MT Aerospace – der Unternehmensname ist seit Jahren mit den Ariane-Raketen verknüpft. Denn das Augsburger Unternehmen war am Bau von insgesamt 93 Ariane-Trägern des Typs 5 beteiligt. Und auch die Tanks für Ariane 6 kommen von MT Aerospace. Doch bekanntermaßen verschob sich der Start der Rakete immer wieder. Der eigentlich für 2020 angepeilte Erstflug ist nun laut DLR für Ende 2023 geplant.
Das hat auch Auswirkungen für die Augsburger, die sich nun weitere Standbeine neben Ariane 6 aufbauen. Denn eigentlich wurde das Unternehmen auf die Fertigung der Ariane-6-Bauteile ausgerichtet. Das erklärte auch der Betriebsratsvorsitzende Markus Zerle auf einer Betriebsversammlung Ende März.
Doch nach dem Auslaufen der Ariane 5 sei alles anders gekommen. Mehr als 500 Menschen arbeiten in Augsburg und die bewege die Verzögerungen der Ariane 6 immer, erklärte Betriebsratsvorsitzende Markus Zerle. Denn: Die Angst vor einem Produktionsstopp sei groß. Schließlich seien schon viele Bauteile fertig.
Die wichtigsten Fakten zu Ariane 6
- Zweck: Ariane 6 ist der Nachfolger von Ariane 5 und soll Satelliten für kommerzielle und öffentliche Zwecke in das Weltall transportieren. Sie soll die europäische Raumfahrt wettbewerbsfähiger machen. So ist zum Beispiel geplant, dass Ariane 6 auch Missionen übernimmt, die bisher von der russischen Trägerrakete Sojus gemacht wurden.
- Kosten: Die Rakete hat bisher rund vier Milliarden Euro gekostet.
- Nutzlastkapazität: 5 Tonnen bis 11 Tonnen in einen GTO (Geostationärer Transferorbit)
- Erstflug: Der Erstflug der Ariane-6-Rakete ist für Ende 2023 geplant.
- Konkurrenz: Ariane 6 konkurriert mit den Falcon-9-Raketen von SpaceX. Mehr zu SpaceX-Gründer Elon Musk lesen Sie in diesem Artikel: "Die Unternehmen von Elon Musk"
Schon gestartet ist die Artemis-I-Mission. Alles dazu lesen Sie hier: "So glänzt Europas Industrie bei der Raumfahrtmission Artemis"
Additive Fertigung als neues Standbein
An eben dieser Umstellung arbeitet das Unternehmen nun seit einiger Zeit auf Hochtouren. MT Aerospace könne weit mehr als nur Raumfahrt, sagt CEO Hans Steininger auf der Betriebsversammlung.
Die Entwicklung vom Luft- und Raumfahrt- zum Technologieunternehmen ist unter anderem in den Werkshallen sehr sichtbar. Denn dort, wo vor einigen Jahren noch die Anlagen für die Teileproduktion für Ariane 5 tief im Boden verankert waren, stehen jetzt 3D-Drucker. MT Aerospace will sich als ein Standbein im Metall-3D-Druck etablieren.
„Wir haben vor vier Jahren mit dem 3D-Druck angefangen“, erklärt COO Bernd Beschorner im Gespräch mit PRODUKTION. „Inzwischen drucken wir viele Raumfahrtteile wie zum Beispiel Verdichterkammern. Wir haben das Materialverständnis im Unternehmen und unsere Spezialisten für Hochtechnologieprodukte. Deshalb machen wir alles unter einem Dach.“
MT Aerospace setzt dabei auf unterschiedliche Verfahren: DED (Directed Energy Deposition) und das Pulverbettverfahren. Mehr zu den beiden Technologien lesen Sie in diesem Artikel: „Das sind die wichtigsten additiven Fertigungsverfahren“
Was Sie schon immer über additive Fertigung wissen wollten
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Der 3D-Druck hilft auch bei den momentanen Lieferschwierigkeiten. „Derzeit sind die Lieferzeiten bei Titanschmiedeteilen sehr lange“, berichtet Beschorner. „Den Titan, den wir für den 3D-Druck brauchen, bekommen wir schneller.“ Das Ziel sei es, anspruchsvolle 3D-gedruckte Bauteile für Wasser, Land und Luft zu fertigen, so der Betriebsratschef.
Wasserstoff-Wissen wird auch in anderen Bereichen eingesetzt
Ein weiteres Standbein ist der Wasserstoff. „Wir haben ein unheimlich großes Wissen beim Thema Wasserstoff-Speicher“, sagt der COO. Schließlich wird in den Bauteilen von MT Aerospace flüssiger Wasserstoff gespeichert. Erst diese Woche hat das Unternehmen angekündigt, dass es zusammen mit MTU Aero Enginges ein komplettes Flüssgwasserstoff-Treibstoffsystem für die zivile Luftfahrt entwickelt.
Das Wissen soll jetzt auch „from space to earth“ zum Beispiel bei Lastwagen angewendet werden, so Beschorner. Zudem arbeitet MT Aerospace an der Fertigung von dezentralen H2-Energiespeicher-Systemen, um zum Beispiel Kliniken mit einem eigenen Energiesystem ausstatten zu können.
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Hallenmeister macht Hobby zum Beruf
Um all diese Themen bedienen zu können, braucht es natürlich auch die passenden Beschäftigten. MT Aerospace hat sich einen Teil des Know-Hows durch neue Mitarbeitenden geholt, der andere Teil – wie zum Beispiel das Know-How rund um Metalle – war bereits im Unternehmen vorhanden.
Und es gibt auch solche Fälle: „Unser Hallenmeister, der sich um die Instandhaltung der Hallen gekümmert hat, hat inzwischen sein Hobby zum Beruf gemacht”, berichtet Beschorner. “Er kümmert sich jetzt um den 3D-Druck im DED-Verfahren und hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel Wissen angeeignet.“
Neben den neuen Projekten soll der Raumfahrt-Bereich ebenfalls wachsen. Unter anderem durch amerikanische Kunden. „Für kommerzielle Zwecke bauen wir zum Beispiel die Hülle der Raumstationen“, berichtet der COO. Einen Prototypen dazu gibt es schon. Aber auch am Raketenbau sind die Augsburger weiter beteiligt.
Dafür werden in einer ebenfalls umgebauten Halle beispielsweise die Bleche für die Domkappen gefertigt – für Ariane 6, aber auch andere Raketen. Dabei machen die Augsburger auch immer mehr Schritte selber – zum Beispiel den Kugelstrahlumformprozss. „Das haben wir erst extern eingekauft und seit der Krise machen wir das intern“, erklärt Beschorner. In einer weiteren Halle wird aus der ehemaligen Boosterfertigung für die Ariane 5 eine CFK-Halle.
Unterstützung bei der Umstrukturierung bekommt MT Aerospace auch von der Politik: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder kündigte bei der Betriebsversammlung an, er wolle bei der Entwicklung der Ariane-6-Rakete mehr Druck machen. Beim Thema Wasserstoff bot er ebenfalls Hilfe an. Es gebe enorme Möglichkeiten bei innovativen Wasserstoffprojekten, sagte er.