1983 berichtet der Stern über den Fund der Hitler-Tagebücher, startet das Space-Shuttle Challenger zum Jungfernflug und in Buxtehude wird die erste Tempo-30-Zone Deutschlands eingerichtet. Und im bayerischen Wolfratshausen wird ein Schraubautomat fertiggestellt und an seinen Käufer ausgeliefert. 36 Jahre später sind die Bücher als Fälschung enttarnt, das Space-Shuttle-Programm eingestellt und 30er-Zonen eher Regel statt Ausnahme – und der Schraubautomat kommt zu seiner ersten Wartung nach knapp drei Millionen Schraubprozessen.
Für einen Instandhalter ist ein Wartungsintervall einer Anlage ähnlich unumgänglich wie die Beichte für einen Benediktinermönch. Aber wie ein Mönch in der Regel nicht nur alle 36 Jahre seine Sünden gesteht, so ist ein annähernd vier Jahrzehnte währendes Wartungsintervall für eine Maschine auch eher ungewöhnlich, möchte man meinen. "Die Systeme von uns werden so eben ein bisschen überdesigned", sagt Michael Steidl, Marketingchef und Produktmanager bei Weber Schraubautomaten, die das Gerät einstmals an seinen jetzigen Besitzer Siko ausgeliefert hatten, mit einem gewissen Understatement.
Für ihn zeigt der Fall des leicht betagten Schraubautomaten – der allerdings im Hause Weber als nicht gar so ungewöhnlich gilt (siehe Kasten) -, was gute Pflege in der Instandhaltung ausmachen kann: „Die Geräte haben einen Wartungsplan inkludiert, mit dem die Kunden aufgefordert werden, nach einer bestimmten Zeit Öle zu wechseln, nachzuschmieren, mal einen O-Ring zu tauschen - also die üblichen Kleinigkeiten zu machen. Eine lange Einsatzzeit steht und fällt entsprechend mit der Instandhaltung vor Ort.“
Neben dem 1983 gebauten und nun erstmals gewarteten Schraubautomaten kommen die Instandhaltungsspezialisten von Weber immer wieder mit fast schon Relikte zu nennenden Produkten ihres Hauses in Berührung. Industriemechaniker Steffen Doller erinnert sich gleich an zwei besondere Oldies: "Das ältere Gerät läuft noch in Mäuselwitz in Sachsen. Das ist eine SA 32 mit dem Baujahr 1971 und läuft noch. Eine andere stand hier in einem Nachbarort die ist 45 Jahre gelaufen." Auch der ehemalige Außendienstler Steidl hatte öfter Kontakt zu ‚Weber-Senioren‘. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm ein Schraubautomat bei einem Armaturenhersteller im österreichischen Innsbruck: "Der hatte ein Gerät von 1969. Wir haben noch gewitzelt, weil unser alter Vertriebsleiter, der jetzt in Rente gegangen ist, hatte die Papiere damals am Anfang seiner Lehrzeit unterschrieben und wir mussten die Akte aus dem Archiv rausholen."
Aber auch, wenn sich die Kunden nicht ganz korrekt an den Plan halten und die eine oder andere Inspektion oder Wartung vernachlässigen, kann ein Gerät durchaus lange durchhalten: "Ich hatte früher im Außendienst einen Kunden in Österreich, der im Dreischichtbetrieb Leisten für die Schiffsbauindiustrie im 0,7-Sekunden-Takt verschraubt", erzählt Steidl. "Wir empfehlen für die Automaten, die er nutzt, nach 500.000 Verschraubungen nachzufetten und gewisse Teile zu tauschen. Als ich nach ein paar Monaten wiederkam und fragte, ob er die Wartungen durchgeführt hatte, war seine Antwort: Was muss ich da denn machen?‘ – da hatte er aber schon 15 Millionen Verschraubungen durch."
Der Kunde hatte seine Verschraubungen allerdings nicht "auf Block" gefahren, erklärt der Diplom-Wirtschaftsingenieur Steidl. Dabei würden die Schrauben bis zum Blockieren ins Werkstück geschraubt. "Dann hätten Sie eine viel höhere Belastung des Automaten und entsprechend schneller massiveren Verschleiß." Bei einer solchen Belastung wäre die Maschine wohl früher für die Wartung fällig geworden.
