Die Energiewende nimmt weltweit an Fahrt auf. Immer mehr Staaten setzen auf saubere und nachhaltige Energieträger wie Sonne, Wind, Bioenergie und Wasserkraft.
Doch angesichts des sehr schnell wachsenden Strombedarfs wird es ganz ohne fossile Energieträger nicht gehen. Aber fossil heißt nicht automatisch umweltschädlich: Gas- und Dampfturbinen arbeiten relativ sauber und dürften im Energiemix der Zukunft eine bedeutende Rolle spielen.
Der Grund: Der Wind bläst nicht immer und auch die Sonne verschwindet häufig hinter Wolken. Gasturbinen lassen sich dann sehr schnell hochfahren, bringen schnell ihre Leistung und können so die Lücke füllen.
Kein Wunder also, dass aktuellen Studien zufolge der weltweite Bedarf bis 2025 auf 5.500 Gasturbinen im Wert von rund 105 Milliarden US-Dollar geschätzt wird. Dabei gehen die Studien von einer dezentralen Energieinfrastruktur aus und so soll der Löwenanteil bei eher kleineren Gasturbinen der Leistungsklasse bis 10 Megawatt liegen.
Was ist eine Dampfturbine?
Eine Dampfturbine wandelt Wärme in mechanische Energie um, indem die Turbine von heißem (Wasser-)Dampf angetrieben wird. Gekoppelt an einen Synchron-Turbogenerator, lässt sich mit Dampfturbinen in Kraftwerken mit einem Wirkungsgrad von fast 45 Prozent Strom erzeugen. Mit kombinierten Gas-und-Dampfturbinen erreichen Gaskraftwerke sogar einen Wirkungsgrad von rund 60 Prozent.
Lohnt sich eine Gasturbine auch für mittelständische Industriebetriebe?
„Eine Gasturbine ist eine Option. Im Vergleich zu einem Gasmotor ist sie ideal bei Bedarf an Hochtemperatur-Prozesswärme oder Dampf und hat geringere Wartungskosten“, berichtet Dirk Bösel vom VDMA Power Systems. Bei kleineren KWK-Anlagen mit biogenen Gasen oder Wärmebedarf unter 100 Grad habe die Industrie eher Gasmotoren im Einsatz.
Warum Gasturbinen technische Wunderwerke sind
Gasturbinen sind technische Wunderwerke, die an den Grenzen des technisch Machbaren operieren. „Die Temperatur- und Druckbedingungen in einer stationären Gasturbine, wie auch in Flugzeugturbinen, sind selbst aus der Sicht von Ingenieuren extrem“, sagt Dr. Sven-Hendrik Wiers, Vice President und Leiter Entwicklung Gasturbinen bei MAN Diesel & Turbo.
In der Tat haben Gasturbinen einige Superlative der Technik zu bieten: Temperaturen von weit über 1.200 °C im Turbinenbereich, immense Drücke und Umfangsgeschwindigkeiten von mehreren hundert Metern pro Sekunde.
Wie die Umsetzung von Brennstoffen in elektrische und thermische Energie gelingt
„Würden die Turbinenschaufeln nicht eigens per Luftstrom gekühlt, würden sie sehr schnell schmelzen“, so Wiers. Er berichtet weiter, dass die beiden Haupttrends bei den Gasturbinen Steigerungen beim Wirkungsgrad und eine Reduzierung der Komplexität sind. Aktuell liegt der Wirkungsgrad von Gasturbinen im sogenannten Single Cycle bei rund 40 Prozent, je nach Größe und Bauart.
Deutlich höher liegt der Wirkungsgrad beim sogenannten ‚Combined Cycle-Betrieb‘. Dann wird der Gasturbine eine Dampfturbine zur Nutzung der Abhitze nachgeschaltet und der elektrische Gesamtwirkungsgrad erreicht Werte über 60 Prozent. Diese Betriebsart ist Standard beispielsweise bei großen Energieversorgern.
Kleinere Gasturbinen sind dagegen häufig in der Industrie zu finden, wo sie gleichzeitig zur Strom- und Wärme- oder Kältenutzung eingesetzt werden. Dabei wird ein besonders hoher Brennstoffausnutzungsgrad von bis zu 92 Prozent erzielt. „Die nahezu vollständige Umsetzung des Brennstoffs in elektrische und thermische Energie macht Gasturbinen sehr effizient und damit auch umweltfreundlich“, so Wiers, der weiß, dass es noch Potenzial nach oben gibt.
Dabei gelte es aber, Kosten und Nutzen abzuwägen. Zudem gehe es nicht nur um den Wirkungsgrad einer einzelnen Gasturbine; es müsse vielmehr das gesamte Energierzeugungssystem betrachtet werden. „Früher wurde der Strom mit einer Gasturbine erzeugt und für die thermische Energie wurde zusätzlich ein kohle- oder gasbefeuerter Kessel betrieben. Heute wird beides von einer Gasturbine erzeugt, mit einem ungleich höheren Wirkungsgrad“, so Wiers.
