Die Alten gehen in Rente, der Nachwuchs fehlt und die Digitalisierung verändert Instandhaltungsberufe nachhaltig. Das sind die Probleme des Fachkräftemangels, vor denen viele Unternehmen stehen, die Industrieservice anbieten. Fachkräfte fehlen im Facilitymanagement genauso wie bei Kraftwerksbetreibern. Und ähnlich wie in der gesamten Wirtschaft sind vermeintlich schmutzige Aufgaben bei Schulabgängern wenig beliebt.
Der Beruf führt in die ganze Welt
Dem Taxifahrer ist der Werkzeugkoffer zu schwer. Thomas Broß muss das 30 Kilogramm schwere Gepäckstück eigenhändig aus dem Kofferraum hieven. Der 38-jährige Industriemechaniker-Meister ist auf dem Nachhauseweg. Er war eine Woche in der Autostadt Changchun im Einsatz, 1500 Kilometer nordöstlich von Peking. VW und Toyota bauen hier Autos für ganz Asien.
Der gebürtige Haiterbacher arbeitet für die Robert Bürkle GmbH. Einem Maschinenbauer mit Sitz in Freudenstadt. In Changchun hat er eine Lackieranlage instand gesetzt. Als Service-Techniker ist Broß fast 200 Tage im Jahr weltweit unterwegs. Weinheim, Kassel, Rumänien, die USA und eben immer wieder China.
Schon in der Ausbildung wollte der gebürtige Schwarzwälder weg. „Mich zog es auf die Baustelle“, sagt er. Nach der Meisterschule war es 2012 soweit. Broß bewarb sich bei Bürkle und los gingen die Auslandseinsätze.
Gutes Geld für qualifizierte Mitarbeiter
Er genießt in seinem Job die Unabhängigkeit, keinen Chef im Nacken zu haben. Die hohe Verantwortung, die er dafür trägt, findet er herausfordernd. Angst davor hat er nicht. Zwischen 60.000 und 90.000 Euro kann ein Instandhalter - auch durch den Fachkräftemangel - im Maschinenbau verdienen.
Wer viel auf Montage ist, kann das Geld kaum ausgeben. Im Jahresschnitt reichen im Beruf Spesen für Kost und Logis. Seine Abende verbringt Broß meist im Hotel. In Städten wie Changchun sind viele Europäer unterwegs, da könne man abends mal ein Bier trinken und sich unterhalten.
Spannender Beruf - Abenteuer inklusive
Spannend wird der Job, wenn es Richtung Verfahrenstechnik geht. Broß ist Spezialist für Flüssigbeschichtungen. Beim Auftragen von Lacken auf Holz, Stein, Glas oder Metall kennt er alle Kniffe. In Changchun richtet er eine Maschine ein, die Motorkomponenten lackiert.
Ganz nebenbei ist seinen Aufgabe, chinesische Maschinenführer zu schulen. Gute Menschenkenntnis und Wissen über die jeweilige Kultur sind vorteilhaft, weiß der Meister, der die Kunst beherrscht, den passenden Ton zu treffen. Der kann auch mal rauer sein. Etwa, wenn Maschinisten wieder und wieder die gleichen Fragen stellen und sich keine Notizen macht. „Ist wie in der Schule“, erklärt Broß – wer zum dritten Mal nicht aufpasst, den schimpft der Lehrer.
In die Produktion am Hauptsitz zieht es den weltoffenen Service-Techniker übrigens nicht. „Bin ich eine Woche in Freudenstadt, bitte ich meinen Chef, dass er mich wieder wegschickt“, sagt Broß und lacht. Sein Rückflug nach Frankfurt dauert mit Umsteigen in Peking fast dreizehn Stunden, die nimmt er gerne in Kauf für das Abenteuer Instandhaltung.
Kein Mangel an Arbeit
Abenteuer sucht Florian Wallner keine. Zumindest dann nicht, wenn der Strom ausfällt. Der 38-Jährige betreut bei den Stadtwerken München die Instandhaltung von Netz- und Trafostationen für Mittelspannung. In dieser Funktion ist es dem Ingenieur für Elektro- und Informationstechnik am liebsten, wenn „es ruhig bleibt“.
Doch natürlich fällt auch in der bayerischen Landeshauptstadt ab und zu der für die boomende Wirtschaft so unverzichtbare Strom aus. Dann wird Wallners Job zu dem eines Trouble-Shooters. Denn die Großkundschaft, dazu zählen in München ansässige Dax-Unternehmen und viele Mittelständler, haben natürlich ungern Spannungsausfälle.
Gemeinsam mit seinem Team - das die Arbeitskraft von 65 Meistern und Monteuren bündelt - gilt es dann, die Spannungsversorgung wiederherzustellen. Wenn es sein muss, packt Wallner dann persönlich mit an. Ausgestattet mit Zange, Schraubenzieher und Laptop, auch mitten in der Nacht.
Fachkräftemangel in den Ballungszentren
„Wir arbeiten zwar unter Spannung“, sagt Wallner, doch nächtliche Stromausfälle seien die Ausnahme. Zu seinem Arbeitsalltag gehört vielmehr das Managen von Prozessen, das Umsetzen und Kontrollieren der Arbeitssicherheit, die Koordination der hausinternen Kabelmontage sowie Schalthandlungen.
