Roboter bei Montageaufgaben

Die Software pitasc vom Fraunhofer IPA ermöglicht, kraftgeregelte Montageaufgaben strukturiert und herstellerunabhängig zu programmieren.- (Bild: Fraunhofer IPA)

Sie haben den Eindruck, dass Sie bei der Arbeit jemand beobachtet? Und dieser 'jemand' ist ein Roboter? Sie haben Recht! Der Blechbursche ist gerade dabei mittels Blick über Ihre Schulter Montagetätigkeiten abzugucken. Über solche und ähnliche Beispiele aus der Anwendung berichten nachfolgend vier Experten. Dabei spielt Künstliche Intelligenz eine nicht unerhebliche Rolle.

Montage findet heutzutage überwiegend manuell statt - noch. Gründe hierfür liegen zum einen in den verfügbaren Automatisierungslösungen, die häufig nicht ausreichend flexibel sind oder nur zeitaufwendig eingerichtet und umgerüstet werden können. Zum anderen sind die Fügeprozesse selbst anspruchsvoll, weil sie beispielsweise biegeschlaffe Teile, große Bereitstellungs- und Teiletoleranzen, geringe Fügetoleranzen oder komplexe Fügestrategien aufweisen können.

Neue Möglichkeiten in der Montage durch KI

Megatrends wie die Künstliche Intelligenz (KI) sorgen hier für neue Automatisierungsmöglichkeiten. Gleichzeitig steigen aber auch die Anforderungen hinsichtlich Flexibilität und Wirtschaftlichkeit einer Automatisierungslösung, um zunehmend stärker personalisierte Produkte produzieren zu können.

Genau diese Automatisierungshemmnisse lassen sich mit neuen Technologieentwicklungen und Lösungen überwinden. Dazu gehören neben der genannten KI und vielen damit verbundenen Hilfsmitteln auch innovative Werkzeuge, sensorgeführte Fügeprozesse oder intelligente Montagekonzepte.

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Nur zehn Prozent aller Roboter montieren

Werner Kraus vom Fraunhofer IPA erläutert zu diesem Sachverhalt: "Aufgrund der hohen Roboterdichte im Automotive-Sektor ist das Thema in Deutschland von hoher Bedeutung. Zurzeit werden nur zehn Prozent der Roboter für Montagetätigkeiten eingesetzt. Es ist noch sehr viel Potenzial vorhanden, da die Endmontage häufig noch manuell ausgeführt wird." Zudem stiegen Personalkosten immer weiter und Roboter würden immer günstiger, was den Einsatz von Robotik auch in der Montage unterstütze.

Für die Unternehmen bedeutet zudem die Umorganisation von Montagelinien kein unüberwindbares Hindernis, denn "dazu arbeiten wir an automatisierten Layoutvorschlägen. Dabei gebe ich dem Algorithmus vor, welche Stationen, Komponenten und Mitarbeiterarbeitsplätze ich in der Montagelinie vorsehen muss und erhalte Vorschläge, wie ich diese Ressourcen optimal anordnen soll", beschreibt Kraus.

Läuft der Prozess inhaltlich, lässt sich auch die Personensicherheit laut Kraus automatisch in einer Simulation absichern – also ob der Mensch in den Arbeitsbereich eintreten kann und die Sicherheitseinrichtungen ausreichend gewählt sind. "Ist das nicht der Fall, macht das System auch Vorschläge und weist den Nutzer darauf hin, ob er noch einen Schutzzaun errichten oder einen Laserscanner einsetzen muss", sagt Kraus.

Werner Kraus IPA
Werner Kraus, Fraunhofer IPA. - (Bild: Fraunhofer IPA)

"Zurzeit werden nur zehn Prozent der Roboter für Montagetätigkeiten eingesetzt. Es ist noch sehr viel Potenzial vorhanden, da die Endmontage häufig noch manuell ausgeführt wird", sagt Werner Kraus, Abteilungsleiter Roboter- und Assistenzsysteme Fraunhofer IPA.

