Primärstruktur, die dem Modul Steifigkeit verleiht

Das European Service Module (EMS) macht den Flug zum Mond erst möglich. Gebaut wurde es bei Airbus in Bremen. Im Bild ist die Primärstruktur zu sehen, die dem Modul Steifigkeit verleiht. (Bild: Airbus)

Nach wortwörtlichen Startschwierigkeiten ist es in den frühen Morgenstunden des 16. November geglückt: Die Mission Artemis-I ist gestartet. Es ist der Erstflug der neuen SLS-Schwerlastrakete mit ihrem Raumschiff Orion an Bord, dessen Service- und Antriebsmodul hauptsächlich in Deutschland gebaut wurde. Wir haben uns die technischen Details (und die wirtschaftliche Relevanz) genauer angesehen.

Das Ziel der Artemis-Mission ist es, wieder Astronauten auf den Mond zu bringen – das erste Mal seit dem Apollo-Programm in den 1970er Jahren. Während Artemis-I noch unbemannt unterwegs sein wird, sollen bei der zweiten Artemis-Mission, die für Ende 2023 geplant ist, erstmals Astronautinnen oder Astronauten mitfliegen. Mit der dritten Mission, Artemis-III, sollen dann die erste Frau und der nächste Mann auf dem Mond landen.

Wir widmen uns hier bei PRODUKTION dem European Service Modul (kurz ESM), das in Deutschland gebaut wird. Diese Fragen werden beantwortet:

Die Details zur Artemis-Mission der Nasa finden Sie bei unserem Schwesterportal KENEXT. Dort beantwortet unser Kollege Peter Koller unter anderem, wie Artemis‘ SLS Rakete angetrieben wird, wer ist an Board ist und was ein Flug der Artemis-Mission kostet. Hier geht’s zum Artikel: „Neue Mondrakete mit alter Technik

Warum ist die Artemis-Mission auch für Europa, die hier ansässige Raumfahrtindustrie und ihre Zulieferer interessant?

Der wichtigste Teil des Raumschiffs Orion, das Service- und Antriebsmodul ESM, wurde in Deutschland gebaut. Verantwortlich dafür: Airbus in Bremen in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Industrie-Unternehmen. Mit dabei bei der Entwicklung und dem Bau sind Partner aus zehn europäischen Ländern (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Norwegen, Spanien, Schweden, Schweiz) und den USA.

Grafik mit einer farbig markierten Europakarte. Beschriftung zählt auf, welches Land welche Teile des ESM liefert.
Neben Deutschland sind auch Italien, die Schweiz, Belgien, Frankreich, Dänemark, Norwegen, die Niederlande, Spanien und natürlich die USA am Raumschiff Orion beteiligt. (Bild: ESA)

„Das ist ein beispielloser Vertrauensbeweis der Nasa in die Fähigkeiten unserer Industrie und Deutschland als Partner. Wir sind mit 50 Prozent an den Servicemodulen der Artemis-Missionen beteiligt, die federführend von Airbus, als Hauptauftragnehmer der ESA, von einem europäischen Industriekonsortium gefertigt und in Bremen endmontiert werden“, sagt Dr. Walther Pelzer, Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur und DLR-Vorstandsmitglied. Das erste ESM heiße dementsprechend auch wie die Hansestadt: ‚Bremen‘.

Ein weiteres ESM für Artemis-II, bei der erstmals eine Crew an Bord sein soll, wurde bereits zum Kennedy Space Center in den USA transportiert. Das Modul für Artemis III befindet sich aktuell bei Airbus in Bremen in der Endmontage. Die NASA hat im Rahmen ihres Artemis-Programms bisher sechs europäische Servicemodule bestellt, denn am Ende jeder Mission wird das jeweilige Servicemodul in der Erdatmosphäre verglühen, während das Besatzungsmodul im Pazifischen Ozean wassern wird.

Portrait von Anna Christmann, Frau mit rot-braunen Haaren in einem senfgelben Oberteil
(Bild: BMWiK)

„Zurück zum Mond, mit deutscher Beteiligung. Ohne das ESM kann das Orion-Raumschiff nicht fliegen. Es ist daher ein großer Vertrauensbeweis der Amerikaner gegenüber Europa und Deutschland, Entwicklung und Bau dieses wichtigen Missionselements in europäische und deutsche Hände zu legen. Das macht uns außerordentlich stolz und zeigt, welche ausgezeichnete Arbeit die deutsche und europäische Industrie und Wissenschaft leistet.“

Dr. Anna Christmann, Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt.

Welche Industrie-Partner sind am ESM für Artemis beteiligt?

Airbus hat das ESM als Hauptauftragnehmer der europäischen Weltraumorganisation ESA entwickelt und gebaut. Dabei liegt zum Beispiel die Flugelektronik direkt in der Hand des Unternehmens. Für weitere Komponenten bekommt Airbus Unterstützung von vielen anderen europäischen beziehungsweise deutschen Unternehmen.

Zum Beispiel liefert die Ariane Group wichtige Bauteile. Zum Beispiel kommen 24 Lagerregelungstriebwerke mit einer Schubkraft von 200 Newton der Ariane Group in Lampoldshausen (Baden-Württemberg) zum Einsatz. Die Treibstofftanks werden von der Ariane Group in Bremen beigesteuert. Hinzu kommt ein umfangreiches Arbeitspaket für die dort stattfindende Endintegration. Dies umfasst die Integration der einzelnen Komponenten, die Installation der Kabelbäume, Thermalhardware und Treibstoffleitungen, Schweißarbeiten, Tests, inklusive der Hochdrucktests sowie Integrations-Support in den USA.