Ferner kümmert sich der gebürtige Münchner um Zugangsverwaltungen und inspiziert gemäß Instandhaltungskonzept die 5.000 Netztrafostationen im Stadtgebiet.
Je nach Arbeitgeber können Instandhaltungs-Ingenieure in Großräumen wie München oder Stuttgart mit Einstiegsgehältern von 50.000 Euro pro Jahr - je nach Unternehmen - rechnen. Mit ein paar Jahren Berufserfahrung werden laut Vergleichsplattform Gehalt.de daraus 75.000 Euro oder mehr.
Mit einer tarifvertraglich geregelten 39-Stundenwoche inklusive Gleitzeit genießt Wallner als hochqualifizierte Fachkraft bei den Stadtwerken den Komfort, Zeit mit seinen beiden Kindern zu verbringen. Die Abenteuer die er mit ihnen besteht, mag er deutlich lieber.
Junge Menschen zögern
So anschaulich die Beispiele Broß und Wallner auch sein mögen. Bei (Hoch-) Schülern genießt der Beruf des Instandhalters oder Service-Technikers weniger Ansehen, als der eines Mitarbeiters bei einem Automobilhersteller. Das trägt natürlich auf dem dazugehörigen Arbeitsmarkt zum Fachkräftemangel bei.
Video: Was macht die Instandhaltung?
Auf Youtube finden Sie ein Video von der Wisag Industrie Service Holding GmbH zum Thema "Was macht die Instandhaltung?".
Reinhard Maaß vom Wirtschaftsverband für Industrieservice kennt dieses Problem der Branche und sieht vor allem den digitalen Wandel als Chance, dem Fachkräftemangel zu begegnen: „Früher bedeutete Instandhaltung in erster Linie Schraubenschlüssel“, sinniert der Düsseldorfer Geschäftsführer. Inzwischen hätten fast alle jungen Fachkräfte eine Ausbildung zum Mechatroniker abgeschlossen und seien vom ersten Tag an mit IT vertraut.
Der Verbandssprecher sieht daher in der Qualifizierung der Fachkraft eine Chance den Beruf attraktiv zu machen. Das sehen auch die Mitglieder so. Nach einer aktuellen Verbandsumfrage finden rund 90 Prozent der Betriebe IT-Know-how sowie das Auswerten von Daten wichtig und sehr wichtig. Kenntnisse zur reinen Mechanik hingegen beurteilen nur noch etwa die Hälfte der Unternehmen als (sehr) wichtig.
Die Firmen selbst hätten zudem erkannt, dass sie ihre Arbeitgeber-Attraktivität steigern müssen (75 Prozent). Firmenübergreifende Kampagnen wie Kinowerbung seien zwar gut, könnten aber nur bedingt leisten, dass sich Fachkräfte gezielt für ein Unternehmen entscheiden oder Schulabgänger ein entsprechendes Ingenieurstudium angehen.
Arbeitsmarkt muss attraktiver werden
„Instandhaltungsfirmen verschenken Chancen, ihre Mitarbeiterattraktivität zu steigern“, meint auch Angela Kosa. Die Betriebswirtin berät seit 20 Jahren Betriebe in diesem Punkt. „Heute entscheidet viel mehr die Ansprache in den Stellenanzeigen darüber, ob sich Fachkräfte überhaupt für eine Firma interessieren und sich bewerben“, verdeutlicht die Buchautorin. Denn trotz allem Gejammer um Fachkräftemangel schauen sich 80 Prozent derer, die in fester Anstellung sind, regelmäßig nach Joboptionen um, weiß Kosa und beruft sich auf Umfragen wie die Gallup-Studie.
Demnach geht es weniger darum, den Beruf „sexy“ zu machen, sondern eher sich als Mitarbeiter im Bereich Instandhaltung selbst in der „Heldenrolle“ zu sehen und eine Ahnung davon zu bekommen, was man an dieser Position bei diesem Arbeitgeber bewegen kann. Laut Kosa punkten dabei diejenigen Betriebe, die bereits in der Stellenausschreibung den Mitarbeiter wahrnehmen und ansprechen, wie sonst kein anderer.
Kosas Zusatz-Tipp: Kommunikationskanäle anbieten, die von der Zielgruppe genutzt werden. Weil bisher kaum Personalabteilungen Facebook-Messenger oder Whats-App nutzen, seien diejenigen im Vorteil, die Bewerber dort abholen, wo diese sich bevorzugt aufhalten, meint die Expertin. Oder gleich aktiv auf mögliche Kandidaten zugehen, die einmal Kontakt mit dem Betrieb hatten.
Verantwortung im Beruf
So wie bei Florian Wallner, der nach einem Praxissemester im kathodischen Korrosionsschutz von den Münchner Stadtwerken einen Anruf erhielt. Ob er sich einen Job in der Instandhaltung vorstellen könne, lautete vor zehn Jahren die Frage. Wallner sagte zu. „Als Jugendlicher wollte ich Bauleiter werden“, erinnert sich der Ingenieur, der sich nicht scheut Verantwortung zu übernehmen und nach Entscheidungsfreiheit strebt.
Beides habe er heute, wenn gleich der Job auch Anforderungen an ihn stelle, die im Studium kaum gelehrt wurden. Personalführung gehört dazu. „Ich sehe mich als Teamspieler“, sagt Wallner. Er ist einer von 10.000 bei den Stadtwerken München.
Michael Sudahl
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