Artificial Intelligence senkt Expertenaufwand

"Auf der Prozessebene sprechen wir über selbstkonfigurierendes Bin Picking. So ist der Schritt zu Greifen noch eine große Herausforderung und durch selbstkonfigurierendes Bin Picking sind wir in der Lage, mit sehr wenig Expertenaufwand neue Bauteile zu greifen und zu vereinzeln, um sie praktischerweise zu montieren. Dieser Expertenaufwand für die Konfiguration neuer Bauteile wird dabei so stark gesenkt, dass der Robotereinsatz sich auch schon bei kleineren Losgrößen und mehreren Varianten rechnet", verdeutlicht Kraus.

Die Alternative wäre ansonsten das manuelle Vereinzeln/Befüllen des Montageroboters/-automats.

Kraus spricht auch über die Selbstoptimierung von Prozessparametern. "Hier werden Daten aus den Produktionsanlagen herausgezogen, Kausalitäten mittels Maschinellem Lernen erkannt und damit Optimierungspotenziale gefunden. Dadurch schafft man typischerweise den OEE um zehn Prozent zu steigern."

Zu Industrietrends in der Robotik sagt Kraus, dass eine verstärkte Mensch Roboter-Kollaborationen weg von den Schutzzäunen führt. "Und durch Industrie 4.0 haben wir Datengrundlagen zur Vernetzung von Robotern untereinander zur Verfügung."

Kognitive Fähigkeiten durch KI-Technologien

Sensoren erlauben es laut Kraus, Roboter auch in unstrukturierten Umgebungen einzusetzen und kognitive Fähigkeiten anzutrainieren. Auch auf die bildbasierte Programmierung geht Kraus ein: "Ich habe demnach Fähigkeiten in einer Bibliothek, die ich zu einem Roboterprogramm zusammensetze und bin dadurch in der Lage ohne Programmierung, also per Low Code oder No Code einen Roboterprozess ans Laufen zu bekommen."

Artificial Intelligence beziehungsweise Machine Learning können zudem Roboteranwendungen optimieren. "Das bezieht sich auf das Lernen von Prozessen und Aufgaben, auf die Programmgenerierung sowie auf die Roboterperformance", so Kraus.

Bei der Anwendung von Maschinellem Lernen in der Montage spricht Kraus von selbstlernenden, cyberphysischen Robotern. "Wir machen das, da wir es in der Montage mit relativ komplexen Anwendungen zu tun haben. Wir haben Kontaktformationen, die sich schwer programmieren lassen. Und anstatt die Roboter eben explizit zu programmieren, bauen wir eine Simulationsumgebung auf. Auf dieser Basis kann man ein Machine Learning Framework trainieren und transferiert anschließend das erlernte Wissen auf den realen Roboter", erläutert Kraus.

Roboter schaut dem Menschen über die Schulter

Ein zweiter Lösungsansatz sei das sogenannte Imitation Modelling. Hierbei schaut laut Kraus der Roboter dem Menschen bei einer Montagetätigkeit über die Schulter - derzeit via Kamera, zukünftig auf durch Kraftmessung.

"Dabei erkennt der Roboter worin die Aufgabe besteht, an welchen Stellen er Freiheitsgrade hat und wo er sehr präzise den Prozess verfolgen muss. Hat er einige Montageprozesse beobachtet, ist er in der Lage, diese Prozesse zu reproduzieren. Das ist kein rein stupides Wiederholen von Prozessen, da der Roboter mit unterschiedlichen Situationen umgehen kann", beschreibt Kraus.

Im Rahmen des Early-Adopter-Programms wird mit der Industrie zusammengearbeitet, um diese innovativen Technologien umzusetzen und zu sehen, welche Technologien in welchen Bereichen einsetzbar sind.

