In allen Fertigungsbereichen und der Logistik leisten die Erkenntnisse aus intelligenten Datenanalysen einen wirksamen Beitrag zur Verbesserung der Qualität, so der Autobauer aus München. Datengetriebene Verbesserungen der Prozesse und Anlagen helfen, Durchlaufzeiten zu reduzieren und Kosten zu senken.
Neue Lösungen entstehen in einer standortübergreifenden, zentralen Planung; viele Impulse kommen aber auch aus dem internationalen Produktionsnetzwerk. So kann die BMW Group auf eine Vielzahl von Innovationen zurückgreifen, die zusätzliche Spielräume eröffnen, die Produktion noch flexibler zu gestalten, wie der OEM erklärt.
Für die schnelle und einfache Anbindung der Vielzahl von Sensor- und Prozessdaten aus Produktion und Logistik setzt das Unternehmen auf eine zugriffsgeschützte Intranet-of-Things-Plattform. Smart Data Analytics bietet daher völlig neue Chancen, die weit über bisherige Analysemöglichkeiten hinausgehen. Die Geschwindigkeit, mit der sich neue Lösungen umsetzen lassen, erhöht sich deutlich. Gleichzeitig verringern sich der technische Aufwand und die Umsetzungskosten dank neuer IoT-Sensorik und Cloud- sowie Big-Data-Technologien.
"Setzen neue Maßstäbe in unserem Produktionssystem"
Christian Patron, Leiter Innovationen und Digitalisierung im Produktionssystem, sagt: „Mit Smart Data Analytics setzen wir neue Maßstäbe in unserem Produktionssystem. Die Erfahrung unserer Mitarbeiter kombinieren wir mit den neuen Möglichkeiten, große Datenmengen effizient zu verarbeiten, um daraus präzise Prognosen abzuleiten und vorausschauend Prozesse zu optimieren. Dies beschleunigt die kontinuierliche Verbesserung des Produktionssystems nach den Grundprinzipien einer schlanken Produktion.“
Bis zu 40 Tonnen schwere und rund drei Kilometer lange Stahlrollen, so genannte Coils, werden im Presswerk zu Platinen zugeschnitten und anschließend zu Karosserieteilen umgeformt. Doch nicht an jeder Stelle des Coils sind Blechstärke, Blechfestigkeit, Beschaffenheit der Oberfläche oder der Grad der Beölung gleich.
Abweichungen vom Soll könnten bei besonders belasteten Karosserieteilen zu Rissen während des Umformens führen. Hier setzt eine Smart Data Analytics Anwendung im BMW Group Werk Regensburg an. Sie markiert jede Platine per Laser mit einem mehrstelligen Code, ihrer eigenen ID.
Künftig ermöglicht diese ID eine Feinjustierung der Pressen auf die Eigenschaften der Platine hin: Bei Bedarf könnte die ID einen Steuerbefehl enthalten, der in der Presse beispielsweise eine zusätzliche Beölung der Platine vor dem Umformen auslöst.
Zahl der Ausschussteile sinkt deutlich
Dank eindeutiger Markierung ist die Platine jederzeit identifizierbar. Jedem Karosserieteil sind somit Informationen zugeordnet, die über alle folgenden Fertigungsschritte hinweg verfügbar bleiben.
Für die Markierung bleibt die Platine in ihrer Fertigungsstraße, sie erhält ihre ID ohne jeglichen Taktzeitverlust. Die ID ist so gestaltet, dass sie im Karosseriebau sichtbar bleibt. Die Planungsspezialisten der BMW Group nutzen bereits die Weiterverfolgbarkeit aller Teile für die Optimierung mittels zusätzlicher Algorithmen.
Beispielsweise können durch die Berücksichtigung der gemessenen Eigenschaften jedes einzelnen Karosserieteils die Spaltmaße der fertigen Karosserie weiter optimiert, oder der Lackauftrag noch besser auf die Oberfläche der einzelnen Karosserie abgestimmt werden.
Schon heute zeigt die Feinjustierung der Pressenparameter auf die Eigenschaften der Platine hin deutlich Wirkung: Die Zahl der Ausschussteile sinkt deutlich, der Materialnutzungsgrad eines Coils steigt weiter. Für Fehleranalysen erforderliche Anlagenstillstände können reduziert werden.
