In der Automotive-Branche und im Maschinenbau sind Robotik und Automatisierung inzwischen etabliert. Wie sieht es denn in der Raumfahrtbranche aus? Wie hat sich denn der Einsatz von Robotern in der Raumfahrt in den vergangenen Jahren entwickelt?
Kristina Wagner: Das Ganze wächst, definitiv! Wenn Sie jetzt natürlich aus der Automatisierung und der Robotik kommen, dann kann man schon sagen, die Raumfahrt ist hier wirklich noch ganz, ganz stark am Anfang. Aber man muss sicher differenzieren: Wo macht Automatisierung in der Raumfahrt Sinn? Also wir hatten ja gesprochen über die Wissenschaftsmissionen, wo die Stückzahlen sehr, sehr gering sind und es absolute Einzelteile sind. Und trotzdem, wenn Sie da rein auf die Prozesse gucken - also Kleben, Schrauben, Quality Inspection, Positionieren - kann ich mir vorstellen, da durchaus in der mittleren Zukunft Cobots zu sehen. Weil die ermöglichen genau so etwas: Losgröße 1. Aber mit ähnlichen Prozessen und man kompensiert darüber Bottlenecks in der Auslastung. Denn auch wir haben natürlich die Herausforderung, gute Fachleute zu bekommen.
Wenn man jetzt alles rund um Launcher anschaut, dann ist dort natürlich Fertigungstechnologie immer schon ein Thema gewesen. Weil es um Faserverbund[werkstoffe] geht. Weil es um wirklich anspruchsvolle Fertigungsmethoden geht und aufgrund der sehr hohen Anforderungen an das Material. Da ist einiges an Robotik im Einsatz. Teilweise auch ganz, ganz eindrucksvolle Applikationen, wo KI genutzt wird. Beispielsweise, um Verformungen zu machen. Da haben wir auch hier bei uns im Haus Kuka-Roboter mit KI, wo mit kleinen Kugeln Bauteile beschossen werden, um zu formen. Ganz eindrucksvolle Applikation.
Und wenn Sie jetzt aber auf kleine Satelliten und Konstellationen gehen, dann wird Automatisierung dort in den nächsten Jahren sicher hochgehen. Der Grund dafür ist, neben der etwas höheren Stückzahl, auch die Nutzung von Commercial-off-the-Shelf-Komponenten. Das wird wachsen, ganz sicher.
Es ist aber in Summe eine Industrie, die hier noch an den Anfängen ist. Das ist auch ganz klar meine Einschätzung.
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Sie haben jetzt schon ein Beispiel genannt, wo Sie Robotik nutzen bei OHB. Gibt es denn noch andere Beispiele, wo Sie auf Robotik oder auf Automatisierung mehr den Fokus legen?
Also wie gesagt, zusätzlicher Einsatz in den Manufakturen. Das bewerten wir. Und in den internen Abläufen gibt es jetzt natürlich viel in Richtung Digitalisierung und in Richtung Bots, wo wir uns natürlich auch Synergien anschauen. Das sind eigentlich die zwei Bereiche.
Klassische industrielle Robotik überall da, wo wir in hohe Stückzahlen reingehen werden. Im Produktgeschäft ganz sicher. Wenn es um das Projektgeschäft geht, dann geht es darum, erstmal einzelne Prozesse anzuschauen und zu schauen, wo macht da Robotik wirklich Sinn.
Und das ganze Thema Digitalisierung, auch wenn es um die Reinräume geht, das ist etwas, wo OHB in den letzten Jahren schon einiges getan hat und wo wir intensiv weitermachen werden.
Und welche Rolle spielt künstliche Intelligenz in Ihren Überlegungen?
Natürlich eine große. Also sowohl in diesem ganzen Thema rund um künstliche Intelligenz auf dem Satelliten, wenn es um das Processing im Orbit geht oder wenn es um das Auswerten und Anreichern von Weltraumdaten on ground geht.
Und wenn Sie jetzt auf die reine interne, companyweite Digitalisierung zielen, dann bin ich davon überzeugt, dass der Boom, den wir im privaten Sektor gesehen haben, wo Digitalisierung ganz massiv unser Verhalten verändert hat, wo eigentlich die Software-Entwickler die sind, die Kommunikationskultur verändert haben, die Art und Weise, wie ich meinen Alltag gestalte, wie ich reise, wie ich interagiere, wie ich Unterhaltung konsumiere - das wurde ja massiv geprägt von Software und Digitalisierung. Und ich erwarte eine ähnlich große Veränderung im geschäftlichen Umfeld in einigen Jahren.