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MT Aerospace aus Augsburg liefert Gastanks und Druckregler für Sauerstoff und Stickstoff. Das Unternehmen ist zusätzlich auch an der Trägerrakete beteiligt und Partner von Boeing im SLS-Programm.

Tesat in Backnang leitet für Airbus die Teilebeschaffung für Elektronikbauteile und stellt so die Qualität und Zuverlässigkeit aller elektrischen und elektronischen Komponenten von HI-REL (high reliability / sicherheitsrelevant) sicherzustellen.

Weitere beteiligte Unternehmen sind beispielsweise IABG aus Ottobrunn (Thermalvakuumtests), Filcon Electronic aus Taufkirchen (Steckverbindungen), Witzenmann aus Pforzheim (Bälge für Ventile) und Phytron aus Gröbenzell (Stellmotoren für Triebwerksventil).

Astronaut Alexander Gerst freut sich ebenfalls über die starke deutsche Beteiligung am Projekt, auch weil ein paar Teile aus seiner Heimat kommen und ihn an seine Kindheit erinnern:

Warum ist das ESM für Artemis so wichtig?

Die Konstruktion des Orion-Raumschiffs soll es ermöglichen, Astronaut:innen weiter als je zuvor in den Weltraum zu befördern, zu versorgen und eine sichere Rückkehr zur Erde sicherzustellen.

Das Servicemodul ist das Herzstück des Raumschiffs, denn ohne es kann Orion nicht fliegen. Es sitzt direkt unter der Crew-Kapsel und enthält das Haupttriebwerk. Neben seiner Funktion als Hauptantriebssystem ist das ESM für das Orbitalmanöver und die Lageregelung zuständig.

Außerdem liefert es über vier Solarsegel den Strom, reguliert Klima und Temperatur im Raumschiff und lagert Treibstoff, Sauerstoff und Wasservorräte für die Crew.

Redakteurin Julia Dusold mit additiver Greiferlösung
  (Bild: PRODUKTION)

Die Autorin Julia Dusold ist Technik-Redakteurin bei mi connect. Sie beschäftigt sich mit verschiedenen Fertigungstechnologien, zum Beispiel der Zerspanung, der Lasertechnik und dem 3D-Druck. Außerdem in Julias Portfolio: Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz und Quantentechnologie. Gemeinsam mit der Wirtschaftsredakteurin Anja Ringel produziert und moderiert sie den Interview-Podcast Industry Insights.

Vor ihrer Arbeit bei mi connect hat Julia zuerst Physik und dann Wissenskommunikation studiert. In ihrer Freizeit ist sie gerne am, im und auf dem Wasser unterwegs oder reist auf diverse Weisen in fiktive Welten.

Wie ist das European Service Modul aufgebaut?

Das ESM besteht aus mehr als 20.000 Teilen und Komponenten, von der elektrischen Ausrüstung über Triebwerke, Solarzellen, Treibstofftanks und Lebenserhaltungsmaterialien bis hin zu zwölf Kilometern Kabeln und mehreren Kilometern Schläuchen.

Das Modul hat eine zylindrische Form mit einem Durchmesser und einer Höhe von etwa vier Metern. Beim Start wiegt es insgesamt etwas mehr als 13 Tonnen und macht damit etwa 3/5 der Gesamtmasse des Orion-Raumschiffs aus. 8,6 Tonnen Treibstoff treiben das Haupttriebwerk, acht Hilfstriebwerke und 24 kleinere Triebwerke an.

Explosionsdarstellung des Raumschiffs Orion mit Beschreibung der einzelnen Baugruppen
Das Raumschiff Orion im Überblick. (Bild: ESA)

Das ESM stützt sich auf ein charakteristisches vierflügeliges Solarsystem. Dabei besteht jeder Flügel aus drei separaten Paneelen, die sich nach dem Start auf eine Länge von sieben Metern entfalten. Dann hat das Raumfahrzeug eine "Flügelspannweite" von 19 Metern. 15.000 Solarzellen erzeugen genug Energie, um zwei Haushalte zu versorgen. Jedes der vier Arrays ist um zwei Achsen drehbar. So können sie sich für eine maximale Stromerzeugung nach der Sonne ausrichten.

Die Außenseite des ESM ist mit Kevlar verkleidet, um Schäden durch Mikrometeoriten und den Einschlag von Weltraummüll zu vermeiden. Darüber hinaus sind wichtige redundante Systeme wie die Avionik auf gegenüberliegenden Seiten des Moduls angeordnet.

Zukunftstechnologien verstehen!

Die Technik entwickelt sich so schnell weiter wie noch nie. Neue Technologien halten ständig Einzug in unserem Leben. Natürlich heißt das nicht, dass alte Technologien verschwinden werden, aber die Relevanz wird sich verschieben. Welche Technologien und Konzepte wichtiger werden, was der aktuelle Stand ist und worin Chancen für die Industrie liegen, lesen Sie in unserer Rubrik "Zukunftstechnologien" - hier entlang!

 

Einen Überblick über die relevantesten Zukunftstechnologien und deren industrielle Einsatzmöglichkeiten hat unsere Redakteurin Julia Dusold in diesem Kompendium für Sie zusammengefasst: "Das sind die wichtigsten Zukunftstechnologien".

 

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