EU-Pläne stellen Verbrenner-Aus infrage

Verbrenner-Aus: EU will doch Ausnahmen zulassen

Was plant die EU-Kommission beim Verbrenner-Aus? Neue Vorschläge könnten Neuzulassungen von Verbrennern ab 2035 doch noch ermöglichen.

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Auch nach 2035 könnten Neuwagen mit Verbrennungstechnologie noch zugelassen werden. Die EU-Kommission will Klimaziele und Vorstellungen der Autobauer unter einen Hut bringen.
Auch nach 2035 könnten Neuwagen mit Verbrennungstechnologie noch zugelassen werden. Die EU-Kommission will Klimaziele und Vorstellungen der Autobauer unter einen Hut bringen.

Brüssels Kehrtwende beim Verbrenner-Aus

Noch bevor die EU-Kommission ihre neuen Pläne zur Zukunft des Verbrennungsmotors vorgestellt hat, entbrannte eine hitzige Debatte. Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber erklärte medienwirksam das Aus des sogenannten Verbrenner-Verbots für beendet. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hingegen monierte, der Vorschlag gehe nicht weit genug. Auf der anderen Seite spricht der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss von einem „Dokument der Orientierungslosigkeit“.

Tatsächlich hat die EU-Kommission bislang keine endgültigen Beschlüsse veröffentlicht. Doch ein zentrales Detail ist durchgesickert: Die Kommission will Ausnahmen vom ursprünglich geplanten Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren zulassen – und das bereits ab 2035. Damit könnte eine entscheidende Änderung der 2022 beschlossenen Klimaregelung in Kraft treten.

Damals hatten sich die EU-Staaten und das Europaparlament darauf geeinigt, dass ab 2035 neu zugelassene Pkw in der EU kein CO₂ mehr ausstoßen dürfen. Dieses Ziel sollte einen bedeutenden Schritt in Richtung Klimaneutralität markieren. Nun rückt Brüssel offenbar von diesem klaren Schnitt ab – zugunsten eines flexibleren Modells, das nicht nur die Hersteller, sondern auch Teile der Politik und Bevölkerung zufriedenstellen soll.

Was bisher bekannt ist

Nach aktuellem Stand sollen CO₂-neutrale Neuwagen weiterhin das Ziel bleiben. Neu ist jedoch, dass bestimmte Ausnahmen möglich gemacht werden könnten. Im Zentrum der Überlegungen steht, wie zusätzliche CO₂-Emissionen durch andere Maßnahmen vollständig ausgeglichen werden können.

Noch ist unklar, ob auch klassische Benzin- und Diesel-Fahrzeuge unter die Ausnahmeregelung fallen werden. Die Kommission plant außerdem, die Rolle alternativer Kraftstoffe wie Biokraftstoffe zu stärken. Auch Dienstwagen sollen in den neuen Vorschlägen berücksichtigt werden – ein Bereich, der angesichts großer Flotten und hoher Laufleistungen erhebliches CO₂-Einsparpotenzial bietet.

Zudem hatte Frankreich angeregt, verbindliche Produktionsanteile innerhalb der EU festzuschreiben – ein Schritt, der die europäische Industrie gegen außereuropäische Konkurrenz stärken könnte. Darüber hinaus wird die Vorstellung einer Batteriestrategie erwartet.

Positive Signale aus Berlin

Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich in einer ersten Reaktion grundsätzlich positiv zur neuen Stoßrichtung der EU-Kommission geäußert. Zwar würden die Klimaziele weiterhin nicht infrage gestellt, betonte Merz, doch der Weg dorthin müsse neu gedacht werden.

„Nach Einschätzung der Bundesregierung werde die Kommission voraussichtlich diesen neuen Kurs einschlagen“, erklärte Merz. Die Unterstützung aus Berlin sei der Brüsseler Behörde sicher. Diese Haltung lässt vermuten, dass die Bundesregierung auf eine möglichst technologieoffene Lösung setzt – ein Kurs, den große Teile der deutschen Automobilindustrie schon länger fordern.