Deswegen hat Digitalisierung und künstliche Intelligenz für mich hier einen hohen Stellenwert. Und die massive Anzahl von Daten, die wir zur Verfügung haben, die gilt es weiter auszuwerten. Sicherlich gibt es hier auch Themen, wo man Richtung IT, Datenmodell und Infrastruktur noch an einigen Stellen weiter modernisieren wird. Aber die intensive Nutzung von Bots sehe ich ganz klar, sowohl im administrativen Bereich als auch im kreativen Bereich. Die Nutzung von KI, wenn es um Design Choices geht, die sehe ich auch. Sie haben ja die Rocket Factory beispielsweise genannt. Die haben an einigen Stellen KI-gebundene Designempfehlungen befolgt.
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Sie haben jetzt schon so ein bisschen einen Ausblick gegeben. Was denken Sie denn, wie sieht die Zukunft der Robotik in der Raumfahrtbranche aus? Welche zukünftigen Entwicklungen werden da im Bereich Automatisierung auf die Branche zukommen?
Es gibt zwei große Themenfelder, wenn es um Robotik in der Raumfahrt geht. Ich würde erst mal dieses ganz, ganz visionäre Thema nehmen: Es gibt ja zunehmend Missionen in Richtung weitere Mondmissionen, Infrastrukturaufbau, Erkundung vom Mond. Da braucht man an vielen Stellen Robotik, beispielsweise auf Rovern, die dann dort fahren werden. Das wird spannend sein, weil das hohe Autonomieanforderungen an den Roboter hat.
Das heißt, alles rund um das Thema Umwelterkennung, Nutzen von Umweltdaten, Autonomie und auch das ganze Thema rund um Resilienz der Roboter, da wird man sicher Erkenntnisse gewinnen können, die man dann wiederum in die industrielle Automatisierung überführen kann. Weil sie da eben auch Umwelterkennung und Resilienz brauchen, wenn sie wirklich autonom sein wollen.
Und wenn ich jetzt auf den Shopfloor schaue, also den Einsatz von Robotik innerhalb unserer Assembly, dann ist das ganz, ganz klar eng damit verbunden, wie viele Kleinserien oder Serien es in Zukunft geben wird. Damit steht und fällt das Ganze. Also der klassische Automatisierungsgedanke: Automatisierung lohnt sich erst ab einer gewissen Wiederholbarkeit. Es gibt zwei, drei Prozesse, wo man sich gut vorstellen kann, Ressourcen-Bottlenecks zu kompensieren.
Und alles, was Fertigungstechnologien angeht, da sehen wir ja schon heute den Einsatz von Robotik auch unter Nutzung von KI. Das wird auch mehr werden, weil der Bedarf höher ist.
Dieses Interview ist ein gekürzter Auszug aus dem Podcast 'Industry Insights'. Das ganze Gespräch über die Bedeutung der Raumfahrt in Deutschland, spannende Projekte, an denen OHB gerade arbeitet und darüber, wie die Raumfahrtbranche Automatisierung einsetzt, hören Sie hier:
Industry Insights: Das sind die Moderatorinnen
Julia Dusold (links) ist Technik-Redakteurin bei mi connect. Sie beschäftigt sich mit verschiedenen Fertigungstechnologien, zum Beispiel der Zerspanung, der Lasertechnik und dem 3D-Druck. Außerdem in Julias Portfolio: Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz und Quantentechnologie. Gemeinsam mit der Wirtschaftsredakteurin Anja Ringel produziert und moderiert sie den Interview-Podcast Industry Insights. Vor ihrer Arbeit bei mi connect hat Julia zuerst Physik und dann Wissenskommunikation studiert. In ihrer Freizeit ist sie gerne am, im und auf dem Wasser unterwegs oder reist auf diverse Weisen in fiktive Welten. Folgen Sie Julia Dusold auch auf LinkedIn, Xing und Twitter.
Dass sie Redakteurin werden will, wusste Anja Ringel (rechts) schon zu Schulzeiten. Als Chefredakteurin ihrer Schülerzeitung hat sie Lehrkräfte und Schüler interviewt, das Mensaessen getestet und ist Fragen wie "Wieso hat Wasser ein Mindesthaltbarkeitsdatum" nachgegangen. Nach Stationen bei diversen Tageszeitungen schaut sie bei "Produktion" nun den Unternehmen auf die Finger oder besser gesagt auf die Bilanzen. Als Wirtschaftsredakteurin kümmert sie sich aber auch um Themen wie Fachkräftemangel, Diversity, Digitalisierung oder Unternehmenskultur. Privat liebt sie das Reisen und nutzt ihre Urlaube, um die Welt zu entdecken. Folgen Sie Anja Ringel auch auf LinkedIn, Xing und Twitter.