Instandhaltung neu gedacht: Bloß keine Angst vor KI und Digitalisierung in der Zustandsüberwachung. Die Installation von Sensorik sowie die Auswertung deren Daten ist viel einfacher als gedacht.

Instandhaltung neu gedacht: Bloß keine Angst vor KI und Digitalisierung in der Zustandsüberwachung. Die Installation von Sensorik sowie die Auswertung deren Daten ist viel einfacher als gedacht. (Bild: Schaeffler)

Maschinenstillstände kosten Nerven, Zeit und bares Geld – doch der wahre Gamechanger für die Instandhaltung liegt nicht in der nächsten Hightech-Innovation, sondern in einer simplen Frage: Wie werden Lösungen endlich so einfach, dass sie im Alltag wirklich genutzt werden? Genau hier setzt Schaeffler mit 'Lifetime Solutions' an – und stellt den Menschen ins Zentrum einer Lösung, die nicht weniger verspricht als das Ende der Angst vor dem nächsten ungeplanten Ausfall.

Dazu weiß Philipp Jussen, Managing Director Schaeffler Monitoring Services GmbH, Spannendes zu berichten: "Die Zukunft der Instandhaltung entscheidet sich nicht an der Technologie, sondern am Menschen. Seit dreieinhalb Jahren trägt der strategische Geschäftsbereich bei Schaeffler den Namen Lifetime Solutions. Dahinter verbirgt sich ein Ansatz zur Produktivitätssteigerung von Maschinen – insbesondere dort, wo Wälzlager im Einsatz sind". Jussen weiter: „Life Time Solutions beschäftigt sich mit allem, was Maschinen, in denen Wälzlager verbaut sind, produktiver macht.“

1000-fache Skalierung in fünf Jahren

Schaeffler betreibt seit jeher Condition Monitoring. „Seitdem es uns gibt, machen wir nichts anderes als Zustandsüberwachung“, erklärt Jussen. Doch erst ein neuer Ansatz habe in den letzten fünf Jahren einen massiven Skalierungsschub ermöglicht: Die Zahl der überwachten Maschinen sei mit dem Faktor 1000 multipliziert worden. „Wir haben heute Daten von tausendmal mehr Maschinen zum Training von AI und Analytik als vor fünf Jahren.“

Er nennt das einen typischen Tipping Point: Jahrzehntelange Erfahrung trifft auf den richtigen Moment für exponentielles Wachstum. Entscheidend sei dabei nicht allein die technische Möglichkeit, sondern die Fähigkeit, eine Lösung zu schaffen, die breit einsetzbar und für Menschen zugänglich ist.

Warum die exakte Schadensvorhersage Unsinn ist

Ein häufiger Irrglaube sei laut Jussen die Vorstellung, man könne den genauen Zeitpunkt eines Wälzlagerschadens zuverlässig vorhersagen. „Ich glaube, dass zumindest in Bezug auf Wälzlager die genaue Vorhersage des Ausfalls ein bisschen Quatsch ist“, sagt er unverblümt. Weder sei es technisch möglich noch in der Praxis sinnvoll.

Jussen erläutert, dass es vielmehr darum gehe, eine Anwendung zu schaffen, die tatsächlich in die tägliche Arbeit integriert werde. „Die Anwendung macht den Unterschied. Unser Ziel ist es, etwas zu bauen, das Menschen wirklich benutzen – und zwar tagtäglich.“ Dabei denke man bei Schaeffler besonders an die Instandhalter. Ihre Bedürfnisse stünden im Zentrum, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern sei die eigentliche Mission von Life Time Solutions.

KI in der Produktion: Potenziale und Realität

Auch wenn KI derzeit als Allheilmittel gilt – ihre sinnvolle Anwendung ist selektiv. „In der Produktion funktioniert KI häufig gut, wenn es darum geht, Prozesse zu optimieren – zum Beispiel hinsichtlich Produktqualität oder Produktivität“, sagt Jussen. Die Verbesserung des Produktionsprozesses funktioniere gut, doch beim Thema Predictive Maintenance sei die Realität eine andere, „denn was um einem Faktor 3 deutlich seltener passiert, ist die tatsächliche Vorhersage von Maschinenausfällen“, beschreibt Jussen.

