lm Zuge von Industrie 4.0 und Digitalisierung unterstützen Assistenzsysteme vermehrt die Herstellungsprozesse in großen und mittelständischen Produktionsunternehmen. Vor allem digitale Assistenzsysteme gewinnen zunehmend an Bedeutung für die Vernetzung von Mensch, Maschine und Produkt. Gemeint sind damit Techniken und/oder Technologien, die Werkern helfen sollen, sich auf eine immer größere Produktvielfalt einzustellen als eine Folge von Industrie 4.0 und dem Trend zur 'Losgröße 1'.
Auch eine neue Studie des Fraunhofer IAO, die im Rahmen eines Umsetzungsprojektes des Mittelstand-4.0-Kompetenzzentrums Stuttgart in Zusammenarbeit mit der memex GmbH entstanden ist, bestätigt das. Eines der wesentlichsten Resultate der Studie: Nahezu alle Befragten sehen digitale Assistenzsysteme in Form von Visualisierung in den kommenden fünf Jahren in den Unternehmen im Einsatz. Fast 95 Prozent der Teilnehmer planen sogar die Verwendung von digitalen Visualisierungen in ihrer eigenen Firma - ein deutlicher Schritt Richtung Digitalisierung und Industrie 4.0.
Welche Arten von Assistenzsystemen gibt es überhaupt?
Zu unterscheiden sind zunächst kognitive und physische Assistenzsysteme. Unter den kognitiven wird unterschieden, ob das System die Wahrnehmung (Mitarbeiterassistenzsystem) oder Entscheidungsfindung (Softwareunterstützung bei komplexen Entscheidungen oder Aufgabenpriorisierung) des Mitarbeiters unterstützt. Bei den physischen Assistenzsytemen handelt es sich um Ausführungsassistenzsysteme wie Exoskelette oder Mensch-Roboter-Kooperationen.
Neue Picking-Technologien durch Industrie 4.0 und Digitalisierung
Direkt an den Produktionslinien den Werkern mit maßgeschneiderten Videos richtige Methoden zeigen – das wird in vielen Unternehmen als Zukunftsweg im Rahmen von Indstrie 4.0 und Digitalisierung erachtet. So steht laut Studie bei einem Großteil der Unternehmen die digitale Visualisierung als Assistenzsystem hoch im Kurs. Von den befragten 144 Firmen planen mehr als 90 Prozent, diese Technik in den nächsten fünf Jahren in ihren Unternehmen einzusetzen. Vor allem in den Unternehmensbereichen Fertigung und Montage wird das als sinnvoll erachtet. „Ein starkes Zeichen dafür, dass in Zeiten von Digitalisierung und Industrie 4.0 visuelle Instruktion für die Qualifizierung immer wichtiger wird”, erklärt memex-Geschäftsführer Robert Rothenberger.
Neue Technologien verändern Arbeitswirtschaft
So unterstützt die Visualisierung von Daten den Werker und Monteur im Shopfloor dabei, die richtigen Entscheidungen zu treffen und sich einen Überblick über die aktuelle Prozesssituation zu verschaffen. Über visualisierte Montageanleitungen erhalten die Mitarbeiter zudem präzise Informationen zum eigentlichen Montageprozess. Und nicht zuletzt sparen sich die fertigenden Unternehmen durch die didaktisch aufgebauten Utility-Filme langwierige Anlernzeiten und vermeiden zudem Fehler in Fertigung und Montage.
Einsatz digitaler Assistenzsysteme in Produktion und Montage
Intelligente Assistenzsysteme werden in der Produktion vor allem in manuellen oder teilautomatisierten Montage-, Prüf- oder Logistikprozessen eingesetzt - also durchaus auch Technologien für den Mittelstand. Mögliche Einsatzszenarien finden sich also verteilt über die gesamte Wertschöpfungskette in der Produktion wieder. Womit sich vor einer Einführung die Fragen nach dem 'Wo einsetzen?' und 'Was einsetzen?' stellt.
Industrie 4.0 & Digitalisierung: Größtes Potenzial gemeinsam ausloten
Stockt der interne Materialtransport aufgrund komplizierter Laufwege? Dann spricht vieles für Assistenzsysteme für Intralogistik. (s. Beispiel Milkrun 4.0 im nachfolgenden Kasten).
Beispiel Milkrun 4.0
Digitalisierte Intralogistik mithilfe von Smart glasses
Der Milkrun 4.0: Material zeit-und bedarfsgerecht bereitstellen
Die Intralogistik produzierender Unternehmen muss sich zunehmend auf eine schwankende Nachfrage, eine steigende Variantenvielfalt und auf sinkende Stückzahlen einstellen. Dabei steigt auch die Komplexität der Aufgaben des innerbetrieblichen Materialtransports. Digitale Assistenzsysteme können diese Herausforderung stemmen, indem zeitgenau und bedarfsabhängig Liefervorgänge ausgelöst und dem Logistiker via Smartglass angezeigt werden.
Arbeit der Zukunft in der Industrie
Der Milkrun 4.0 erweitert das bewährte Prinzip des schlanken Milkruns, indem Informationen nahezu verzögerungsfrei bereitgestellt werden – der Logistiker weiß stets, wann er wo gebraucht wird. Das System bietet damit eine leistungsstarke und flexible Alternative zu vollautomatisierten Lösungen.
