Selten waren Halbleiter – vulgo gerne Chips genannt – so begehrt wie heute. Der Mangel an den in der heutigen Technik so unentbehrlichen Siliziumprodukten führt indirekt dazu, dass Jens Löbel, Alexander Weber und ihre Kollegen noch genauer und penibler arbeiten als sowieso schon. Denn sie sind in der Instandhaltung bei Infineon in Regensburg beschäftigt – um genau zu sein in der Wartung im Reinraum, in dem die Halbleiter hergestellt werden. Und das ist kein Arbeitsplatz wie jeder andere.
Ein Interview mit Jörg Recklies, dem Sprecher der Betriebsleitung von Infineon Regensburg, zum Thema Instandhaltung lesen Sie am Ende des Textes - oder, wenn Sie auf diesen Link klicken.
Alexander Weber ist Instandhaltungsgruppenleiter und mit 23 Kollegen unter anderem in der Lithografie-Abteilung des Klasse-1-Reinraums dafür zuständig, dass die rund 150 Anlagen laufen. Doch bei einem Störfall mal eben schnell von irgendwo im Werk zur betroffenen Maschine hinlaufen, ist nicht so einfach, wie es das in einer "normalen" Fertigung wäre.
Die Chipfertigung ist ein speziell vom Rest der Fabrik abgeschirmter Bereich und kann nur nach umfangreichen Maßnahmen betreten werden. "Das liegt daran, dass der kleinste Verunreinigungspartikel dazu führen kann, dass Wafer unbrauchbar werden", erklärt Webers Kollege Jens Löbel. Er ist Head of Maintenance and Equipment Engineering in Regensburg und hat schon zuvor unter anderem am Infineon-Standort in Dresden Erfahrungen mit Reinräumen gesammelt.
Kein Zutritt für Staub und Schmutz
Alle Mitarbeiter müssen sich vor dem Betreten des Reinraums umkleiden. Zuerst kommen bequeme Trainingshosen und ein T-Shirt – doch dann wird es ernst. In einer vorgeschriebenen Reihenfolge werden eine Haube mit Mundschutz, ein Overall, Stiefel und Handschuhe angezogen. "Alles aus speziellem Material, damit kein Abrieb in den Reinraum gelangt", erklärt Löbel.
Handys müssen in Plastikhüllen verstaut werden und auch handelsübliche Schreibblöcke oder Stifte dürfen nicht mit – auch sie würden Abrieb eintragen. Dann muss das Personal noch durch eine Luftschleuse, die auch die letzten Partikel vom Körper bläst und man betritt den eigentlichen Reinraum. Für Eilige ist das nichts: Selbst die Infineon-Profis, für die diese Prozedur Routine ist, brauchen mindestens fünf Minuten (Ungeübte selbst mit Hilfe rund doppelt so lange).
Da von den Mitarbeitern in den Reinraumanzügen lediglich die Augen zu sehen sind, steht auf Brust und Rücken gut sichtbar der Name. Und die Mitarbeiter der Instandhaltung tragen blaue Anzüge statt der weißen des restlichen Personals und der Besucher. "So weiß man sofort, wer bei Bedarf helfen kann", erklärt Alexander Weber. Er und seine Kollegen arbeiten, genau wie die Fertigung im 24/7-Fünf-Schicht-Betrieb. "So ist immer jemand von uns vor Ort, wenn es Probleme geben sollte", erklärt er. Die Wartungsmannschaft ist auch über ihre Smartphones zu erreichen. Dazu tragen die meisten Kollegen einen Kopfhörer, denn durch die im Reinraum obligatorische Lüftungsanlage ist das gesprochene Wort oft nur schwer zu verstehen.