Vorausschauende Instandhaltung von Robotern
Besonders großes Potential bieten Smart Data Analytics Anwendungen für die Erhöhung der Verfügbarkeit von Produktionsanlagen und -maschinen in den hochautomatisierten Fertigungsbereichen. Eine möglichst präzise Vorhersage, wann ein Ausfall droht, hilft ungeplante Anlagenstillstände weitgehend zu vermeiden, so BMW.
Auf Grundlage dieser Prognose können die Mitarbeiter der Instandhaltung einen Wartungseingriff gezielt planen, um dadurch Zeiten des Anlagenstillstands auf ein absolutes Minimum zu begrenzen. Diese sogenannte prädiktive Instandhaltung wird erst durch die intelligente Analyse einer großen Zahl realer Produktionsdaten, Sensordaten oder Prozessdaten möglich: Deren zielgerichtete Analyse erlaubt es, den optimalen Zeitpunkt für den Wechsel von Verschleißteilen in der Produktion zu bestimmen.
Erfolgt dieser Wechsel zu spät, könnte ein Produktionsstillstand drohen, erfolgt er zu früh, werden wertvolle Ressourcen verschwendet. Die früher übliche, rein vorbeugende Instandhaltung konnte sich mangels Datenbasis nicht am tatsächlichen Verschleiß orientieren. Diese Methode erforderte eine Art Sicherheitspolster für den Wechselzeitpunkt und konnte doch unerwartete Ausfälle nicht erkennen.
Fehler werden rechtzeitig erkannt
Datenbasierte Lösungen zur prädiktiven Instandhaltung kommen an verschiedenen Stellen im Karosseriebau zum Einsatz. Sie ermöglichen die Vorhersage von entstehendem Getriebe- oder Bremsverschleiß von Robotern. An den Schweißzangen signalisieren Sensoren rechtzeitig, wann Fehler oder Qualitätsprobleme auftreten würden.
Auch die Zuverlässigkeit elektrischer Antriebe verschiedenster Anlagen wie Lifts und Drehtische profitiert von einer engmaschigen Sensorüberwachung. Roboter und Steuerungstechnik sind von Haus aus mit der erforderlichen Sensorik ausgerüstet. Mitarbeiter der Instandhaltung ziehen aus diesen Daten Rückschlüsse zu Wartungsbedarfen. Bisherige Auswertungen zur prädiktiven Instandhaltung belegen klar ihren Nutzen für einen zuverlässigen Betrieb.
Auf dem Surcar-Kongress in Cannes erhielt die BMW Group den Prix de la Technique 2017 für ihr Konzept zur umfassenden Digitalisierung ihrer Lackiererei im neuen Werk San Luis Potosí. Dieses Werk wird 2019 die Serienproduktion aufnehmen. Bereits heute überwachen in den Lackierereien der BMW Group Sensoren permanent die automatisierten Fertigungsprozesse.
Intelligent vernetzte Systeme erhöhen die Stabilität in den Prozessabläufen, ermöglichen eine prädiktive (vorausschauende) Instandhaltung und sichern ein Höchstmaß an Qualität für unsere Kunden. Die Online Prozessregelung kombiniert die Stärken einer Algorithmen basierten Analyse großer Datenmengen mit der Erfahrung der Mitarbeiter: Der Mensch kann seine Rolle als Gestalter der Fertigungsprozesse noch besser ausfüllen, da die Technik reale Produktionsdaten sortiert und bestmöglich vorstrukturiert. Fehlerpotenziale können rechtzeitig erkannt und Nacharbeit vermieden werden.
Seit Mai 2017 setzt die BMW Group erstmalig eine vollautomatisierte Qualitätskontrolle im Werk München ein. Roboter scannen dabei die komplette äußere Fahrzeugoberfläche. Das System ist in der Lage, Fehler zu erkennen, die das menschliche Auge nicht wahrnehmen kann. Die so gewonnenen Daten liefern außerdem wertvolle Rückschlüsse auf die Präzision vorgelagerter Lackierprozesse. Diese können somit laufend optimiert, Fehlerpotentiale rechtzeitig erkannt werden.
