Industrielle KI braucht Struktur

KI in der Industrie: Eine Plattform für alles

Künstliche Intelligenz verändert die Produktion – doch wer ihre Potenziale wirklich nutzen will, braucht mehr als starke Algorithmen: Es braucht eine IT-Architektur, die alle Ebenen der Fertigung intelligent verbindet.

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Künstliche Intelligenz ist längst mehr als ein Trend. In der Industrie gilt sie als entscheidender Faktor für Effizienz, Innovation und Nachhaltigkeit.

Künstliche Intelligenz kann die Produktion revolutionieren, doch so vielfältig die Einsatzmöglichkeiten auch sind, so unterschiedlich sind auch die IT-Anforderungen der Use Cases. Dennoch ist der Aufbau einer einheitlichen Plattform unabdingbar, um Ressourcen optimal zu nutzen, die Skalierung zu erleichtern und hohe Kosten zu vermeiden.

Dass Künstliche Intelligenz eine Schlüsseltechnologie für die Industrie darstellt, ist in der Branche unumstritten. Immerhin 82 Prozent der Unternehmen stimmten in einer Bitkom-Umfrage der Aussage zu, KI sei für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie entscheidend. Das liegt unter anderem daran, dass die Technologie äußerst vielseitig ist und in den unterschiedlichsten Bereichen einer Produktion zum Einsatz kommen kann. Allerdings stellen die verschiedenen Use Cases und KI-Anwendungen sehr unterschiedliche Anforderungen an die IT – je nachdem, welche Datenmengen anfallen, wo sie verarbeitet werden müssen und wie viel Rechenleistung dafür benötigt wird. 

Unternehmen laufen daher leicht Gefahr, Infrastrukturen und Plattformen auf die einzelnen Anwendungsfälle zuzuschneiden und auf diese Weise viele Insellösungen zu schaffen, die sich nur schwer verwalten lassen und schlecht skalieren – und so letztlich hohe Kosten verursachen.

Dr. Stefan Muthmann ist Field CTO Manufacturing bei Dell Technologies in Deutschland.

Besser ist es, eine ganzheitliche IT-Plattform aufzubauen, die als Basis für alle Use Cases dienen kann – aktuelle wie auch künftige. Der Begriff „Plattform“ steht in diesem Zusammenhang für eine einheitliche, skalierbare IT-Architektur, die sich im Detail von Anwendung zu Anwendung unterscheiden kann. Ihre wesentlichen Eigenschaften sind:

  • Ein zentrales, einheitliches Management, um den Betrieb langfristig gewährleisten zu können.
  • Durchgängige Sicherheitsmechanismen, die dem Zero-Trust-Ansatz folgen, um das Risiko in der vernetzten Produktion zu minimieren.
  • Skalierbarkeit, um sowohl mehrere Anwendungen an einer Stelle betreiben als auch Rechenleistung und Speicherkapazität für einzelne Edge-Anwendungen erhöhen oder verringern zu können.
  • Herstellerunabhängigkeit, um flexibel auf Neuerungen in der KI-Entwicklung reagieren zu können.

Eine solche Plattform erlaubt es, die verfügbaren IT-Ressourcen besser zu nutzen, neue Anwendungsfälle schneller umzusetzen und die Kosten überschaubar zu halten. Dafür muss sie in der Lage sein, die richtigen Daten zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu verarbeiten und an jedem Ort die benötige Rechenleistung anzubieten. Damit macht sie Industrieunternehmen agiler und innovationsfähiger.

Diese drei Klassen industrieller KI gibt es

Die meisten KI-Anwendungsfälle in der Industrie lassen aufgrund ihrer spezifischen Anforderungen einer der drei folgenden Kategorien zuordnen:

KI für das Erkennen von Trends: Hierzu zählen KI-Systeme zur Optimierung des Energieverbrauchs, zur Verbesserung des Produktionsflusses und für Predictive Maintenance. Sie alle sind auf hochwertige Daten angewiesen, die üblicherweise aus verschiedenen Quellen stammen. Die Daten müssen standardisiert und an zentraler Stelle zusammengeführt werden, um sie in den richtigen zeitlichen Zusammenhang zu bringen und eine einheitliche Sicht zu erhalten. 

Da es um längerfristige Entwicklungen geht, sind keine Entscheidungen binnen weniger Millisekunden notwendig, sodass keine hohe Rechenleistung vor Ort benötigt wird. Für die IT-Architektur bedeutet das eine zentrale Datenspeicherung in einer Private oder Public Cloud – je nach Compliance-Anforderungen. In dieser Cloud können dann auch das Training der KI-Modelle und das KI-Inferencing – sprich: die Analyse der Daten und das Treffen von Entscheidungen – stattfinden.

