNG?
- LNG steht für "liquefied natural gas", was auf Deutsch "verflüssigtes Erdgas" bedeutet. Es handelt sich um Erdgas, das bei niedrigen Temperaturen auf etwa -160 °C gekühlt wird, um es in einen flüssigen Zustand zu bringen. Dadurch wird das Erdgas stark komprimiert und ermöglicht so den einfachen Transport und die Lagerung in speziellen LNG-Tankschiffen oder LNG-Tanklagern.
- LNG ist eine Form von Erdgas, das vor allem aus Methan besteht und als sauberer Brennstoff verwendet werden kann. Es wird in verschiedenen Anwendungen eingesetzt, darunter in der Industrie, im Verkehrssektor (als Kraftstoff für Schiffe und Lkw), und auch zur Stromerzeugung.
- Da es weniger Emissionen von Treibhausgasen und Luftschadstoffen produziert, wird LNG im Vergleich zu anderen fossilen Brennstoffen wie Kohle oder Diesel oft als umweltfreundlicher betrachtet als herkömmliches Erdgas. Es wird zudem als Übergangslösung betrachtet, um den Übergang von kohlenstoffintensiveren Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien zu unterstützen.
Wie viele LNG-Terminals gibt derzeit es in Deutschland?
- Wilhelmshaven I: Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven, auch bekannt als Deutschlands erstes schwimmendes LNG-Terminal, wurde im Dezember 2022 in Betrieb genommen. Es befindet sich an der Nordseeküste in Niedersachsen und spielt eine zentrale Rolle bei der Diversifizierung der deutschen Gasversorgung. Eine vollständig an Land installierte Anlage soll später folgen. Die jährliche Kapazität des Terminals liegt bei etwa 5 Milliarden Kubikmetern Gas, was ungefähr 6 Prozent des deutschen Erdgasbedarfs abdeckt.
- Brünsbuttel: Das LNG-Terminal in Brunsbüttel, Schleswig-Holstein, ist ein weiteres strategisch wichtiges Projekt für die deutsche Energieversorgung. Es wurde im Januar 2023 in Betrieb genommen und ist das zweite von Deutschland genutzte LNG-Terminal, um die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu reduzieren. Das Terminal hat eine anfängliche Jahreskapazität von etwa 5 Milliarden Kubikmetern Erdgas, mit der Option, diese Kapazität in Zukunft weiter auszubauen.
- Lubmin: Wie die Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel nutzt Lubmin ebenfalls eine schwimmende Speicher- und Regasifizierungsanlage (Floating Storage and Regasification Unit, FSRU). Diese schwimmende Anlage ermöglicht es, verflüssigtes Erdgas (LNG) aufzunehmen, zu lagern, zu regasifizieren und dann in das deutsche Gasnetz einzuspeisen. Die Kapazität des Lubminer LNG-Terminals beträgt etwa 4,5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Es hat eine geringere Kapazität im Vergleich zu den Terminals in Wilhelmshaven oder den geplanten Kapazitäten anderer Standorte, deckt jedoch einen wichtigen Teil des regionalen Gasbedarfs. Das Terminal in Lubmin wurde im Januar 2023 in Betrieb genommen und ist somit eines der ersten schwimmenden LNG-Terminals, die in Deutschland in Betrieb gingen. Vor allem Ostdeutschland soll mithilfe der Anlage mit Flüssiggas versorgt werden.
Welche LNG-Terminals sind noch in Planung?
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Wilhelmshaven II: Das LNG-Terminal Wilhelmshaven II ist ein geplantes Projekt an der deutschen Nordseeküste und soll in der zweiten Jahreshälfte 2024 in Betrieb genommen werden. Dieses Terminal, genannt „Excelerate Excelsior“, ist als Inselanleger konzipiert und befindet sich etwa 1,5 Kilometer vor der Küste, 2 Kilometer südlich des bereits in Betrieb befindlichen Terminals Wilhelmshaven I.
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Stade: Im Gegensatz zu den bereits bestehenden schwimmenden LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel ist für Stade ein festes LNG-Terminal geplant. Es soll in der Lage sein, LNG von Schiffen zu empfangen, zu lagern, zu regasifizieren und ins deutsche Gasnetz einzuspeisen. Die geplante Kapazität des Terminals beträgt voraussichtlich etwa 12 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr, was es zu einem der größeren LNG-Terminals in Deutschland machen würde. Das Terminal soll bis etwa 2027 in Betrieb genommen werden. Die Planungen und Genehmigungen laufen derzeit, und der Bau wird voraussichtlich in den kommenden Jahren beginnen.