Spagat zwischen Alt und Neu
Die obersten Ziele der Instandhaltung sind auch bei Infineon: Soviel Maschinenverfügbarkeit und so wenig ungeplanter Stillstand wie möglich. "95,3 Prozent Uptime sind für Lithografie-Anlagen geplant", sagt Weber. Um dieses Ziel zu erreichen, überwachen er und seine Kollegen die Anlagen genau – und das ist gar nicht so einfach, denn der Entwicklungsstand der einzelnen Maschinen ist sehr unterschiedlich. "Wir haben Anlagen, die 25 Jahre alt sind und ganz neue Maschinen", erklärt Weber. Doch reinraum- und anwendungstyptsch sind auch an den betagteren Semestern keine Verschleißspuren zu sehen.
Dass das so bleibt, darum kümmern sich auch Mechatronikerin Nina Matschiner und Techniker Oliver Tamm. Beide haben ihre Ausbildung bei Infineon in Regensburg gemacht und sind jetzt im Team von Alexander Weber. Die beiden jungen Fachkräfte kümmern sich in erster Linie um die Anlagen in der Lithografie-Abteilung der Chip-Herstellung. Dabei ist Matschiner für die Belichtung und Tamm auf die Belacker sowie die Entwickler spezialisiert. "Aber hier ist man in erster Linie Allrounder", sagt Tamm.
Aktuell ist er an einer Belackungsanlage beschäftigt. Dort justiert er die drei Greifarme eines zuvor aus – und nach seiner Wartung wieder eingebauten Roboter-Beladearms mit Hilfe eines Laptops und eines speziellen, mit einer Kamera ausgestatten Wafers in allen Achsrichtungen. "Die Bilder werden kabellos auf den Rechner übertragen", erklärt er. "So kann ich über ein Fadenkreuz genau einstellen, wie die Wafer in die Anlagen gelegt werden müssen." Diese Aufgabe ist zeitaufwendig: Je nachdem, über wie viele Prozessmodule die Anlage verfügt, kann es einen ganzen Tag dauern, die Einstellungen vorzunehmen.
Seine Kollegin Matschiner ist derweilen an einer anderen Maschine beschäftigt, an der sie mithilfe eines Messgeräts die korrekten Einstellungen der Belichtung prüft. Dabei muss sie extrem umsichtig vorgehen. Denn ein Fehler könnte die Produktion an dieser Anlage unterbrechen. Doch hat sie nicht nur die Anzeigen der Messung und des Bedienpanels im Auge zu behalten – sie muss auch darauf achten, keine Schläuche oder Kabel zu verwechseln.
"Durch das Gelblicht in der Lithografie-Abteilung kann man zum Beispiel die Farben blau und grün nicht unterscheiden", erklärt sie. Also haben die Instandhalter meist eine kleine Taschenlampe dabei, um bei Bedarf auf Nummer sicher gehen zu können. "Aber sie müssen genau wissen, wo sie hinleuchten", sagt Gruppenleiter Weber, "Denn sonst können sie Schäden am Produkt verursachen."
Präventiv arbeiten, Ersatzteile vorhalten
Die meisten Instandhaltungs-Arbeiten im Reinraum erfolgen präventiv in bestimmten, von den Maschinenherstellern oder den Vorschriften festgelegten Zeitabständen. Zusätzlich wird die Wartungsmannschaft tätig, wenn Sensoren in den Maschinen Werte liefern, die einen zuvor festgelegten Bereich über- oder unterschreiten. "Dann wissen wir, es stimmt etwas nicht", sagt Weber. Werden dann Ersatzteile gebraucht, wird in den meisten Fällen auf Teile zurückgegriffen, die im Reinraum selbst vorgehalten werden, Bei Bedarf aber können natürlich Teile aus einem Lager außerhalb der Chipfertigung innerhalb von 20 Minuten vor Ort sein. "Werden die Ersatzteile verbaut, wird das ins SAP PM eingetragen", erklärt Weber.
Doch die Instandhaltung hört nicht an den Lithografieanlagen auf: Infineon hat in Regensburg in den vergangenen Jahren massiv in die Automatisierung seiner Fertigung investiert – auch im Reinraumbereich. Dort sind unter der Ägide von Dr. Matthias Handke, Leiter der Automatisierung in der Wafer-Fertigung diverse Roboter und ein Transportsystem am Werk. "Auch hier arbeiten die Kollegen dafür, dass alles läuft", erklärt Handke.