KI für Entscheidungen in Echtzeit: Hierzu zählen KI-Systeme für die Echtzeitüberwachung von Maschinen, zur Optimierung von Prozessparametern und für Bildauswertungen in der Qualitätskontrolle. Diesen Use Cases ist gemein, dass sie große Datenmengen erfordern, die jedoch relativ schnell an Wert verlieren. Daher müssen auch nicht alle Daten dauerhaft aufbewahrt werden. Bei der Verarbeitung von Bildern in der Qualitätskontrolle beispielsweise ist es meist nicht notwendig, die Aufnahmen von Produkten oder Teilen, die in Ordnung sind, lange vorzuhalten – manchmal genügen etwa die Aufnahmen fehlerhafter Produktionsergebnisse. 

Da die Echtzeit-Entscheidungen kritisch sind und sich direkt auf Produktionsprozesse auswirken, dürfen sie zudem nicht von externen Verbindungen abhängen. Notwendig sind daher IT-Architekturen, die Daten dezentral speichern und Entscheidungen direkt an der Produktionsstätte treffen. Das Training der KI-Modelle kann hingegen in der Cloud erfolgen.

Agentic oder Physical AI: Diese Kategorie von KI-Anwendungen ist noch relativ neu, gewinnt aber schnell an Bedeutung. Sie umfasst selbstfahrende Transportfahrzeuge, Roboter, die ihre Umgebung wahrnehmen, sowie industrielle Co-Piloten. Diese führen selbstständig Fehlerdiagnosen durch, unterstützen beim Troubleshooting an Maschinen und kommunizieren mit Technikern in natürlicher Sprache. 

Die eingesetzten KI-Modelle müssen flexibel sein und sich anpassen lassen – etwa, wenn ein Roboter neue Bauteile erkennen soll oder der Co-Pilot Anfragen zu einer neuen Produktionslinie beantworten muss. Die Anpassung erfolgt in der Regel mit großen Mengen synthetisch generierter Daten oder durch Einbinden zusätzlicher Dokumentationen. Da die KI ihre Entscheidungen schnell treffen muss, ist sie auf eine hohe Rechenleistung nah an den Maschinen oder sogar direkt in den Maschinen angewiesen. 

Das Training und die Anpassung der neuronalen Netze und großen Sprachmodelle, die häufig für den Shopfloor optimiert sind, erfolgt jedoch in der Cloud. Für die IT-Architektur heißt das, dass sie eine zentrale sowie dezentrale Datenspeicherung und Datenverarbeitung unterstützen muss.

Ein mehrstufiger Architekturansatz

Viele Unternehmen haben bereits erste Use Cases umgesetzt und wollen KI nun auf breiter Front ausrollen. Eine ganzheitliche Plattform, die das erleichtert und alle IT-Anforderungen abdeckt, muss einen mehrstufigen Ansatz verfolgen, der sich vom Shopfloor über eine zentrale Daten- und KI-Ebene bis in die Cloud erstreckt.

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Auf der untersten Ebene, dem Shopfloor, sind die dezentralen IT-Systeme über Konnektoren mit den Maschinen und den maschinellen Steuersystemen verbunden. Auf dieser Ebene sammelt die Plattform die anfallenden Daten und unterstützt eine schnelle und einfache Bereitstellung der KI-Anwendungen, die die Daten in Echtzeit auswerten. 

Dabei muss sie ein hohes Security-Niveau bieten, das auch eine robuste physikalische Sicherheit umfasst. Schließlich befinden sich die IT-Systeme nicht wie im Rechenzentrum in einem abgeschlossenen Raum, sondern sind auf dem Shopfloor relativ leicht zugänglich.

Die mittlere Ebene übernimmt die zentrale Speicherung und Auswertungen der Fabrikdaten. Die IT-Systeme befinden sich in einem Server-Raum vor Ort oder in einem Rechenzentrum in der Nähe, sodass lokale Datenspeicher und Rechenkapazitäten verfügbar sind, die gut skalieren. Auf den Systemen werden Daten konsolidiert, visualisiert und bereitgestellt und produktionsnahe Workloads wie Datenbanksysteme, das Manufacturing Execution System (MES) oder ein Asset-Management ausgeführt. 

Zudem lassen sich auf den Systemen auch KI-Entscheidungen treffen, die wichtig, aber nicht so zeitkritisch sind, dass sie direkt an oder auf der Maschine getroffen werden müssen. Gibt es KI-Modelle, die aus Compliance-Gründen die Fabrik nicht verlassen dürfen, können diese ebenfalls auf dieser Ebene trainiert werden.