Aktuell liefert Weber pro Jahr rund 1.200 Systeme an seine Kunden. "Nicht alle davon halten natürlich 35 Jahre", sagt Steidl. "Das ist immer auch eine Frage der verbauten Komponenten." So wird in manchen Automatenmodellen ein Pneumatikzylinder verbaut, der nach Herstellerangaben nach zwei Millionen Hüben zu tauschen ist. Da hilft dann auch keine gute Schmierung.
Dann müssen die Wartungs-Spezialisten von Weber ran. Die Kollegen kennen die Produkte von der Pieke auf: "Wir haben viele Mitarbeiter, die über 20 Jahre mit dabei sind. Ich wollte nach dem Studium auch nur zwei, drei Jahre bei Weber bleiben - das war vor 15 Jahren."
Ganz von den Sorgen um Fachkräftenachwuchs kann sich aber auch Weber nicht freimachen. Denn das Wissen, der Kollegen, die sich seit 20 Jahren und mehr um die Instandhaltung und Wartung kümmern, muss bewahrt werden. "Wir sind jetzt 300 Mitarbeiter", sagt Steidl. "Vor Kurzem waren wir noch 180 Mitarbeiter und hatten in der Zeit 16 Lehrlinge. Wir bilden jedes Jahr aus und wir haben jedes Jahr fünf bis sechs Lehrlinge neu dazu genommen, die auch bei uns im Haus bleiben, also einerseits die natürliche Fluktuation ausgleichen und zum anderen beim Aufbau helfen."
Fachkräftemangel bremst Instandhaltung
Allerdings gehen die Bewerberzahlen zurück: "Früher hatten sich jedes Jahr 70-80 Auszubildende beworben, heute sind es noch etwa 30. Die guten Bewerber können sich die Ausbildungsbetriebe frei aussuchen, da das Verhältnis Bewerber zu Ausbildungsstellen sich heutzutage verschoben hat. In diesem Sinne ist der Kampf um die Talente durchaus auch ein Thema. Allem voran hier im Speckgürtel von München", sagt Steidl.
"Unsere Lehrlinge erfahren dabei in der täglichen Arbeit viel von den erfahrenen Instandhaltern. Aber wir bieten auch viele Schulungen, um unsere Leute weiter zu qualifizieren – wobei das in dem Fall ja auch runterqualifizieren heißen sollte, denn bestimmte Bauteile, auf die geschult wird, gibt es ja seit 20 Jahren nicht mehr, aber die muss ich trotzdem reparieren."
Einer der Experten im Hause Weber ist Hubert Socha, Leiter des Spindelbaus. Er weiß, wie man Maschinen per Inspektion, Wartungsintervall und Pflege zu einem langen Leben verhilft: "Wenn die Maschinen regelmäßig und vernünftig wartet und einstellt, dann laufen die ein Leben lang", erklärt der Spezialist, der 1978 bei Weber als Lehrling anfing. "In der Vergangenheit haben die Kunden oft an Spindeln und Maschinen herumgedreht, um sie ein wenig schneller zu machen. Das ist dann wie wenn Sie mit einem Auto ständig 220 fahren - schädlich."
Fristen bei Wartung einhalten
Socha rät den Anwendern ganz klar, die vom Hersteller vorgeschriebenen Fristen einzuhalten: Inzwischen werden sämtliche Spindeln mit Kunststofffetten geschmiert. Wer sich bei der Wartung an die Vorgaben halte, sei auf der sicheren Seite: "Der Kunde muss nicht viel tun: Er muss die pneumatischen Zuleitungen abstecken und das in einer Tube mitgelieferte Kunststofffett in die Steckverschraubung spritzen. Dann wieder den Schlauch anstecken." Nach einer gewissen Zeit sollte zudem die Spindel generalüberholt werden, da sich Schmutzpartikel in dem Kunststofffett sammeln können, die um Extremfall zum Stillstand der Spindel führen können.