Warum die Herstellung von Dampfturbinen eine technische Herausforderung ist
Sein Unternehmen strebt dabei in den nächsten drei bis vier Jahren eine Erhöhung des Gesamtwirkungsgrads um weitere Prozentpunkte an. „Das hört sich wenig an, bedeutet aber einen Quantensprung und macht den Einsatz neuer Technologien erforderlich“, so Wiers. Ein Beispiel seien Bauteile aus dem 3D-Drucker, die völlig neue und optimierte Geometrien möglich machen. Bereits heute ist die Herstellung einer Gasturbine eine technische Herausforderung. Das gilt weniger für die Verdichterstufe, in der normale Chromstähle oder Inconel zum Einsatz kommen.
Die Herausforderung sind die eigentlichen Turbinen, in denen etwa warmfeste Nickelbasislegierungen verwendet werden. „Die Bearbeitung dieser enorm anspruchsvollen Materialien ist eine Herausforderung. Turbinenschaufeln entstehen in aller Regel im Feinguss und werden nur noch teilweise durch Schleifen bearbeitet“, erklärt Wiers. Ebenso anspruchsvoll sei die Herstellung von Dichtungsschlitzen und Kühlbohrungen, die in der Regel erodiert werden. Bei großen Schaufeln sei es zudem sehr anspruchsvoll, diese als Einkristall zu gießen.
Wie der 3D-Druck vom Dampfturbinen-Trend profitiert
Auch müsse auf Schaufeln in besonders heißen Bereichen unmittelbar nach der Brennkammer eine Wärmedämmschicht aufgebracht werden. „Ohne die Beschichtung und einen kühlenden Luftfilm würden die Schaufeln verbrennen“, so Wiers.
Dazu werde Luft aus dem Verdichter abgezweigt und zur Kühlung über die Brennkammer und die ersten Turbinenschaufeln geführt. Hier habe auch der 3D-Druck eine große Zukunft, denn mit neuen Geometrien lassen sich Turbinenschaufeln und Brennkammer wesentlich effizienter kühlen. Gerade verbaut sein Unternehmen die ersten Bauteile, die per 3D-Druck hergestellt wurden. „Noch sind wir in der Prototypenphase. Wir werden damit aber bald in die Serienproduktion gehen“, so Wiers.
Video: Funktionsweise Gas- und Dampfturbinenkraftwerk
Wo Dampfturbinen in der Prozessindustrie eingesetzt werden
Etwas weniger extreme Verhältnisse herrschen in im Inneren einer Dampfturbine: Die Temperaturen sind niedriger und übersteigen hier selten die 500°C-Marke, dafür herrschen Eintrittsdrücke von bis zu 140 bar. Vom Grundprinzip her handelt es sich bei einer Dampfturbine um eine Gasturbine ohne Verdichter und Brennkammer.
Trotzdem ist auch eine Dampfturbine ein Hightech-Produkt, weil sie sehr viele völlig unterschiedliche Kundenanforderungen erfüllen muss. Gerade in der Prozessindustrie gibt es Anwendungen, bei denen es Zudampf gibt oder Dampf ausgekoppelt werden muss.
„Dampfturbinen sind zumeist viel stärker in die umgebenden Prozesse eingebunden, das macht sie sehr komplex“, erklärt Klaus Behnke, Vice President und Leiter Entwicklung Dampfturbinen bei MAN Diesel&Turbo. Dabei sei die Stromproduktion nur ein Thema, denn viele Dampfturbinen treiben Verdichter beispielsweise in der chemischen Industrie an.
Besonders hier diktiert der Dampfbedarf der verschiedenen Produktionszweige die Betriebsweise der Turbine. Grundsätzlich ist beim Einsatz vieler Dampfturbinen größtmögliche Flexibilität gefragt. Ein Beispiel ist die Methanolsynthese: Für die notwendige chemische Reaktion wird Dampf benötigt, der aus der Turbine entnommen wird. Gleichzeitig treibt die Turbine den Synthesegaskompressor an. Dabei können auch sehr niedrige Dampfparameter verarbeitet werden.
Warum die Nachfrage nach Dampfturbinen steigt
Dampftemperaturen von 160 bis 180 Grad Celsius sind ausreichend. Noch werden solche Potenziale häufig in den Kühlturm geleitet. "Viele Kunden entdecken aber gerade, dass sie dabei Energie verschenken und wollen den Abdampf über Dampfturbinen zur Stromerzeugung nutzen“, berichtet Behnke.
Er berichtet, dass der Anteil der zur Stromerzeugung genutzten Dampfturbinen relativ stark schwankt. Derzeit beobachtet er eine zunehmende Nachfrage nach Dampfturbinen als Verdichterantriebe. Der Einsatz als Generatorantrieb, also als reine Stromerzeugungsmaschine, ist in Deutschland derzeit eher rückläufig. Auf dem Vormarsch sind kombinierte Anlagen zur Umwandlung von Strom und Wärme. Ein Grund dafür ist auch deren Förderung durch EEG.
