Langsam tastet sich die Branche an das Thema KI in Maschinen und Anlagen heran. Dabei zeichnet sich schon jetzt ein Trend ab: Wie in der visuellen Qualitätsinspektion oder bei Predictive Maintenance sorgen die intelligenten Analysen dafür, dass sehr spezifisches Fachwissen automatisiert in Prozesse einfließt. Mit Assistenzsystemen lässt sich so auch der Fachkräftemangel abfedern.
„In den VDW-Arbeitskreisen sehen wir, dass sich Hochschulinstitute und Unternehmen mit den Möglichkeiten von KI zur Optimierung von Fertigungsprozessen beschäftigen. Forschungsansätze sind zum Beispiel die Verwendung von Steuerungsdaten zum zielgrößenorientierten Abrichten beim Flachschleifen oder eine intelligente Verschleißadaption bei Fräsprozessen“, sagt Hans-Dieter Schmees aus der Abteilung Forschung und Technik beim VDW. In der Praxis angekommen seien bisher vor allem KI-Algorithmen rund um die Bilderkennung.
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So soll KI in der Produktion gefördert werden
Der VDW beteiligt sich in diesem Kontext am Forschungsprojekt IIP Ecosphere unter der Leitung der Leibniz Universität Hannover. Zielsetzung: Die KI als Technologie in der Produktion zu fördern. Hierbei werden unter anderem anhand von vier Demonstratoren in den Produktionsabteilungen namhafter Unternehmen innovative KI-Lösungen entwickelt.
Dazu zählt beispielsweise das KI-basierte Assistenzsystem zur Zyklenoptimierung bei Wälzschälprozessen der Gildemeister Drehmaschinen GmbH und der Artis Marposs Monitoring Solutions GmbH. In diesem Prozess schält ein rotierendes Werkzeug eine Verzahnung in ein ebenfalls rotierendes Werkstück. Die Produktivität des Prozesses und die Qualität der Bauteile hängen von vielen unterschiedlichen Eingangsparametern ab, beispielsweise der Schnittgeschwindigkeit oder -tiefe.
„Die Parameter für diese Art von Prozessen optimal einzustellen, erfordert hohen Aufwand und tiefgreifendes Prozesswissen. Entsprechendes Know-how steht in den Unternehmen immer weniger zur Verfügung", sagt Schmees. „Diese Herausforderung soll mit der Entwicklung eines intelligenten KI-Expertensystems gemeistert werden." Zudem will die KI-Initiative Unternehmen mit einem Lösungskatalog weiterhelfen, der Problemstellungen und Nutzenaspekte adressiert.
Wie Trumpf mit KI ein konkretes Kundenproblem lösen will
Trumpf hat sich schon früh auf Digitalisierung konzentriert und konsequent über Jahre Daten in einem Data Lake gesammelt. „In der physischen Welt des Maschinenbaus ist es eine riesige Herausforderung, die Daten so zu erheben, dass sie in guter Qualität vorliegen. Das ist allerdings die Vorrausetzung, und damit muss man einfach anfangen“, berichtet Jens Ottnad, Leiter Vernetzte Systeme bei Trumpf Werkzeugmaschinen.
Mittlerweile setzt das Hochtechnologieunternehmen bereits in einigen Produkten auf KI. Beim Sorting Guide zum Beispiel kommen Deep Learning-Modelle auf Basis tiefer neuronaler Netze in Serie im Schaltschrank zum Einsatz. Das Assistenzsystem an der Laserschneidmaschine hilft dabei, Blechteile von Hand abzusortieren. Insbesondere bei Blechtafeln mit vielen unterschiedlichen Aufträgen steigert der Sorting Guide die Effizienz dem Unternehmen zufolge deutlich. „Die Kamera beobachtet, was der Mensch macht. Auf Basis der Bilderkennung kann das Assistenzsystem dem Nutzer viele verschiedene Aufgaben abnehmen“, erzählt Ottnad. Dazu gehören die bisher mit der Intralogistik verbundene Papierflut oder Hinweise, ob beispielsweise Biegen oder Entgraten ansteht.