Dies ermöglicht unter anderem:
- die Vermeidung von Leerfahrten
- den Abbau von Materialbeständen durch
schnellere Reaktionszeiten - eine sofortige Reaktion des Milkrunsystems
auf Materialbedarf - die Vermeidung von Fehllieferungen und
Kommissionierfehlern
Digitalisierung als Basis, verschiedene Technologien einzusetzen
Durch die zeitgenaue Informationsbereitstellung kann der Milkrun-Mitarbeiter sofort auf geänderte Anforderungen reagieren. Gleichzeitig erweitern sich die Einsatzmöglichkeiten stark: Durch die Möglichkeit einer Ad-hoc-Anpassung und die kontinuierliche Routenoptimierung eignet sich das System auch in komplexeren Einsatzfeldern, z. B. in der variantenreichen Fertigung.
Die zeit- und bedarfsgerechte Bereitstellung aktueller Informationen und Entscheidungshilfen wird durch den Einsatz mobiler Assistenzsysteme (Smart Glasses) ermöglicht. Das Signal für einen Entnahme- oder einen Lieferauftrag wird meist über Kanbankarten realisiert. RFID-Technologie, bestehend aus RFID-Chips und mobilen Scannern, bietet eine kostengünstige Möglichkeit, Kanbankarten durch elektronische Kanbansignale zu ersetzen.
Auf Basis einer Software werden die Informationen, unter Berücksichtigung von Priorisierungs- und Reihenfolgeregeln, über Smart Glasses an den Milkrun-Mitarbeiter übermittelt. Die Entnahme und Ablage von Materialkisten erfolgt über das Scannen eines angebrachten RFID-Chips.
Einsatzbereich der Assistenzsysteme identifizieren
Sobald der Einsatzbereich des Assistenzsystems identifiziert und die Komplexitätstreiber klar umrissen sind, lässt sich ein Lastenheft erstellen: Welche Anforderungen gibt es an das System? Was muss es können? Was darf es nicht? Mit diesen einfachen Fragen ist eine schrittweise Annäherung an eine Lösung möglich. Von zentraler Bedeutung ist dabei, den Anwender zu berücksichtigen. Wer wird das System nutzen und welche Fähigkeiten und Einschränkungen bringt diese Person mit? Das Beispiel der Trilux AG (s. Beispiel Digitales Shopfloormanagement im nachfolgenden Kasten) demonstriert, wie eine solche Lastenheftentwicklung ablaufen könnte.
Beispiel Digitales Shopfloormanagement
Abweichungen erkennen und Probleme nachhaltig lösen
Gerade in einem komplexen, digitalen Produktionssystem ist die Einbeziehung der Mitarbeiter und das Führen am Ort der Wertschöpfung besonders wichtig. Das analoge Vorgehen mit dem händischen Verfolgen von Kennzahlen und Maßnahmen kann jetzt digital veredelt werden: Über Schnittstellen zur IT-Landschaft können Kennzahlen live visualisiert werden und der direkte Zugriff auf relevante Daten erleichtert die Problemlösung. Ein digitales Shopfloorboard ist die zentrale Informationsplattform auf dem Hallenboden und steigert die Effizienz und Effektivität der Führung vor Ort.
Nutzen und Anwendungsfelder:
Visuelles Management
- Aktuelle Kennzahlen ohne Pflegeaufwand
- Kennzahlenbestimmung direkt aus Maschinendaten
- Nutzerspezifische Visualisierung von relevanten Daten
Systematische Problemlösung
- Softwareunterstützte Vorgabe von strukturierter
Vorgehensweise - Unterstützung bei der Problemlösung durch kontextsensitive Bereitstellung von Informationen aus den angeschlossenen Systemen
Maßnahmenverfolgung
- Nachverfolgung aller Maßnahmen weltweit
Wissensmanagement
- Einheitliche Ablage von Problemen und deren Lösungen im
ganzen Unternehmen - Ähnlichkeitsanalysen in bereits gelösten Problemen
- Aufbau einer lernenden Organisation
Technische Innovation durch Digitalisierung und Industrie 4.0 auch im Mittelstand
Für die Einführungen muss neben den Hardwarevoraussetzungen in Form von Bildschirmen und Anschlüssen vor allem die Software sorgfältig ausgewählt und angepasst werden. Daher sollte mit einer Analyse der bestehenden Ziele und Routinen des Shopfloor Managements begonnen werden. Ist der Führungsansatz noch nicht im Unternehmen verankert, sollten die Prinzipien zunächst über ein analoges Board trainiert und verstanden werden. Diese Analyse erlaubt es, die unternehmensspezifischen Prozesse und die notwendigen Schnittstellen für eine Softwarelösung zu formulieren. So können die beste Lösung aus einer steigenden Anzahl von Anbietern ausgewählt und die Kosten für Änderungen abgeschätzt werden.
Arbeit der Zukunft - auch im Mittelstand der Industrie
Fazit: Durch Industrie 4.0 und Digitalisierung können auch mittelständische Unternehmen bei geeigneter IT-Infrastruktur neue Technologien stets nicht nur online im Blick behalten, sondern die Herausforderungen der Zukunft schon heute durch eine verbesserte Produktion stemmen. Dazu müssen (noch) nicht zwingend Künstliche Intelligenz, Augmented Reality oder Virtual Reality zum Zug kommen, mitunter reichen auch schon für den Werker maßgeschneiderte Videos.