Tausende Schraubverbindungen profitieren
Schraubverbindungen sind in der Automobilproduktion elementar. Jedes Fahrzeug hat mehrere hundert Schraubverbindungen. Die BMW Group überwacht und analysiert sämtliche Verschraubungen, die für die Sicherheit des Fahrzeugs von Bedeutung sind.
Grundsätzlich gilt: Schraubverbindungen, die den Sollvorgaben nicht oder nur zum Teil entsprechen, können Nacharbeit verursachen. Im Rahmen ihrer präventiven Qualitätsstrategie hat die BMW Group Algorithmen entwickelt, die seit Juli 2017 in den Montagebereichen aller Fahrzeugwerke Schraubverbindungen an über 3.200 Anlagen analysieren.
Die Aufzeichnung der Schraubprozesskurven erfolgt während des Verschraubens. Eine anschließende Analyse erlaubt präzise Rückschlüsse auf die Qualität der Schraubverbindung. Das Programm kann Fehlerarten erkennen und in einem Ursache-Wirkungs-Diagramm mögliche Fehlerquellen aufzeigen.
Diese Erkenntnisse setzt die BMW Group im Sinne präventiver Qualitätsarbeit bei der Schulung und Qualifizierung von Mitarbeitern um – ein Fehler, der nicht gemacht wurde, muss auch nicht korrigiert werden. Zusätzlich kann ein Trainer an einer mobilen Trainingsstation oder direkt am Arbeitsplatz Tipps zur Fehlervermeidung geben.
Die Analyse der Schraubprozesskurven liefert auch wichtige Erkenntnisse für die systematische Überwachung von Schraubanlagen und Schraubparametern wie zum Beispiel den Anzugsdrehmomenten. Schnell umgesetzt, schaffen diese Erkenntnisse einen geschlossenen Regelkreis zur ständigen Verbesserung.
Eine rein manuelle Analyse von Schraubprozesskurven käme in vielen Fällen nur zu dem Ergebnis – ‚in Ordnung‘ oder ‚nicht in Ordnung‘, ohne Ursachen für Fehler zu erkennen oder Verbesserungspotentiale aufzuzeigen.
Prädiktive Instandhaltung für die Fördertechnik in der Montage
Das Produktionssystem der BMW Group zeichnet sich durch höchste Flexibilität aus: Auf seinen Montagelinien hat das Unternehmen eine hohe Vielfalt an Modellen und Varianten und ist dennoch wettbewerbsfähig, wie unabhängige Benchmarks belegen. Im Fertigungsbereich Montage kommt es daher ganz besonders auf eine zuverlässige Fördertechnik an. Der Ausfall an einer Stelle könnte einen Stillstand des gesamten Fertigungsbereichs verursachen.
In der Montage sind zahlreiche Förderanlagen nun mit einer Vielzahl von Sensoren ausgestattet, die insbesondere Temperatur, Vibrationen und die elektrische Leistung überwachen. Zum Einsatz kommen Sensoren, deren günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis einen großflächigen Einsatz erlaubt.
Die Daten dieser Sensorkits und weitere Prozessdaten übermitteln die Anlagen per Live-Stream in die BMW-Intranet-of-Things-Plattform, wo sie in Echtzeit visualisiert und analysiert werden. Lassen die Daten einen Trend zu Abweichungen oder Mustern aus vergangenen Ausfällen erkennen, meldet die Plattform dies den Mitarbeitern der Instandhaltung. Die Mitarbeiter können nun entscheiden, ob eines der Gehänge zur Wartung ausgeschleust werden sollte. Ein jahrelanger, zuverlässiger Betrieb der Fördertechnik ist somit gewährleistet.
Christian Patron: „In der Automobilproduktion zählt jede Sekunde. Ist ein Teil nicht rechtzeitig verfügbar oder hat eine Anlage einen Defekt, führt dies schnell zu einer Verzögerung im Produktionsprozess und die Wertschöpfungskette ist gestört. Der intelligente Umgang mit Produktionsdaten sorgt für einen stabilen und effizienten Prozess. Mit Smart Data Analytics sehen wir großes Potenzial, Rückmeldungen unserer Kunden noch schneller in Entwicklung und Produktion einfließen zu lassen.“
Mit Material von BMW
Video: Wie BMW Smart Data Analytics nutzt
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