Bei der Entscheidung für die Nutzung von KI ging es für Trumpf vor allem darum, ein konkretes Kundenproblem zu lösen. „Wir haben mit ‚normaler‘ Bildverarbeitung angefangen, das hat schon ganz gut funktioniert. Beim zweiten Kunden hat das allerdings nicht mehr geklappt, da andere Bedingungen vorlagen, wie zum Beispiel direkte Sonneneinstrahlung“, berichtet Ottnad aus der Entwicklungsphase.
KI macht bei Trumpf einen echten Unterschied
Parallel dazu hatten die Trumpf-Entwickler jedoch auch schon begonnen, Daten zu sammeln und erste KI-Modelle zu bauen. „KI hat hier einen echten Unterschied gemacht. Mittlerweile haben wir schon die vierte Generation von Neuronalen Netzen im Einsatz, die auf den Daten von allen vorhergehenden Netzen und neu hinzukommenden Daten beruht“, so Ottnad. Indem möglichst alle vorhandenen Daten von allen Einsatzszenarien gesammelt werden, komme die nötige Hebelwirkung dazu.
Derzeit arbeitet man daran, individuelle Modelle für jeden Kunden zu trainieren. „Das ist an vielen Stellen komplexer, weil es schnell darum geht, zehn unterschiedliche Modelle pro Kunde zu managen. Dafür ist eine Infrastruktur für KI vor Ort notwendig“, erklärt der Experte. Für solche verteilten KI-Lösungen sei noch einmal ein ganz anderer Reifegrad erforderlich.
Künftig könnte dann mit dem sogenannten Smart-Factory-Host ein Edge-Computing-System in der Fabrik stehen, das die KI-Aufgaben erledigt, ohne dass sich die Kunden selbst damit auseinandersetzen müssen. Aus Ottnads Sicht bietet der Einsatz von KI jenseits der reinen Bildverarbeitung aber vor allem eine wichtige Chance für Maschinenbauer: besser zu verstehen, was ihre Kunden umtreibt und wo sie Herausforderungen oder Probleme im Alltag erleben. Aus den Daten wird deutlich, was aktuell an der Maschine passiert. Das ist die Basis, um neue, maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln.
Lassen Sie sich von KI-Anwendungsbeispielen inspirieren!
Theorie ist gut, Praxis ist besser. Die Redaktion sucht immer wieder nach interessanten Anwendungsbeispielen und stellt sie Ihnen vor. Finden Sie Ihre KI-Idee:
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Schunk setzt ebenfalls auf smarte Produkte
Auch Greifsystem- und Spanntechnikhersteller Schunk hat schon früh die Potenziale von KI erkundet. Das Unternehmen setzt zunehmend auf smarte Produkte, wie den sensorischen Werkzeughalter iTendo2, der den Zerspanungsprozess unmittelbar am Werkzeug überwacht. „Dank integrierter Sensorik erkennt er Schwingungen während der Bearbeitung und liefert Antworten durch präzise Stabilitätsdaten, mit denen Maschinen für Zerspanaufgaben schneller eingestellt oder optimiert werden können“, berichtet Timo Gessmann, Chief Technology Officer bei Schunk.
Das helfe dabei, Bearbeitungsergebnisse zu verbessern und Werkzeugstandzeiten optimal auszunutzen. Auch in der autonomen Handhabung kommen Gessmann zufolge zunehmend intelligente Applikationslösungen zum Zug. So können smarte Greifer mittels integrierter Kameras und Softwareanbindung ihr Umfeld eigenständig erfassen und analysieren. Sie erkennen selbst, welche Objekte zu greifen sind, wo sie liegen und vor allem auf welche Weise sie gegriffen oder abgelegt werden müssen. „Der Roboter erfasst dank KI sogar ihm bislang unbekannte Objekte und lernt entsprechende Greifplanungen und Greif-Posings eigenständig“, sagt Gessmann.