- Mukran I+II: Im Februar 2023 wurde bekannt, dass am Standort Rügen ein schwimmendes Terminal mit zwei Plattformen geplant ist. Das Terminal soll in der Nähe von Mukran, dem Hafen von Sassnitz auf der Insel Rügen, errichtet werden. Mukran bietet einen gut ausgebauten Hafen und ist ein strategisch günstiger Standort an der Ostsee, nahe den bestehenden Energieinfrastrukturen, einschließlich der Nord-Stream-Gaspipelines. Geplant ist der Einsatz eines schwimmenden LNG-Terminals, ähnlich den Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin. Das Projekt hat bei Umwelt- und Naturschutzorganisationen sowie in der lokalen Bevölkerung Kritik hervorgerufen. Es gibt Bedenken hinsichtlich der ökologischen Auswirkungen auf die sensiblen Küsten- und Meeresgebiete um Rügen. Insbesondere wird die Frage gestellt, ob die Errichtung eines weiteren LNG-Terminals langfristig mit den Klimazielen Deutschlands vereinbar ist. In Zukunft könnte das Terminal auch für den Import von grünem Wasserstoff oder anderen klimafreundlichen Energieträgern genutzt werden, was dem Projekt eine zusätzliche langfristige Bedeutung verleihen würde.
Woher sollen die ersten LNG-Lieferungen kommen?
Bisher erhalten Deutschland und andere europäische Länder das über die Niederlande, Belgien oder Frankreich aufgenommene LNG vor allem aus den USA. Zu den größten Exporteuren zählt auch Katar, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bemühte sich auf einer Reise im Frühjahr um Lieferbeziehungen. Katar will dem Vernehmen nach langfristige Verträge und verkauft bereits viel Gas nach Asien. Weitere wichtige LNG-Ausfuhrländer sind Australien, Malaysia oder Nigeria.
Gegen Ende November 2022 konnte Deutschland ein Abkommen mit dem Energieunternehmen Qatar Energy abschließen, welches ab 2026 Flüssiggas nach Deutschland liefern will. Das verflüssigte Erdgas aus Katar soll am LNG-Terminal in Brunsbüttel ankommen. Im Rahmen des Abkommen möchte Katar Deutschland mit jährlich 2,7 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas beliefern. Der Vertrag hat 15 Jahre Laufzeit.
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Was ist mit der Anbindung der Pipelines?
Das erste deutsche LNG-Terminal in Wilhelmshaven I ist direkt an das nationale Gasnetz angebunden. Es nutzt eine bestehende Pipeline-Infrastruktur, die erweitert wurde, um die erhöhte Gasmenge aus dem LNG-Terminal zu bewältigen. Wilhelmshaven hat durch seine Lage direkten Zugang zu Pipelines, die das Gas nach Süden und Westen in Deutschland und Europa transportieren können.
Auch das LNG-Terminal in Brunsbüttel ist mit dem deutschen Gasnetz verbunden. Es speist das regasifizierte LNG in das nördliche Gasnetz ein, von wo es in andere Regionen Deutschlands und Europas transportiert werden kann.
Das LNG Terminal Lubmin ist durch seine Lage am Ende der Nord-Stream-Pipelines bereits gut in das deutsche Gasnetz integriert. Das dort regasifizierte LNG kann über die bestehenden Pipelines transportiert werden.
Das Mukran LNG-Terminal auf der Insel Rügen wird über die Ostsee-Anbindungsleitung (OAL) an das deutsche Gasnetz angeschlossen. Diese 50 km lange Pipeline, die von Gascade und Fluxys Deutschland betrieben wird, verbindet das Terminal in Mukran mit dem Gasnetz in Lubmin. Die Pipeline wurde Anfang 2024 fertiggestellt und speist seit Februar 2024 Erdgas in das deutsche Netz ein.
Das LNG-Terminal in Stade wird über eine circa drei Kilometer lange Pipeline mit dem deutschen Gasnetz verbunden. Diese Leitung, genannt ETL 179.100, wurde von Gasunie Deutschland entwickelt und erhielt im Jahr 2023 die Genehmigung für den Bau.
Wie setzt sich der Preis für LNG zusammen?
Der Preis für Flüssigerdgas (LNG) entsteht durch eine Vielzahl von Faktoren, die sich auf Angebot und Nachfrage auf dem globalen Energiemarkt auswirken. Im Gegensatz zu Pipeline-Gas, das oft durch langfristige Verträge mit festen Preisen gehandelt wird, wird LNG häufig flexibler und dynamischer auf internationalen Märkten gehandelt.
Der LNG-Preis entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel von globalen Rohstoffpreisen, Produktions- und Transportkosten, saisonalen Nachfrageschwankungen sowie geopolitischen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Während langfristige Verträge stabilere Preise bieten, führen Spotmärkte und kurzfristige Verträge oft zu größeren Preisschwankungen. Dies macht den LNG-Markt dynamisch und stark von globalen Ereignissen abhängig.
Warum stehen die LNG-Terminals in der Kritik?