Grundsätzlich ist der Markt für Dampfturbinen deutlich breiter als der für Gasturbinen. Zum Einsatz kommen sie in der Öl- und Gasindustrie, der petrochemischen Industrie, der Zellstoffindustrie, der Stahlindustrie und zur reinen Stromerzeugung.
Dampfturbinen-Kraftwerk: So lange sind sie im Einsatz
Der Wirkungsgrad moderner Dampfturbinen ist grundsätzlich hoch und liegt bei über 90 Prozent, dabei muss allerdings stets der gesamte Wasser-Dampf-Kreislauf betrachten werden, in den die Turbine eingebunden ist. Generell gilt die Regel, dass der Wirkungsgrad bei höheren Dampfparametern und niedrigeren Kondensationsbedingungen wächst. Mit Blick auf die Fertigungstechnik gelten bei Dampfturbinen ähnliche Ansprüche wie bei den Gasturbinen.
Zwar kommen aufgrund der niedrigeren Temperaturen leichter zu bearbeitende Materialien zum Einsatz. Aber dafür sind die Anforderungen mit Blick auf die Einsatzdauer und Wartungsintervalle deutlich strenger. „Die Einsatzdauer liegt bei mindestens zwanzig Jahren. Es gibt aber auch Anlagen, die bis zu vierzig Jahre laufen“, so Behnke.
Die Revisionsintervalle liegen bei rund zehn Jahren, wobei ein ununterbrochener Betrieb von fünf Jahren gewährleistet sein muss. Für die Einhaltung der strengen Toleranzen und konstant hoher Qualität setzt MAN Diesel&Turbo auf eine hohe Eigenfertigungstiefe und fertigt insbesondere alle sicherheitstechnischen Komponenten selbst.
Überall auf der Welt wächst die Nachfrage
Laut Behnke wird der Markt für Dampfturbinen in Zukunft weiter moderat wachsen. Einen Boom könnte den Dampfturbinen die weltweit angestrebte Energiewende bescheren: Länder wie Australien, Chile und Südafrika setzen auf solarthermische Anlagen, die zur Umwandlung der thermischen Energie in elektrischen Strom Dampfturbinen benötigen.
„Der weltweite Trend zu Dekarbonisierung wird zu einem wachsenden Bedarf an Dampfturbinen führen“, ist Behnke überzeugt. Dazu komme die einfache Tatsache, dass die Weltbevölkerung weiter wächst und damit der Energiebedarf.
Gasturbine von GE hät den Weltrekord beim Wirkungsgrad
Seit Jahren wetteifern die Gasturbinenhersteller um immer höhere Wirkungsgrade. Dabei ist dieses Thema technisch komplex: „Es gibt sehr viele Kraftwerke, die einen deutlich höheren Wirkungsgrad haben als die Gasturbine selbst. Der Grund ist, dass die sehr hohe Abgasenergie der Gasturbine für nachgeschaltete Prozesse verwendet wird. Deswegen messen wir Wirkungsgrade von Heavy-Duty-Gasturbinen üblicherweise nicht am Gasturbinenwirkungsgrad, sondern am Kombiwirkungsgrad“, erklärt Bernd Meixner, Platform Manager der GE Power AG.
GE hält den Rekord in Sachen Kombiwirkungsgrad, und es war sogar einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde wert: Im nordfranzösischen Ort Bouchain ging im Juni 2016 die Gasturbine mit dem weltweit höchsten Kombiwirkungsgrad von 62,22 Prozent in Betrieb. „Es gibt natürlich Bestrebungen, den Wirkungsgrad noch weiter nach oben zu treiben. Allerdings hat die Physik ihre Grenzen und jede weitere Verbesserung ist eine technische Herausforderung “, so Meixner.
Die Turbine in Bouchain wiegt so viel wie eine startfertige Boeing 747 und kann 680 000 französische Haushalte mit Strom versorgen. Ihre Hochlaufzeit liegt bei unter einer halben Stunde und ermöglicht dem Betreiber, EDF Energy, schnell und flexibel auf Schwankungen im Stromnetz zu reagieren. Zu diesen Schwankungen kann es kommen, wenn der Wind nicht bläst oder die Sonne nicht scheint und Wind- oder Fotovoltaik-Anlagen nur wenig Strom liefern. Ein Konzept, das angesichts der wachsenden Bedeutung regenerativer Energieträger Schule machen wird: „Gasturbinen sind die ideale Ergänzung regenerativer Energieträger und haben deshalb ein großes Marktpotenzial. Sie lassen sich schnell hochfahren und sind deutlich leistungsstärker als Gasmotoren“, so Meixner.
Und sie sind sehr sauber: Bei der Verbrennung von 6,6 Tonnen Erdgas – was einer Ladung von 46 Tanklastwagen entspricht – entsteht eine Schadstoffmenge, die in eine Getränkedose passt.