Treiber für den KI-Trend ist aus Sicht von Schunk die Automatisierung in allen Branchen. Man wolle deshalb beispielsweise MEMS-Sensoren (Mikro-Elektro-Mechanisches System), Vision-Sensoren und Künstliche Intelligenz sukzessive in die Produkte integrieren. „Dank dieser smarten Komponenten, die eigenständig messen, analysieren und lernen können, versetzen wir den Anwender in die Lage, seine jeweiligen Fertigungs- und Automationsprozesse zu verbessern und seine Wirtschaftlichkeit zu erhöhen“, ist sich Gessmann sicher. Ziel sei, die KI-Expertise konsequent weiter auszubauen. Statt Hürden sehe man „eine Menge Chancen“.
Mehr zum Thema Automatisierung erfahren Sie auch im Podcast mit Andrea Alboni, Westeuropa-Chef von Universal Robots:
Optimierung als Schlüssel zum Unternehmenserfolg
„Im Einsatz von KI steckt das große Potenzial, Prozesse maßgeblich zu optimieren“, sagt Gessmann. Das sei entscheidend für den Unternehmenserfolg von Maschinen- und Anlagenherstellern. „Kleiner werdende Losgrößen, Null-Fehler-Prozesse sowie die Vermeidung von Ressourcenverschwendung sind nur einige Parameter in modernen Fertigungsabläufen. Hier helfen ‚mitdenkende‘ und ‚selbstlernende‘ Produkte und Systeme in allen Bereichen der Produktion und Automatisierung, wie etwa in der Logistik, Warehousing oder Laborautomation“, konstatiert der CTO.
Bei der Nutzung neuer Technologien wie KI setzt man bei Schunk auf ein „Ecosystem“ aus Partnern, Kunden, Technologie-Unternehmen, Hochschulen und Universitäten, Start-ups sowie Institutionen in unterschiedlichsten Märkten und Regionen der Welt.
So nutzt Paul Horn KI in der Fertigung
Auch die Hartmetall-Werkzeugfabrik Paul Horn hat das Thema KI für sich entdeckt. „Momentan befinden sich Systeme zum Fräsen und Schleifen in der Entwicklung und Erprobung. Sie sollen unsere eigene Fertigung unterstützen und verbessern. Darüber hinaus soll unseren Kunden in Zukunft auch die KI zum Fräsen zur Verfügung stehen“, sagt Dr. Matthias Luik, Leiter F&E der Paul Horn GmbH.
Anschließend werde geprüft, inwieweit sich das auf das Drehen übertragen lasse. „Wir stehen hier noch ganz am Anfang und erhoffen uns dadurch eine Hilfe für die Maschinenbediener, aber auch eine kontinuierliche Verbesserung der Prozesse. Dadurch ergeben sich weniger Stillstandzeiten durch Rüsten, weniger Ausschuss, eine bessere Auslastung und somit auch eine höhere Nachhaltigkeit“, erklärt Luik.
Zukunftstechnologien verstehen!
Die Technik entwickelt sich so schnell weiter wie noch nie. Neue Technologien halten ständig Einzug in unserem Leben. Natürlich heißt das nicht, dass alte Technologien verschwinden werden, aber die Relevanz wird sich verschieben. Welche Technologien und Konzepte wichtiger werden, was der aktuelle Stand ist und worin Chancen für die Industrie liegen, lesen Sie in unserer Rubrik "Zukunftstechnologien" - hier entlang!
Einen Überblick über die relevantesten Zukunftstechnologien und deren industrielle Einsatzmöglichkeiten hat unsere Redakteurin Julia Dusold in diesem Kompendium für Sie zusammengefasst: "Das sind die wichtigsten Zukunftstechnologien".