Beim Verbrennen von Erdgas wird viel CO₂ frei - Klimaschützer gehen mit dem Ausbau der LNG-Kapazitäten deshalb hart ins Gericht. Die hauptsächlich aus Methan bestehenden Gemische werden für den Transport lediglich zusammengepresst und ultratiefgekühlt. LNG nahezu vollständig aus Methan, welches auf dem Produktions- und Lieferweg entweichen könnte. Methan ist etwa 25-mal so klimaschädlich wie Kohlenstoffdioxid und trägt in erheblichem Maße zum Treibhauseffekt bei. Von politischer Seite heißt es zwar, dass die LNG-Infrastruktur zukünftig auch für die Nutzung von "grünem Wasserstoff" zur Verfügung stehen wird. Diese Aussage wird von Kritikern jedoch infrage gestellt.
Weiterhin kritisieren Umweltverbände die aus ihrer Perspektive unangemessen lange Laufzeitgenehmigung bis 2043, durch welche eine fossile Energieversorgung quasi "zementiert" wird. Hinzu kommt, dass vor allem die USA Erdgas mit dem umstrittenen Fracking-Verfahren fördern: Das Gas wird unter Hochdruck aus Gesteinsporen gepresst, im Fall älterer Technik kommt ein Chemikalien-Cocktail zum Einsatz.
Umweltschützer und Anwohner sorgen sich zudem um die Lebensräume von Meerestieren und -pflanzen sowie Nachteile für den Tourismus vor Ort. Viele glauben, dass die Gründlichkeit ökologischer Prüfungen unter dem beschleunigten Durchpeitschen der Projekte leiden könnte.
Wegen des LNG-Beschleunigungsgesetzes gab es zum Beispiel vor Rügen auch keine Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Eilanträge der Gemeinde Binz sowie von drei weiteren Klägern wurden seitens des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig Anfang Juni jedoch abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Gebiete der Kläger zu weit vom LNG-Terminal im Hafen von Mukran entfernt liegen, um Sicherheitsrisiken geltend zu machen. Die eigentlich durch EU-Gesetz vorgegebene Umweltverträglichkeitsprüfung könne zudem in Ausnahmefällen verzichtet werden, da es sonst zu Verzögerungen im Bau der Pipeline gekommen wäre. Das Leipziger Gericht verwies des Weiteren auf die in Deutschland vorherrschende Gasnotlage, die durch den Ukraine-Krieg und die Zerstörung der Nordstreampipelines hervorgerufen wurde. Kritiker sehen keine Gasnotlage gegeben. Die Genehmigungsverfahren für das eigentliche Terminal stehen noch aus. Umweltschützer und die Stadt Binz wollen sich mit dem Urteil jedoch nicht zufriedengeben und planen weitere rechtliche Schritte.
Zudem kritisiert wird die Dimension der neuen Infrastruktur, die von vielen Kritikern und Studien als "überdimensioniert" wahrgenommen wird und laut Fachleuten damit auch eine Gefahr für die Erreichung der Klimaziele darstellt. Das Forschungsinstitut DIW bewertete die Pläne für den Ausbau der LNG-Infrastruktur im Februar 2024 ebenso als überzogen. Auch nach knapp einem Jahr Betrieb waren die ersten drei LNG-Terminals nur zur Hälfte ausgelastet. Entsprechend bezeichnet die Deutsche Umwelthilfe die Anlagen als "teure und unnötige Investitionsruine".
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Kann LNG die russischen Gaslieferungen ersetzen?
Über drei Pipelines kamen im Jahr 2020 rund 56 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland nach Deutschland. Sollten alle sechs deutschen LNG-Terminals in Betrieb sein, erreichen sie immerhin die Hälfte und können knapp ein Drittel des deutschen Jahresverbrauchs von zuletzt rund 90 Milliarden Kubikmetern decken. Derzeit ist der Anteil von LNG am gesamten Erdgasimport nach Deutschland noch von untergeordneter Bedeutung. Der Bau stationärer Terminals könnte eine weitere Steigerung der Kapazität ermöglichen, sofern dies durch das Netz zugelassen wird.
Zukunftsperspektiven: Wasserstoff und synthetische Gase
Mit der zunehmenden Bedeutung von Wasserstoff als sauberer Energieträger wird die bestehende Pipeline-Infrastruktur in Zukunft möglicherweise auch für den Transport von Wasserstoff angepasst. Einige LNG-Terminals planen, ihre Infrastruktur so zu erweitern, dass sie auch Wasserstoff importieren und ins Netz einspeisen können.
Es wird ebenfalls diskutiert, ob LNG-Terminals in Zukunft synthetische Gase oder biogenes Erdgas in das Gasnetz einspeisen können. Dies könnte einen weiteren Schritt in Richtung Dekarbonisierung des Energiesektors bedeuten und damit die Energiewende unterstützen.
Jan Petermann, Sönke Möhl und Christopher Hirsch, dpa
Überarbeitet von Agnes Panjas, ergänzt mit Quellen von dpa