Die digitale Transformation wirkt sich zunehmend auf das Speditionsgewerbe aus, wie eine Studie zum Thema Digitalisierung des Beratungsunternehmens Camelot aussagt. Darin heißt es, dass „die zunehmende Automatisierung von Produktionsprozessen das Geschäftsmodell des Outsourcings in Richtung Niedriglohnländer infrage stellt, was den Spediteuren in den vergangenen 25 Jahren enorme Zuwächse verschafft hat. Den Logistikdienstleistern, sofern sie zu reinen Frachtführern degradiert werden, droht somit ein noch schärferer und letztlich für die Spediteure in Westeuropa desaströser Lohnwettbewerb“. Doch wie sieht das Speditionsgewerbe diese Thematik?
Logistische Dienstleistung hochgradig komplex
Dazu Andreas Froschmayer, Corporate Director Corporate Development, Strategy & Public Relations bei der Dachser SE: „Die Digitalisierung wird auch die Logistikbranche verändern, nicht aber in dem dramatischen Maße wie beschrieben. Der Wertbeitrag, den wir als Logistikdienstleister unseren Kunden aus Produktion und Handel bieten, liegt längst nicht mehr allein im simplen und möglichst günstigen Transport von A nach B.“ Die logistische Dienstleistung sei hochgradig komplex geworden, nur so seien durchgetaktete, internationale Supply Chains mit hohem Qualitätsanspruch möglich.
„Man braucht insbesondere qualifizierte Mitarbeiter, aber auch Prozess-Know-how, getaktete Transport- und Logistiknetze, integrierte IT-Systeme und entsprechende Daten, wenn man nicht nur Angebote abgeben, sondern auch Supply Chains planen und ausführen und die Qualität der Leistung messen und überwachen will“, führt Froschmayer aus.
Seitens DHL lautet die Reaktion wie folgt: „Einfache sowie vor- oder nachgelagerte Arbeitsschritte bei Transportaufträgen lassen sich vielleicht weiter automatisieren beziehungsweise digitalisieren, bei komplexen Kundenanforderungen wird es aber auch weiterhin auf spezielles Know-how und meist langjährige Erfahrung der Speditionskaufleute ankommen. Neue IT-Systeme und Geschäftsideen sowie -modelle können dabei unterstützen“, erklärt Torsten Vogt, Vice President Digital Transformation/BPM von DHL Freight.
Die Schenker Deutschland AG teilt mit, dass „eine Spedition, die sich dem technischen Fortschritt verweigert, abgehängt wird. Wir sehen die jüngsten Entwicklungen nicht allein als Bedrohung, sondern eben auch als Chance. Kooperationen in den Bereichen Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle können alle Verkehrsträger beflügeln.“
Die Studie besagt weiter, dass „Transporteure ihre Kapazitäten mit geringem Aufwand auf Online-Plattformen anbieten und dabei die bisher üblichen Aufschläge der Spediteure drastisch reduzieren. Zudem werden die Betreiber der digitalen Vergabeplattformen mittelfristig Spediteure auch in der Organisation von Transportnetzwerken sowie der Optimierung von Touren frontal angreifen“.
Dazu wiederum meint Froschmayer, dass Dachser für die Anforderungen der Digitalisierung sehr gut gerüstet sei. „Zudem begreifen wir die Entwicklung als Chance für weiteres Wachstum. Unser Geschäftsmodell setzt viele Aspekte der Digitalisierung bereits heute um.“ So habe sich Dachser als Informationslogistiker aufgestellt, zum Beispiel mit der Online-Plattform ‚eLogistics‘. „Wir treiben zudem die Digitalisierung unserer Prozesse konsequent voran, um unser Kerngeschäft auszubauen“, erläutert Froschmayer.