Selbst bei den besten Unternehmen sei die datenbasierte Vorhersage von Ausfällen nicht der Standard. Dabei gäbe es enormes Potenzial: Allein im Bereich einfacher Applikationen wie Elektromotoren, die Pumpen oder Lüfter antreiben, existiere weltweit schätzungsweise eine Milliarde unüberwachter Maschinen.

  (Bild: Dietmar Poll)

Philipp Jussen, Managing Director Schaeffler Monitoring Services GmbH, sprach auf dem Kongress 'Digitale Fabrik' über Life Time Solutions, Zustandsüberwachung und die Zukunft von Instandhaltung mit KI. Wer sonst noch Vorträge gehalten hat, erfahren Sie hier.

Ein Blick in die Praxis: Papierwerke und Fettprobleme

Jussen wirft einen Blick in ein typisches Werk eines Kunden – zum Beispiel ein Papierwerk. Dort gebe es jährlich 50 bis 100 ungeplante Stillstände, die zu erheblichen Produktionsverlusten führten – „nämlich etwa dreimal größer als das, was man sich eigentlich als Ziel gesetzt hatte.“

Ein weiteres Problem sei die Zuverlässigkeit von Wälzlagern im Zusammenhang mit Schmierung. „Da ist Fett ein großes Thema“, erklärt Jussen. Der Schmierstoffverbrauch sei oft deutlich zu hoch, und es mangele an einem Systemverständnis für die Schmierung. Gerade für Instandhalter liege der Nutzen einer permanenten Zustandsüberwachung auf der Hand. Die entscheidende Frage laute aber: Was kostet das – und was muss ich dafür tun?

Optime: Die radikale Antwort für die Instandhaltung

Mit der Lösung Optime gebe Schaeffler eine praxisnahe Antwort auf diese Herausforderungen. Jussen berichtet, dass man gezielt Anwender befragt habe, warum bestehende Technologien nicht genutzt würden. Die häufigsten Antworten: „Es muss viel schneller zu installieren sein. Es darf keine Kabel haben. Es darf kein Training erfordern. Und es darf kein IT-Projekt werden.“

Die Instandhalter hätten weder Zeit noch Lust, sich durch komplexe IT-Integrationen zu kämpfen oder formelle Investitionsanträge zu stellen. „Die haben die Aufgabe, ihre Maschinen am Laufen zu halten – nicht, Sensoren zu konfigurieren.“ Auch Netzwerkintegration oder Projektplanung seien in der Praxis hinderlich.

Doch es gehe nicht nur um die Installation. In modernen Werken seien heute hunderte bis tausende Sensoren verbaut. Diese erzeugen Daten – und diese müssen interpretiert werden. Die klassische Methode, bei der ein Vibrationsanalyst manuell Daten auswertet, sei nicht mehr skalierbar. „Es gibt nicht mehr genug Analysten, um diese Daten manuell zu interpretieren. Das ist ein Riesenproblem“, sagt Jussen.

Usability schlägt Korrektheit

Deshalb setzt Schaeffler mit Optime auf eine vollständig automatisierte Lösung. „Die Installation dauert pro Sensor weniger als drei Minuten – ganz ohne vorheriges Training“, betont Jussen. Alle weiteren Schritte liefen automatisch: Die Daten werden übertragen, analysiert und führen zu Alarmen – ohne manuelles Zutun.

„Wir haben keinen einzigen dokumentierten Fall, in dem sich der Aufwand nicht innerhalb von zehn Monaten amortisiert hat“, berichtet Jussen. Meist sei der ROI nach zwei bis vier Monaten erreicht – bei optimalen Bedingungen sogar bereits in der ersten Woche.

Smarte Schmierung und Remote-Zugriff: Der erweiterte Nutzen

Zusätzlich zur Zustandsüberwachung ließe sich auch das Thema smarte Schmierung integrieren. Beide Systeme arbeiteten logisch zusammen und erhöhten den Nutzen für den Anwender. Die Kombination aus schneller Installation und Fernzugriff sei der zentrale Wert. So könne man Maschinen zuverlässig aus der Ferne im Blick behalten – ohne ständigen physischen Eingriff.

