
Für die Montage der Zukunft liegt ein vielversprechender Ansatz in der Entwicklung modularer Montagesysteme mit mobilen Robotern, digitalen Zwillingen und flexiblen Endeffektor-Technologien. (Bild: Stihl)
Die Montage gerät massiv unter Druck. Globale Lieferketten brechen unvorhersehbar ein, Materialengpässe sind an der Tagesordnung. Der Fachkräftemangel spitzt sich zu und die Planungssicherheit verabschiedet sich zunehmend. Produktlebenszyklen schrumpfen, Variantenvielfalt explodiert und individualisierte Fertigung wird zum neuen Standard. Klassisch stabil geplante Abläufe reichen längst nicht mehr aus – die Montage muss sich radikal neu erfinden. Besonders herausfordernd: Montagesysteme sind historisch auf Beständigkeit ausgelegt. Heute jedoch brechen diese Prämissen weg und fordern eine neue, hochflexible Architektur. Wie gelingt wettbewerbsfähige Montage trotz Krise?
Dazu erklärt Ralf Riemensperger von Festo: „Eine solide Planung ist unter der aktuellen geopolitischen Lage kaum möglich. Was immer hilft, ist die Prozesse weiter zu optimieren und vor allem diese zu flexibilisieren.“ Riemensperger hält es zudem für sehr wichtig, „zu standardisieren, dabei ist es egal, ob es um einen Handarbeitsplatz geht oder um Teilautomatisierung oder um Vollautomatisierung. Die Perspektiven sind dabei natürlich jeweils unterschiedlich.“
„Globale Lieferketten sind zunehmend volatil“
Auch Professor Rüdiger Daub sieht die Montage derzeit unter enormem Druck: „Einerseits sind globale Lieferketten zunehmend volatil, was zu Materialengpässen und kurzfristigen Änderungen im Produktionsablauf führt. Andererseits nimmt der Fachkräftemangel weiter zu – qualifiziertes Personal ist schwer zu finden und noch schwerer zu halten. Gleichzeitig sinkt die Planungssicherheit: Stückzahlen schwanken, Produktlebenszyklen werden kürzer und individualisierte Produkte werden zum Standard.“
Besonders kritisch sei das für die Montage, da sie traditionell auf stabile und vorhersehbare Abläufe ausgelegt sei – und genau diese Voraussetzungen entfielen zunehmend.


„KI und Machine Learning transformieren die Montage grundlegend – und das im positiven Sinne. Durch datengetriebene Entscheidungen können Prozesse adaptiv gesteuert, Ressourcen effizienter eingesetzt und Fehler frühzeitig erkannt werden", sagt Professor Rüdiger Daub, Institutsleiter Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik Augsburg und TU München, TUM School of Engineering and Design.
Zukunft der Montage erfordert wandlungsfähige Prozesse und vernetzte Systeme
Man kann also zunächst einmal festhalten, dass wir in einer Zeit des Umbruchs leben, die geprägt ist von Instabilität, globalen Krisen und dem rasanten Fortschritt disruptiver Technologien. Diese Entwicklungen verändern unser privates und berufliches Umfeld nachhaltig und stellen insbesondere die industrielle Produktion vor neue Herausforderungen. Mangelnde langfristige Planungssicherheit bei gleichzeitig reduzierter Wertschöpfung ist die Folge.
Martin Treitz von der Andreas Stihl AG, weiß einen Ausweg: „Die Zukunft der Montage erfordert wandlungsfähige Prozesse, anpassungsfähige Arbeitsorganisationen und vernetzte Systeme, um flexibel und effizient auf dynamische Marktbedarfe reagieren zu können. Der Einsatz von universellen Modulen und skalierbaren Montagesystemen mit einem Fokus auf den Wertstrom im Rahmen von operational Excellence ausgerichtet auf den Kundenbedarf muss dabei der Fokus sein.“


„Die Zukunft der Montage erfordert wandlungsfähige Prozesse, anpassungsfähige Arbeitsorganisationen und vernetzte Systeme, um flexibel und effizient auf dynamische Marktbedarfe reagieren zu können", sagt Martin Treitz, Bereichsleiter Technologie Gebäude bei der Andreas Stihl AG & Co. KG.