An den auf einem Führungssystem hin und her fahrenden Robotern fallen allerdings meist eher ‚klassische‘ Instandhaltungsaufgaben an. So braucht der eine oder andere Automat ab und zu einen kleinen Schubs oder einen Neustart, weil die Software hakt. Doch auch an den Fertigungsmaschinen sind die Instandhalter zu Gange. "Überwacht wird das alles über Sensoren, deren Meldungen in einer neuen Warte zusammenläuft", erklärt der Automatisierungsleiter. "So können die Kollegen sofort sehen, wenn sich Werte einem kritischen Bereich nähern und einschreiten."
"Unsere Leute müssen das Zusammenspiel der verschiedenen Anlagen verstehen", sagt der Gruppenleiter. "Was passiert, wenn zuvor dies oder das geschieht – wie funktioniert die Waferverarbeitung – wo sind die neuralgischen Stellen." Es dauert entsprechend bis zu anderthalb Jahren, bis ein neuer Kollege Bescheid weiß. Doch angesichts des ständigen Zulaufs neuer Anlagen oder neuer Technologien gibt es bei den Reinraum-Instandhaltern kein Auslernen "Hier lernt man jeden Tag etwas Neues", sagt Weber – und muss los, weil in den Tiefen der Fertigung eine Maschine mit entsprechendem Warnton nach ihm verlangt. Und ungeplante Maschinenausfälle sind ein No-Go. Die Halbleiter werden schließlich gebraucht.
Naturgemäß liegt auch dem Sprecher der Betriebsleitung, also quasi dem Standortleiter von Infineon in Regensburg, Jörg Recklies, eine stillstandsfreie Produktion am Herzen. Wir haben ihn gefragt, wie er über seine Instandhaltung denkt.
INSTANDHALTUNG: Wie wichtig ist für Sie als Sprecher der Betriebsleitung die Instandhaltung?
Jörg Recklies: "Instandhaltung, nicht nur an unseren Standort, sondern generell in der Halbleiterherstellung, ist extrem wichtig. Wir produzieren 365 Tage im Jahr, das heißt Instandhaltung rund um die Uhr. Wenn ich einen Eingriff in der Anlage habe, darf dieser sicht nicht auf die Produktion auswirken. Instandhaltung ist ein extremer Performancetreiber. Wir haben im Reinraum ungefähr 1,2 Milliarden Euro Investitionen. Da ist der höchste OEE-Wert das Ziel. Entsprechend ist eine qualitätsvolle Instandhaltung sehr wichtig. Aber ich muss mir auch Gedanken über die Durchführung machen. Man muss nicht schneller laufen, aber die Reihenfolge der Eingriffsmaßnahmen ist soweit zu optimieren, dass die Anlage so selten wie möglich offline geht. Dies bedeutet, dass Maßnahmen der Arbeitsvorbereitung (Dokumente, Checklisten, Ersatzteile und Verschleißteile) und Arbeitsnachbereitung (Dokumentation des Eingriffs und 5S am Arbeitsplatz) optimiert ablaufen, während die Anlage noch läuft. Die Herausforderung ist also eine optimale Durchführung der Instandhaltung mit minimaler Downzeit der Anlage."
INSTANDHALTUNG: Es gibt die großen zwei Stichworte: Wertschöpfung und Werterhaltung. Wie sehen Sie den Instandhalter?
Recklies: "Viele sehen die Instandhaltung nur als Werterhaltung, ich sehe sie als Wertschöpfung. Weil sie von der Art und Weise, wie wir Instandhaltung umsetzen, Value Ad zur Anlage selber bringen. Wir tauschen nicht bloß die Teile aus, die original in den Anlagen verbaut sind. Sondern wir überlegen uns auch, wie wir die Teile praktisch verbessern können, um Standzeiten und Ausfallraten zu verringern. Die Instandhalter testen das Limit der Anlage aus, in Bezug auf Beladungsgeschwindigkeit und so weiter. Dadurch wird der Nutzungsgrad der Anlagen stets erhöht. Insofern ist die Instandhaltung für mich auf alle Fälle Wertschöpfung."