Dabei gelte: Usability schlägt Korrektheit. Jussen bringt es auf den Punkt: „Es muss nicht die beste Analytik sein – sie muss gut genug sein, um in der Masse genutzt zu werden.“ Entscheidend sei, dass viele Menschen die Lösung so einfach wie möglich einsetzen können.

Aktuelle Meldungen aus der Industrie

Energiekrise, Lieferengpässe, Fachkräftemangel: Die Industrie steht vor vielen Herausforderungen. Alle Meldungen aus Maschinenbau und Co finden Sie in unserem News-Blog. Hier klicken!

KI als Skalierungsbeschleuniger – aber nicht als Startpunkt

„Machine Learning und KI lösen nicht jedes Problem – jedenfalls nicht am Anfang“, räumt Jussen ein. Aber: „Ohne KI wird man keine skalierbare Lösung bauen können.“ Skalierbarkeit bedeute nämlich, dass man gute Analysen mit möglichst wenig Input liefern könne – denn Input sei teuer. Genau deshalb sei KI das geeignete Werkzeug für skalierbare Instandhaltungslösungen.

Wirklicher Nutzen: Produktionszeit statt Stillstand

Die größte Einsparung für Schaeffler-Kunden liege nicht etwa in geringeren Wartungskosten, sondern in der vermiedenen Downtime. „In 95 Prozent der Fälle liegt der größte Hebel darin, dass Maschinen länger produzieren – ohne ungeplanten Stillstand“, so Jussen. In Einzelfällen spiele auch Sicherheit eine Rolle, doch meist gehe es schlicht darum, Stunden oder gar Tage an Produktionszeit zu gewinnen.

Und was gefällt den Instandhaltern besonders? „Die sagen oft, dass sie jetzt viel weniger Angst davor haben, dass kurz vor dem Einschlafen das Handy klingelt und ein Stillstand gemeldet wird“, erzählt Jussen. „Diese Angst, plötzlich einspringen zu müssen – die ist weg. Jedenfalls nicht mehr ohne Vorankündigung.“

Ausblick: Von Vorhersage zu kollektiver Intelligenz

Jussen wagt einen Blick in die Zukunft: „Ich habe am Anfang gesagt, dass die exakte Vorhersage von Maschinenausfällen Nonsens ist. Das bleibt auch so – zumindest, wenn man es skalieren will.“ Schaeffler habe ein Experiment durchgeführt mit 40 bis 50 identischen Wälzlagern, die gleich belastet wurden. Das Ergebnis: Der Zeitpunkt des Ausfalls variierte extrem – selbst nach Ende der rechnerischen Restlebensdauer.

„Da kommt man auf eine sehr lange Zeitspanne – im schlechtesten Fall genauso lang wie die gesamte Lebenszeit davor.“ Für ihn ist klar: Modelle zu trainieren, die genau diesen Punkt vorhersagen, sei nicht zielführend.

Wissen, was die Industrie bewegt!

Newsletter-Produktion

Alles zu Industrie 4.0, Smart Manufacturing und die ganze Welt der Technik.

Newsletter gratis bestellen!

Außerdem interessiere diese Information viele Instandhalter gar nicht. „Wer fährt denn sein Wälzlager wirklich bis fünf Minuten vor dem Crash? Das ist doch gar nicht die Information, die gebraucht wird.“ Vielmehr gehe es um Hinweise auf Wartungsfenster. „Ich glaube, das, was den größten Wert hat, ist etwas Ähnliches wie bei Amazon: ‚Andere kauften auch‘. Wenn ich sagen kann: Andere mit ähnlicher Maschine, ähnlichem Kontext, haben ungefähr dann eine Wartung gemacht – dann ist das der eigentliche Hebel.“ Das, so Jussen, sei die eigentliche Hilfe für Instandhalter – und die Zukunft der Zustandsüberwachung.

Sie möchten gerne weiterlesen?