DHL hat dazu Mitte Januar die neue digitale Frachtplattform "Saloodo!" (zuvor Cillox) gestartet, wie Elaine Tan, Chief Operations Officer Saloodo!, erklärt: „Der Online-Marktplatz bringt Versender gemäß ihrer Bedürfnisse mit von Saloodo! verifizierten Transportunternehmen zusammen. Unsere Frachtplattform unterstützt Speditionskaufleute und Verkehrsfachwirte, indem sie ihr Unternehmen über die Plattform direkt vermarkten und so noch rentabler machen können. Durch Saloodo! gewinnen sie neue Kunden hinzu und minimieren ihr eigenes Risiko, denn die Plattform garantiert unter anderem Zahlungssicherheit sowie eine deutlich früheres Zahlungsziel als in der Branche sonst üblich“, erläutert Tan. Letztendlich optimiere Saloodo! die Prozesse, wodurch Frachten schneller und einfacher verschickt werden könnten.
App für den Fahrer
„Ein Beispiel hierfür ist unsere Fahrer-App, die die Kommunikation und Dokumentation während des Transports für alle Parteien erleichtert“, so Tan.
DB Schenker setze voll auf die Digitalisierung in definierten Schlüsselbereichen wie zum Beispiel der Automatisierung, Autonomisierung oder Big Data. „Mit Cisco arbeiten wir im Rahmen einer Innovationspartnerschaft intensiv am Digitalen Warenlager – dem Lagerhaus der Zukunft“, so das Unternehmen. Im Hinblick auf neue Lösungen sei auch die strategische Partnerschaft mit U-Ship zu nennen. Hier könne Schenker über die Kooperation mit einem dieser Neuzugänge im Markt deren moderne Marktplatz-Technologie mit der Marke und dem Service von DB Schenker kombinieren.
Die Camelot-Studie besagt ferner: Sollen nicht schon bald ein Großteil der Speditionskaufleute, Verkehrsfachwirte und LKW-Fahrer in West- und Mitteleuropa ihre Daseinsberechtigung verlieren, stehen Spediteure vor der dringenden Herausforderung, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Dazu verweist Torsten Vogt auf die Standardservices im Stückgut- und Teil- und Komplettladungsbereich, in dem DHL integrierte Produkte wie zum Beispiel die Kombination von Straße und Schiene sowie auch spezielle Services wie Messe- und Eventlogistik, Lebensmittellogistik als auch Zollbüros in ganz Europa böte. „Für all die genannten Services und Lösungen sind eine spezielle Ausbildung und entsprechendes Know-how die wichtigste Voraussetzung, um 100 %ige Qualität sowohl im Standardsegment als auch bei den Special Services zu bieten. Dazu benötigen wir nach wie vor Mitarbeiter, die für die Kunden da sind, die deren Bedürfnisse kennen und die schnell eine Lösung finden, wenn es einmal nicht ganz rund läuft“, unterstreicht Vogt.
Video: Mercedes-Benz Future Truck 2025
Einsatz von Online-Plattformen als Chance
DHL Freight betrachte den Einsatz von und die Teilnahme an Online-Plattformen als Chance, zusätzliches Geschäft für Standardleistungen zu generieren, für die ein hoher personeller Aufwand nicht erforderlich sei.
Doch auch „Prozessoptimierung steht bei DHL Freight stets im Vordergrund. Dazu werden weiterhin Speditionskaufleute und Verkehrsfachwirte benötigt, die gelernt haben, Warenströme zu beurteilen und zu prognostizieren und dadurch in der Lage sind, unsere Abläufe erfolgreich zu koordinieren und weiter zu optimieren“, zeigt Vogt auf.
Arbeitsplätze von Fahrern seien besonders sicher, da Waren nach wie vor physisch transportiert werden müssen. „Um mehr und qualifiziertes Fahrpersonal zu gewinnen, bieten wir sogar verstärkt Ausbildungsplätze für Berufskraftfahrer an, gemeinsam mit den für uns tätigen Transportunternehmern“, schließt Vogt.