INSTANDHALTUNG: Können Sie im Umfeld ausreichend Fachkräfte akquirieren?
Recklies: "Aktuell ja. Wir haben eigentlich wenig Probleme. In diesem Jahr haben wir, nicht nur für die Instandhaltung, 34 Auszubildende hier am Standort und das ist ein großes Potenzial. Wir bilden zwar in einem Netzwerk zusammen mit anderen in Regensburg ansässigen Firmen aus, aber dennoch direkt bei uns am Standort. Diese Nähe macht etwas aus. Die Ausbildung erfolgt auf sehr hohem Niveau sowie nach unseren Anforderungen und Standards. Ein entscheidendes Thema sehen wir verstärkt bei jungen Leuten: eine Lifestyle-Denkweise, also, wie ich mein Leben besser gestalte. Da spielen Schichtarbeit und Nachtschicht eine große Rolle. Deswegen kümmern wir uns um Lösungen. Bei der Instandhaltung achten wir verstärkt auf das Verhältnis von unplanmäßigen zu planmäßigen Maßnahmen. Unser Ziel ist es, die planmäßigen Maßnahmen nach oben zu bringen. Damit sind wir effizienter und können sicherstellen, dass die richtigen Mitarbeitenden mit der für die jeweilige Zeit und Aufgabe richtigen Qualifikation im Einsatz sind. So wollen wir in zwei, drei Jahren die Nachtschichten im Autopilot fahren, in der keine Instandhalter vor Ort sein müssen. Die Attraktivität der Arbeitsplätze steht und fällt mit dem Schicht- und mit dem flexiblen Arbeitszeitsystem."
INSTANDHALTUNG: Welchen Wunsch haben Sie für Ihre Instandhaltung?
Recklies: "Die Instandhalter sollten unbedingt selbstbewusster werden. Sie sind, ähnlich wie ein Prozessingenieur, auf dem gleichen Niveau unterwegs, weil sie die Anlagen im Detail kennen. Sie sind sehr wichtig, weil sie auch die Funktionsprinzipien erlernen und jederzeit parat haben müssen. Dass Instandhalter stärker auftreten, ist das, woran wir bei Infineon Regensburg arbeiten. Vergleichen Sie die Instandhaltung in einem Halbleiterunternehmen mit, beispielsweise, der in einem Automobil-Montagewerk. Dort liegen die Kosten bei einem Zehntel von unseren. Das kommt auch daher, weil wir viele teure Verbrauchsmaterialien haben, darunter Quarz und Silizium. Wir instandhalten aber nicht nur die neuesten Maschinen, wir haben auch Maschinen, die mehr als 25 Jahre alt sind. Teilweise mit Betriebssystemen oder Software, die heute vielleicht niemand mehr kennt. Das müssen wir in der Aus- und Weiterbildung im Auge haben, weil wir ständig über Möglichkeiten des Upgrades nachdenken bzw. diese umsetzen. Und schauen wir auf die Energieeffizienz. Infineon hat sich vorgenommen, bis 2030 C02-neutral zu sein. Das schaffen wir nicht durch den Erwerb von Zertifikaten, sondern durch entsprechende Maßnahmen, die wir jetzt gemeinsam identifizieren und umsetzen. Dazu ist jeder Mitarbeitende erforderlich, auch Instandhalter. Denn wir wissen, dass die Anlagen gerade mit den Subsystemen (Vakuumpumpen, Kältemaschinen) sehr viel Energie aufnehmen. So nebenbei: Infineon leistet ja mit seinen innovativen Produkten einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz. Genau diese Produkte setzen wir auch bei der Verbesserung der eigenen Energieeffizienz ein."