Datenbasierte Entscheidungen mit zentraler Rolle
Dem kann Daub nur zustimmen: „Wettbewerbsfähigkeit in Krisenzeiten verlangt vor allem eines: Wandlungsfähigkeit. Das bedeutet, dass Montagesysteme modular, flexibel und technologieoffen gestaltet sein müssen. Moderne Technologien – insbesondere smarte Robotik und KI – ermöglichen es, Montageprozesse ohne lange Umrüstzeiten oder starre Programmierungen schnell an neue Anforderungen anzupassen.“
Dabei spielten datenbasierte Entscheidungen eine zentrale Rolle: Wer seine Prozesse und Ressourcen in Echtzeit überblicke, könne deutlich schneller und präziser reagieren. Festo-Mann Riemensperger bringt ein Beispiel: „So ist es etwa bei KI-geführter Schraubtechnik möglich, auf bestimmte Fehlerbilder zurück zu schließen. Fehlerquellen können viel schneller lokalisiert und eliminiert werden.“


„Eine solide Planung ist unter der aktuellen geopolitischen Lage kaum möglich. Was immer hilft, ist die Prozesse weiter zu optimieren und vor allem diese zu flexibilisieren", sagt Ralf Riemensperger, Festo SE & Co. KG, Abteilung PF-SIT, Leitung Technologies, Invest and Sustainability.
Verbindung aus technischer Exzellenz und menschlicher Kompetenz
Wie also sorgen mobile Roboter, digitale Zwillinge und KI-Assistenz für flexible und effiziente Montagesysteme der Zukunft? Eine Antwort auf diese Frage hat Daub: „Ein vielversprechender Ansatz liegt in der Entwicklung modularer Montagesysteme mit mobilen Robotern, digitalen Zwillingen und flexiblen Endeffektor-Technologien. Diese Systeme lassen sich schnell rekonfigurieren und ermöglichen damit eine hohe Anpassungsfähigkeit. Ergänzend sorgen KI-basierte Assistenzsysteme für vorausschauende Prozesssteuerung und Qualitätssicherung.“ Besonders wichtig für Daub ist dabei die enge Zusammenarbeit von Mensch und Maschine – zum Beispiel durch kollaborative Robotik und intuitive Schnittstellen.
„Nur so gelingt die Verbindung aus technischer Exzellenz und menschlicher Kompetenz.“ Überhaupt: Welche Rolle wird der Mensch in der Montage der Zukunft spielen? Für Treitz bleibt der Mensch trotz technologischer Entwicklungen ein zentraler Bestandteil der Montage: „Konzepte wie Gruppenarbeit, Arbeitsplatzrotation und eine hohe Flexibilität und Kompetenz der Mitarbeitenden gewinnen an Bedeutung. Gleichzeitig wird der Einsatz von flexibler Automatisierung, kollaborativen Robotersystemen und Künstlicher Intelligenz weiter zunehmen, um insbesondere dem Fachkräftemangel zu begegnen und Produktionsprozesse zukunftsfähig zu gestalten.“ Die Digitalisierung in der Produktion spiele eine wesentliche Rolle in der Unterstützung der Mitarbeitenden, um durch Transparenz richtig zu priorisieren, schnell Ursachen für Verluste im Wertstrom zu identifizieren und aktiv Prozesse zu steuern und zu vereinfachen.
Das sieht auch Riemensperger so: „Menschen bleiben nach wir vor zentraler Bestandteil in einer modernen Fertigung, sei es zum Aussteuern des Systems oder als noch flexiblere Varianten der Montage in Richtung Chaku-Chaku. Aus unserer Perspektive liegt derzeit der Schwerpunkt im Mix von Mitarbeitern und Teilautomatisierung. Das ist darin begründet, das so eine sehr hohe Flexibilität bei maximaler Ausbringung und moderaten Investkosten gegeben ist.“
Chaku-Chaku
Das japanische Wort ‚Chaku‘ kann mit ‚laden‘ oder ‚einsetzen‘ übersetzt werden. Als Chaku-Chaku-Prinzip bezeichnet man eine Version der Fließfertigung oder Reihenproduktion. Dabei sind alle Arbeitsplätze, die zur Fertigung eines Produktes benötigt werden, dicht beieinander und mit kurzen Wegen angeordnet, meist U-förmig. Der Werker übernimmt den Transport von Station zu Station. Das Chaku-Chaku-Prinzip ermöglicht die Mehrmaschinenbedienung. Die Bewegungen des Maschinenbedieners sind standardisiert und die Maschinen in der Zelle werfen die Produkte nach dem Bearbeitungsprozess selbstständig aus, meist mit einfachen LCIA-Mechanismen (Low Cost Intelligent Automation). Dem Mitarbeiter obliegt es nur, die Maschine mit dem Werkstück zu beladen. Neben dem gleichmäßigen und sicheren Arbeiten mit verbesserter Ergonomie erhöht sich die Mitarbeiterproduktivität. Chaku-Chaku wird oft mit Poka Yoke - Methode zur Fehlervermeidung und Fehlererkennung in Produktionsprozessen - kombiniert, um die Prozesszuverlässigkeit sicherzustellen. Das Chaku-Chaku-Prinzip ist ein One-Piece-Flow mit verstärkt technischer Ausprägung.