Entscheidungsweg und weitere Schritte

Nach der Vorstellung durch die EU-Kommission sind nun Europaparlament und die Mitgliedstaaten am Zug. Sie müssen die Vorschläge bewerten, können Änderungen vornehmen – und in letzter Konsequenz sogar verschärfen oder abschwächen.

Die Debatte dürfte sich über mehrere Monate ziehen. Eine verbindliche Entscheidung braucht Mehrheiten in beiden Institutionen. Ein fester Zeitplan ist bislang nicht bekannt, doch mit Blick auf die Europawahlen und wirtschaftliche Entwicklungen könnte der Druck auf eine zügige Einigung steigen.

Streit um Deutungshoheit

Kaum hatte Manfred Weber das vermeintliche Ende des Verbrenner-Verbots verkündet, meldete sich CSU-Chef Söder mit scharfer Kritik: Die Rücknahme gehe nicht weit genug. Dennoch wertete er die Ankündigung der Kommission als „ein sehr gutes Signal, wenn auch nur ein erster Schritt“.

Gegenwind kommt aus der grünen Fraktion des Europaparlaments. Fraktionschefin Terry Reintke sieht in den Plänen eine Gefahr für den Standort Europa. „Eine Aufweichung der Ziele ist schlecht für den Wirtschaftsstandort Europa“, betonte Reintke. „Ein Schlingerkurs schaffe Planungsunsicherheit.“

Ähnlich äußern sich Umweltorganisationen, die ein klares Festhalten am ursprünglichen Ziel fordern. Auch Branchenkenner wie Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research in Bochum zeigen sich skeptisch. Er warnt: „Die europäische Autoindustrie verliert im Wettbewerb mit China eher Zeit als sie gewinnt.“

Die Fronten sind klar

FDP-Fraktionschef Christian Dürr fordert eine vollständige Rücknahme des Verbrenner-Verbots. Damit positioniert sich die FDP erneut klar für technologische Offenheit und gegen regulatorische Eingriffe.

Ökonomen sehen dies kritischer. Eine zu starke Lockerung der Vorgaben könne die Investitionen in alternative Antriebe ausbremsen – mit langfristigen Nachteilen für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.

Die öffentliche Meinung zeigt ein anderes Bild: Laut einer Umfrage des ZDF-„Politbarometers“ sprechen sich 63 Prozent der Bundesbürger für eine Lockerung der Vorgaben aus. Eine Mehrheit befürwortet also, dass auch nach 2035 noch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor neu zugelassen werden dürfen.

Industrie, Klima, Markt – ein schwieriger Balanceakt

Die EU-Kommission steht vor einer komplexen Aufgabe: Einerseits müssen ambitionierte Klimaziele erreicht werden, andererseits muss die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie erhalten bleiben. Technologischer Wandel braucht Zeit, Investitionssicherheit und Akzeptanz in der Bevölkerung.

Mit den nun angedachten Änderungen könnte eine neue Balance gefunden werden – vorausgesetzt, die finalen Regelungen bieten klare Leitlinien. Die Diskussion darüber, wie viel Flexibilität bei Klimazielen erlaubt sein darf, dürfte in den kommenden Wochen weiter an Dynamik gewinnen.

Mit Material der dpa

FAQ zum aktuellen Stand des Verbrenner-Aus

Was sieht die neue EU-Strategie zum Verbrenner-Aus vor? - Geplant sind Ausnahmen vom ursprünglich vollständigen Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035.

Welche Fahrzeuge könnten betroffen sein? - Ob klassische Benzin- und Dieselmodelle ebenfalls unter die Ausnahmen fallen, ist derzeit unklar.

Was passiert mit den Klimazielen? - Laut EU-Kommission sollen zusätzliche CO₂-Emissionen vollständig durch andere Maßnahmen kompensiert werden.

Welche Position vertritt Deutschland? - Die Bundesregierung unterstützt die Kursänderung und setzt auf technologische Offenheit.

Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?  Laut ZDF-Politbarometer unterstützen 63 Prozent der Deutschen eine Lockerung der Verbrenner-Vorgaben.