Felix Georg Müller Co-Founder of plus10, Business Development & Sales plus10 GmbH
Felix Müller, Plus10 GmbH. - (Bild: Plus 10)

"Anstatt aufwändig und explizit den Grund für den Engpass zu finden, kommt der erste Machine-Learning-Schritt zum Einsatz, um implizit aus den Daten heraus zu lernen und den Engpass anhand automatisierter Datenanalyse herauszufiltern", sagt Felix Müller, Business Development & Sales bei der Plus10 GmbH.

KI basierte Produktionsoptimierung

Felix Müller von Plus10 beschreibt, wie mittels KI die Produktion optimiert werden kann. So arbeiten in einer roboterisierten Montageanlage auch sehr viele SPSen. "Es geht also um eine Kombination aus Robotersteuerungsdaten und SPS-Daten. Es gilt möglichst eine Live-Transparenz herzustellen, um immer den Überblick über die Geschehnisse sowie den Output zu erhalten. Aber auch, um bei Problemen die Ursachen an der Wurzel zu packen und möglichst schnell lösen zu können", erläutert Müller.

In dem operativen Betrieb geht es laut Müller um drei komplexe Herausforderungen, die das Unternehmen mittels KI löst: "Als Erstes - im Anlauffall - müssen in einer großen verketteten Anlage die Kinderkrankheiten ausgemerzt werden. Die Inbetriebnahme einer mehreren hundert Meter langen Schweißstraße mit sehr viel integrierter Robotik kann ein Jahr dauern."

Beim zweiten Punkt bezieht sich Müller auf den Betriebsfall: "Da gibt es unterschiedliche Produktivitäten über verschiedene Schichten." Auch, dass manche Materialien leichter zu verarbeiten sind und es bei anderen immer wieder Probleme gibt, spricht Müller an. "Letztlich muss auch gelöst werden, wie alles effizient rund um die Uhr läuft", so Müller.

Punkt drei handelt von schnell lernenden Systemen: "Hat man viel Aufwand in eine Anlage gesteckt und diese läuft zufriedenstellend, dann stellt sich die Frage, ob man dies aufwändig manuell auf die anderen Maschinen in aller Welt überträgt oder ob die Maschinen nicht selbst voneinander lernen können", weist Müller auf eine intelligente Lösung hin.

KI-basierte Detektion von Störungen in komplexen Fertigungsanlagen

Intelligente Handhabung lässt sich erlernen

Bei dieser intelligenten Lösung - der Software Plus 10 - lässt sich ein geschlossener Regelkreislauf aufbauen, die für ein bestimmtes Problem kontinuierlich eine Lösung liefert, wie Müller mitteilt.

Dazu benötige das Unternehmen eine ausreichende Datenbasis, die die Informationen enthält, um einen technischen Engpass finden zu können. "Wir sammeln aus allen Schaltschrank-IPCs beziehungsweise Datenquellen aus den Robotersteuerungen und SPSen die Daten. Je nach Anwendung wird die Bewegung überprüft, ob und wo sich etwas zu langsam bewegt, eventuell reichen auch Statusdaten wie 'läuft' oder 'läuft nicht'", beschreibt Müller.

Anstatt aufwändig und explizit den Grund für den Engpass zu finden, kommt laut Müller der erste Machine-Learning-Schritt zum Einsatz, um implizit aus den Daten heraus zu lernen und den Engpass anhand automatisierter Datenanalyse herauszufiltern.

"Da tut sich gerade auch sehr viel um Standardmodelle zu erzeugen, dass nicht jeder, der einen Standardroboter kauft, einen neuen Zustandsautomaten lernen muss. Auch dank OPC UA besteht Hoffnung, dass es zukünftig Standards geben wird", blickt Müller nach vorn.

Witalij Siebert von Drag & Bot
Witalij Siebert, Mitgründer von Drag & Bot. - (Bild: drag & bot)

"Mit unserer No Code Programming Platform hat man eine Bibliothek an Funktionsblöcken, die man sich grafisch in einen Programmablauf zusammenklicken kann", sagt Witalij Siebert, Mitgründer der drag and bot GmbH.