Dieses Wissen über die Maschinen und Anlagen weiterzugeben ist Socha ein Anliegen. Aber das ist angesichts einer sich auch im Traditionshaus Weber verändernden Arbeit nicht mehr so einfach: "Zu mir kommen alle Auszubildenden. Früher war es so, dass der Lehrling sechs Wochen oder drei Monate in einer Abteilung war und sich entsprechend gut auskannte. Mittlerweile sind zwei Wochen pro Abteilung der Schnitt", sagt Socha. Das sei aber aufgrund der mittlerweile eher standardisierten Produktpalette nachvollziehbar. "Da müssen die Jungen über Speziallösungen, wie ich sie ein oder zweimal im Jahr zusammenbaue, nicht mehr zwingend Bescheid wissen", sagt Socha.
Zwei Mann für die "harten Fälle"
Außerdem ist Socha nicht alleine mit seinem Können in Sachen Instandhaltung. "Wir haben noch einen zweiten Mann im selben Team. Im Service sind auch einige Mitarbeiter, die sich bei der Wartung mit alten Geräten sehr gut auskennen."
Dieser ‚zweite Mann‘ ist Steffen Doller. Der 53-Jährige ist Industriemechaniker für Reparaturen in Wolfratshausen. Er kümmert sich seit 19 Jahren um Defekte sowie Wartungsarbeiten und wurde von Socha ausgebildet. Die langen Laufzeiten, bis die Geräte zu ihm in die Werkstatt kommen, überraschen ihn nicht so sehr: "Einmal im Monat bekommen wir einen Automaten, der älter ist als 20 Jahre", erzählt er. Hoffnungslose Fälle, bei denen er nichts mehr ausrichten kann, sind wenige dabei: "Fünf Prozent sind so hinüber, dass nicht mehr repariert wird."
Sein Wissen über die älteren Weber-Produkte hat er von älteren Kollegen wie Socha oder er nutzt die ‚Schatztruhe‘ der Instandhaltung: "Wir haben hier ein Regal mit Zeichnungen von 1969 und älter – davon profitieren wir enorm." Auch Steidl kennt diesen Wissensschatz.
Tipps für ein langes Maschinenleben
Doller und Socha wissen als Profis genau, wie auch ältere Semester im Maschinenpark lange durchhalten und weiter zuverlässig ihre Arbeit tun. Dollers Tipp ist dabei ganz einfach: "Sauberkeit", sagt er und deutet dabei auf eine Ventileinschraubmaschine, die ihm zur Wartung übersandt wurde. Das Gerät starrt vor Schmutz und Ölrückständen – ein unbedarfter Beobachter könnte sie auf ein Alter von mehreren Jahrzehnten schätzen. In Wahrheit wurde sie 2010 gebaut. "Hätte der Kunde die Maschine regelmäßig im Rahmen seiner Möglichkeiten gesäubert und gewartet, stünde sie jetzt besser da und der Auftrag wäre günstiger", sagt der Experte
Auch Produktmanager Steidl weiß, wie seine Produkte lange funktionieren. "Eine Möglichkeit ist ein Retrofit in Richtung Digitalisierung", erklärt er. "Wir können alte bestehende Anlagen, die einen einfachen Elektromotor hatten durch einen Servoantrieb mit entsprechender Messtechnik nachrüsten oder Luftantriebe durch einen EC-Antrieb ersetzen."
Über das Antriebsmodul komme eine gewisse Intelligenz ins System, sagt Steidl, da die Steuerungstechnik Daten wie Zyklusanzahl, Drehzahl oder Drehmomente messe. "Aus dieser Steuerung heraus können Sie entsprechende Wartungspläne ableiten indem festgelegt wird, nach welcher Anzahl Zyklen mit welcher Kraft und welcher Drehzahl eine Wartung oder ein Teileaustausch ansteht.
Und Steidl hat noch einen Rat, um die Lebensdauer einer Maschine zu verlängern: "Man sollte die Maschine einfach betreuen: Aber diese Zeit bekommt die Instandhaltung heute oft nicht mehr. Gute Instandhalter, diese Erfahrung habe ich gemacht, werden leider immer weniger. Dabei kann man sich meiner Meinung nach auch durch die Instandhaltung als Firma sehr viel Geld sparen.
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