Quelle: CETPM GmbH, Institut an der Hochschule Ansbach
Automatisierung ersetzt den Menschen nicht
Nach Ansicht der Experten bleibt der Mensch trotz aller Automatisierung unersetzbar. Seine Aufgaben verändern sich allerdings dramatisch: vom reinen Montieren hin zum aktiven Steuern, Überwachen und Optimieren der Produktionssysteme. Neue Konzepte wie Chaku-Chaku-Montage, Arbeitsplatzrotation und Kompetenzentwicklung setzen auf die Flexibilität und Kreativität der Belegschaft.
Smarte Assistenzsysteme unterstützen und entlasten gleichzeitig – eine Symbiose, die Effizienz steigert und Arbeitszufriedenheit erhöht, dazu Daub: „Die Mitarbeitenden bleiben auch in einer zunehmend automatisierten Montage unverzichtbar. Ihre Rolle verändert sich – weg vom rein manuellen Tätigen hin zur überwachenden, steuernden und gestaltenden Funktion. Neue Technologien eröffnen hier große Chancen: Durch intuitive Benutzeroberflächen, kollaborative Robotik und Assistenzsysteme können Beschäftigte entlastet und gleichzeitig befähigt werden. Automatisierung ersetzt den Menschen nicht, sondern schafft neue, wertschöpfende Aufgabenfelder. Dafür braucht es gezielte Weiterbildung und eine aktive Gestaltung des technologischen Wandels.“
Montage der Zukunft: Smart, schnell, flexibel
Die Montage der Zukunft ist modular, flexibel, intelligent und resilient. KI und Machine Learning optimieren Abläufe, während modulare Architekturen schnelle Anpassungen ermöglichen. Dabei bleibt die Mensch-Maschine-Interaktion im Fokus. Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer IGCV und die TUM entwickeln bereits heute adaptive Montagezellen, resiliente Produktionsarchitekturen und digitale Zwillinge. Das Ziel: eine lernfähige, krisenfeste Montage, die Effizienz, Nachhaltigkeit und menschliche Stärken miteinander verbindet.
Für Daub sind genau smarte Technologien der Schlüssel zur Wandlungs- und Lernfähigkeit einer Montage der Zukunft: „Diese Technologien liefern kontinuierlich Daten vom Shopfloor, ermöglichen Transparenz und bilden die Basis für Selbstoptimierung. Sensorik, vernetzte Systeme und KI helfen dabei, Prozesse dynamisch anzupassen. Besonders relevant sind hier modulare Robotersysteme, Low-Code-Ansätze zur schnellen Steuerung und Plug-and-Produce-Technologien, die eine unkomplizierte Integration neuer Komponenten ermöglichen – ganz ohne aufwendige Umprogrammierungen.“
Deutscher Montagekongress

Deutschland ist einer der größten Maschinenproduzenten der Welt. Die Montage als bedeutende Wertschöpfungsstufe am Ende der Produktherstellung ist den gestiegenen Anforderungen an Vielfalt, Dynamik und Agilität bzw. Effizienz und Kostenführerschaft ausgesetzt und gilt als der Faktor für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und für die Sicherung des Produktionsstandorts.
Der 35. Deutsche Montagekongress findet am 27. und 28. Mai 2025 in München statt.
KI-Boost für die Montage von morgen
Wie KI und Machine Learning Montageprozesse optimieren, Effizienz heben und Wissen im Zeitalter des Fachkräftemangels sichern, erläutert Experte Daub: „KI und Machine Learning transformieren die Montage grundlegend – und das im positiven Sinne. Durch datengetriebene Entscheidungen können Prozesse adaptiv gesteuert, Ressourcen effizienter eingesetzt und Fehler frühzeitig erkannt werden. Beispiele sind intelligente Planungsalgorithmen, vorausschauende Wartung oder KI-gestützte Qualitätssicherung. Auch der Einsatz von KI-basierten Assistenzsystemen für Mitarbeitende zeigt großes Potenzial: Sie unterstützen bei komplexen Aufgaben und helfen dabei, Wissen schnell zu vermitteln – ein echter Vorteil angesichts des Fachkräftemangels.“