Die Entscheidung für KI sei ganz bewusst gefallen, da man im globalen Umfeld seit jeher mit neuesten Technologien zum Wohle der Kunden agieren wolle und müsse. Doch der Weg dorthin ist nicht immer einfach. „Die wichtigste Aufgabe zu Beginn ist ein gemeinsames Prozessverständnis aller Beteiligten. Dass Ingenieure anders denken als IT-Experten mussten auch wir lernen“, erklärt Luik. Sei diese Hürde genommen, müsse eine Abklärung über die KI-Datenbasis und deren Verarbeitung erfolgen. „Die Vermittlung eines gemeinsamen Ziels für alle Beteiligten ist elementar, da hier die Vorstellungen teilweise auseinandergehen“, rät der F&E-Leiter. So müssten Aspekte wie Prozesssicherheit, Standzeitausnutzung, Maschineneinsatz und Datenverarbeitung in Echtzeit gegeneinander abgewogen werden.
Voraussetzung für die KI-Szenarien ist eine umfassende Datenbasis, die erst durch Sensorik und Vernetzung zustande kommt. An dieser Stelle setze auch das Piezo Tool System (PTS) an. In enger Zusammenarbeit mit dem Messtechnikhersteller Kistler hat die Paul Horn GmbH eine Lösung zur Echtzeit-Werkzeugüberwachung von Drehbearbeitungen weiterentwickelt. Das PTS besteht aus einem Kraftsensor, der in das Drehwerkzeug eingebaut wird und Aufschluss über den Zustand des Werkzeuges während der Bearbeitung gibt. Auch kleinste Zerspankräfte können laut Anbieter gemessen werden und der Maschinenbediener erkennt so direkt fehlerhafte Materialien und Schneidstoffe oder auch einen Werkzeugbruch. Das System biete aber auch die Möglichkeit, in Interaktion mit der Maschine wertvolle Daten an eine KI zu senden, so Luik.
KI verändert Produktentwicklung und Geschäftsmodelle
Bei denen, die sich schon länger mit KI befassen, zeigt sich, dass die Technologie zunehmend weitere Bereiche beeinflusst. „Es ist eine grundsätzlich andere Art zu arbeiten, als man es im klassischen Maschinenbau kennt“, stellt Jens Ottnad von Trumpf fest. Als Beispiel nennt er den Laservollautomat TruLaser Center 7030, für den gerade gemeinsam mit der Münchner Rück das Geschäftsmodell „Equipment as a Service“ (EASS) pilotiert wird (mehr dazu lesen Sie hier).
Für die Produktentwicklung kam ebenfalls KI zum Einsatz. Normalerweise wird das Auslösen von geschnittenen Teilen aus dem Blechgitter nahezu vollständig von Menschen erledigt. Um diese Arbeit zu hundert Prozent zu automatisieren, wurde für die Maschine eine Greifvorrichtung mit zwei Armen und je drei Saugplatten mit um die 450 einzelnen kleinen Saugern entwickelt. „Die Ausgangsfrage lautete: Wie soll man diese Sauger auf den Armen in verschiedenen Dimensionen geschickt platzieren? Normale Versuchsreihen hätten hier nicht funktioniert“, so Ottnad. Für die Tests wäre eine Vielzahl von Geometrien notwendig gewesen, die man im Labor-Setting nicht hätte abbilden können.
Insbesondere „as a Service“-Modelle, wo der Kunde nicht mehr die Maschine kauft, sondern für jedes geschnittene Teil ein Angebot bekommt, ist die Datenbasis erfolgsentscheidend. Für die Kalkulation muss klar sein, wie lange es dauert, das entsprechende Teil zu produzieren: Das wiederum ist nur auf der Basis vieler Erfahrungswerte zu potenziellen Problemen möglich, die KI-Algorithmen für eine möglichst exakte Prognose nutzen.
Bearbeitet von Anja Ringel