Bibliothek an Funktionsblöcken statt aufwändiger Programmierung

Witalij Siebert von Drag & Bot stellt die gleichnamige Software zur einfachen grafischen Inbetriebnahme und Programmierung industrieller Robotersysteme vor. Hilfreich ist dieses Tool laut Siebert , da die Produktvariationen zunehmen, die Losgrößen kleiner werden und die Anforderung an eine flexible Produktion steigt. Mit den Methoden der klassischen Automatisierung ist eine Anpassung an diese neuen Begebenheiten nicht mehr möglich.

Dafür einen Roboterexperten einzustellen sei nicht rentabel. "Außerdem gibt es auf dem Markt ein breites Spektrum an Roboterherstellern, die alle ein eigenes Interface und Entwicklungsstudio haben. Das alles macht es unmöglich, beim Einstieg in die Automatisierung einen flexiblen Umstieg von einer Hardware in zur anderen finden zu können, sodass man sich von Anfang an an einen Roboterhersteller bindet", erklärt Siebert.

Industrieroboter die Montage beibringen

Anlernen eines industriellen Roboters mit drag & bot

No Code Programming Platform

"Diesen Herausforderungen begegnen wir mit Drag & Bot, wir nennen es eine No Code Programming Platform. Man hat eine Bibliothek an Funktionsblöcken, die man sich grafisch in einen Programmablauf zusammenklicken kann. Anschließend muss man gewisse Parameter setzen – beispielsweise die Zielparameter für den Roboter. Drag & Bot ist hardwareagnostisch, also nicht an Roboterhersteller gebunden", beschreibt Siebert.

Gerade für KMU ließen sich im Vorfeld sämtliche Prozesse virtuell abbilden, sodass die Möglichkeiten nicht nur für Montagetätigkeiten durchexerziert werden können.

Mark Micnik, MicroPsi
Mark Micnik, micropsi industries GmbH. - (Bild: micropsi)

"Wir wollen den Robotern Fähigkeiten beibringen, die sie noch nicht können. Wir wollen KI und Industrierobotik zusammenführen", sagt Mark Micnik, Account Executive, micropsi industries GmbH.

Kognitive Fähigkeiten in Robotik und Handhabung

Mark Micnik von MicroPsi erläutert, wie Roboter in der Montage mit Varianzen umgehen können. Dabei geht es darum, wie Roboter mit besonderen kognitiven Fähigkeiten ausgestattet werden können und was das für eine robotergestützte Montage bedeutet. "Wir wollen den Robotern Fähigkeiten beibringen, die sie noch nicht können. Wir wollen KI und Industrierobotik zusammenführen." So sei auch der Wunsch einer aktuellen Umfrage, Roboter einfacher programmieren zu können und dass diese besser mit Varianzen in der Produktion umgehen können.

"Unsere Lösung dafür heißt Mirai. Sie besteht aus zwei Arten von Komponenten: Die Kamera, der Controller und die Trainingsapp. Weiterhin gibt es externe Komponenten wie den Roboterarm, einen Kraftmomentensensor und einen Endeffektor", erklärt Micnik.

Roboter lernt aus Videosequenzen

Zuerst müsse alles miteinander verheiratet werden, "dann zeigen wir dem System händisch, wie mit Varianz umgegangen wird, indem wir ihm gute Bewegungen zeigen sowie Varianzen, die auftreten sollen", ergänzt Micnik. Das macht man laut Micnik 200 bis 300 Mal und daran schließt sich dann das Machine Learning an.

"Anschließend versucht der Roboter aus den Videosequenzen und den guten Bewegungen das Ganze zu generalisieren. Dieser Lernvorgang dauert etwa eine Stunde. Im vierten Schritt ist alles einsatzbereit und kann in ein Roboterprogramm eingebettet werden - wobei der Großteil immer noch hart programmiert wird. Wir sind dann ein Teil dieser Programmierung - und zwar der, wo die Varianzen auftreten", freut sich Micnik.

Hand-Auge-Koordination für Industrieroboter

Dank Kamera und AI kann der Roboter Gegenständen folgen

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