Die oberste Ebene schließlich ist die Cloud – je nach Anforderungen eine Private oder Public Cloud. Sie liefert Speicherplatz und Rechenleistung für das zentrale Training von KI-Modellen, die Generierung synthetischer Daten sowie Datenvisualisierungen. Außerdem fließen in der Cloud die Produktionsdaten mit Geschäftsdaten – zum Beispiel aus ERP-Systemen – zusammen und werden verknüpft.

Alle drei Ebenen sind miteinander verbunden, sodass ein kontinuierlicher Datenfluss gewährleistet ist und Feedback aus der Cloud auch auf dem Shopfloor ankommt. Zudem lassen sich alle Daten und Workloads einheitlich verwalten und flexibel migrieren, sodass etwa die Modelle der Physical AI in der Cloud initial trainiert und angepasst, aber auf dem Shopfloor produktiv eingesetzt werden können.

Bedienbarkeit und Skalierbarkeit

Bauen Unternehmen eine solche ganzheitliche IT-Plattform auf, sollten sie auf hohe Sicherheit auf Basis von Zero Trust und einfache Skalierbarkeit achten, sodass sie klein einsteigen und die Infrastruktur bei Bedarf schnell erweitern können. Da sich die verfügbaren KI-Anwendungen aktuell enorm schnell weiterentwickeln, ist es wichtig, die Plattform so herstellerunabhängig wie möglich aufzubauen.

Der Einsatz von Industriestandards und die Vermeidung von proprietären Lösungen ermöglicht die erforderliche Flexibilität. Kombiniert man diesen Ansatz mit Open-Source-Lösungen, wird die schnelle Anpassung an neue Technologien in der Zukunft stark vereinfacht.

Insbesondere auf dem Shopfloor ist zudem die Bedienbarkeit der Systeme ein kritischer Faktor, da dort häufig kein spezialisiertes IT-Personal verfügbar ist. Wird ein Zero Touch Provisioning unterstützt, können Mitarbeiter aus dem OT-Bereich die Systeme anschließen – ihre Konfiguration und Anwendungen laden sie sich dann automatisch herunter. 

Konfigurationsänderungen, Software-Updates und die Verteilung neuer KI-Tools plant das IT-Team zentral und rollt sie dann automatisiert aus. Auf diese Weise hilft eine ganzheitliche IT-Plattform für industrielle KI auch, die Konvergenz von IT und OT voranzutreiben.

FAQ: Künstliche Intelligenz in der industriellen Produktion

1. Warum ist eine einheitliche Plattform für KI-Anwendungen in der Industrie notwendig?

Eine einheitliche Plattform vermeidet Insellösungen, die schwer zu verwalten sind und hohe Kosten verursachen. Sie ermöglicht die effiziente Nutzung von IT-Ressourcen, erleichtert die Skalierung neuer Anwendungen und schafft eine sichere, zentrale Architektur für alle aktuellen und zukünftigen KI-Use-Cases.

2. Welche Anforderungen muss eine industrielle KI-Plattform erfüllen?

Die Plattform muss ein zentrales Management, durchgängige Zero-Trust-Sicherheitsmechanismen, hohe Skalierbarkeit sowie Herstellerunabhängigkeit bieten. Sie muss zudem in der Lage sein, Daten zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu verarbeiten – sowohl zentral in der Cloud als auch dezentral am Shopfloor.

3. Welche drei Klassen von KI-Anwendungen gibt es in der Industrie?

  • Trendbasierte KI: Dient der Optimierung über längere Zeiträume, z. B. für Energieverbrauch oder Predictive Maintenance.
  • Echtzeit-KI: Reagiert sofort auf Ereignisse, z. B. bei der Qualitätskontrolle durch Bildverarbeitung.
  • Agentic/Physical AI: Bezieht sich auf autonome Systeme wie Roboter oder Co-Piloten, die flexibel agieren und Entscheidungen vor Ort treffen.

4. Wie sollte die IT-Architektur einer KI-Plattform aufgebaut sein?

Sie sollte mehrstufig sein:

  • Auf dem Shopfloor findet die dezentrale Datenverarbeitung in Echtzeit statt.
  • Die mittlere Ebene speichert und analysiert lokal konsolidierte Produktionsdaten.
  • Die Cloud dient der zentralen Analyse, dem Training von Modellen und der Verbindung mit Geschäftsdaten.

5. Welche Vorteile bietet eine herstellerunabhängige und offene Plattform?

Eine herstellerunabhängige Plattform schützt vor Lock-in-Effekten, bietet Flexibilität bei der Integration neuer Technologien und unterstützt eine schnelle Anpassung an die dynamische Entwicklung von KI-Lösungen – vor allem in Kombination mit Open-Source-Ansätzen.