Maximilian Bronner (links) und Christian Wurster.

Maximilian Bronner (links) und Christian Wurster (rechts) wissen, wie man das zum Standort passende Shopfloormanagementsystem auf die Beine stellt. (Bild: Fischer)

Die Unternehmensgruppe Fischer ist in verschiedenen Welten unterwegs: Fischertechnik kennen die meisten aus ihrer Kindheit und auch der ‚Fischerdübel‘ aus dem Bereich Befestigungssysteme ist jedem ein Begriff. Zum Familienunternehmen gehören darüber hinaus die Bereiche Automotive, Consulting, Electronic Solutions, SystemTec, Sondermaschinenbau sowie Werkzeug- und Formenbau.

Aufgrund des hohen Kostendrucks im Automotive-Bereich hat sich bereits vor über 20 Jahren das Fischer ProzessSystem (FPS) als Schlüssel zum Erfolg fest etabliert. Kennzeichnend für Fischers Philosophie zur Vermeidung von Verschwendung, kontinuierlichen Prozessverbesserung und Ausrichtung an den Bedürfnissen der Kunden sind die extrem schlanken Prozesse, die sich über das gesamte Unternehmen ausbreiten. Entscheidende Faktoren im FPS sind unter anderem Transparenz und Flexibilität – Aspekte, die von der Digitalisierung profitieren.

Shopfloormanagement: Das hat sich geändert

„Mit dem FPS geht es uns in erster Linie darum, die Kaizen-Kultur wieder zu schaffen – und die spürt man vor Ort“, sagt Christian Wurster, Bereichsleiter Kunststoffproduktion. Deshalb hat sich an den Grundprinzipien des Shopfloormanagements und der wesentlichen Kennzahlen beziehungsweise an den Ergebnissen deren Analyse bis heute nichts geändert.

Lediglich die Methoden zur Analyse sind andere, da hierfür nun digitale Tools verwendet werden, um Durchsatz und Durchlaufzeiten zu messen sowie Aufträge wesentlich einfacher planen und disponieren zu können.

Digitale Shopfloortafel.
Digitale Shopfloortafel im Werk Tumlingen. (Bild: Fischer)

Dank einer durchgängigen, digitalisierten Informationskette vom Kunden bis zur Maschine, beginnt der Prozess in Tumlingen bereits 24 Monate vor Auftragseingang. „Digital können wir heute schon sehen, ob wir nächstes Jahr Engpässe haben, wo wir investieren müssen, neue Werkzeuge oder zusätzliche Kapazitäten benötigen und eventuell auch ein neues Werk bauen müssen.

Was dann auf dem Shopfloor passiert, ist eigentlich nur die Abwicklung von dem, was wir zwei Jahre vorher schon bis auf Artikelebene gesehen haben“, erklärt Maximilian Bronner, Geschäftsführer Produktion & Logistik, den Nutzen der Digitalisierung am Hauptstandort.

Digitalisierung: Mitarbeitenden wurden grundlegend neu geschult

Diesem Nutzen ging ein großes IT-Projekt voraus, für das extra ein Smart Factory-Team aus Mitarbeitenden aus der Produktion und der IT gegründet wurde, das nach wie vor als Ansprechpartner für Fragen, Vorschläge und Umsetzung jedem zur Verfügung steht. Getrieben durch den Kaizen-Gedanken, haben die Mitarbeitenden im Tumlingen nämlich massive Rückendeckung von der Führungsebene, Dinge einfach auszuprobieren und auch aus den Fehlern zu lernen.

Im Zuge der Digitalisierung mussten darüber hinaus alle Mitarbeitenden grundlegend neu geschult werden, weil sich natürlich auch die Prozesse und deren Bedienung geändert haben. Auch die bisherige Firmenstruktur wurde um eine Ebene erweitert: Zur Teamleiter-, Abteilungs-, Bereichs- und Geschäftsführungsebene kamen Teamsprecher hinzu, um bereits in kleinen Gruppengrößen auf Kennzahlen zu achten.

„Wir haben die Teams nicht nur kleiner gemacht, um die Lösung noch näher an das Problem zu bringen und schneller in der Umsetzung zu sein“, berichtet Wurster und ergänzt: „Wir können dadurch auch das Wissen der Mitarbeiter viel besser nutzen und sicherstellen, dass wir sie bei der Digitalisierung nicht verlieren.“

Digitales Shopfloormanagement: Anlaufphase ist länger

„Der Erfolg einer effizienten Werksteuerung liegt jedoch nicht in der Digitalisierung“, verrät Bronner. Zwar kann sie helfen, Daten schneller und besser auszuwerten und die Effizienz noch weiter zu steigern. Um aber überhaupt ein effizientes Shopfloormanagement auf die Beine zu stellen, muss zunächst einmal das Grundprinzip von jedem verstanden werden.

Wenn man von Grund auf mit einem digitalen Shopfloormanagement startet, lassen sich die höheren Investitionen, lange Durchlaufzeiten sowie Abhängigkeiten von der IT und IT-Lieferanten nicht vermeiden. Weil sich daraus im Gesamtprojekt eine ganz andere Komplexität ergibt, ist auch die Anlaufphase, bis man den Vorteil der Digitalisierung nutzen kann, deutlich länger als beim Aufbau eines analogen Shopfloormanagements.

„Bis man also wirklich messen kann, wo man steht, dauert es so lange, dass am Ende keiner mehr versteht, warum die Kennzahlen überhaupt wichtig waren“, nennt Bronner das größte Manko.

Und weil es mit Hilfe einer analogen Shopfloormanagement-Tafel einfacher, schneller und günstiger ist, das Grundprinzip des Shopfloormanagements zu verstehen, hält man in Tumlingen trotz digitalem MES und einem digitalen Planungssystem weiterhin daran fest. „Wir haben das bewusst sehr einfach gehalten, denn das analoge System zwingt einen dazu, sich wieder auf das Wesentliche zu beschränken“, betont sein Kollege Wurster.

Analoge Shopfloortafel.
Konzentration auf das Wesentliche: Analoge Shopfloortafel im tschechischen Werk. (Bild: Fischer)

Analoge Shopfloor-Tafel: Darum geht es

Fischer geht es mit der analogen Shopfloor-Tafel darum, die wesentlichen Messgrößen täglich zu tracken. Dazu zählen neben den Themen Qualität, Kosten und Lieferperformance auch die Arbeitssicherheit und wie es um die Mitarbeitenden steht. Das Ziel dahinter ist immer die schnelle Problemlösung vor Ort.

„Und da hat das Analoge nach wie vor Vorteile, weil man sehr schnell agieren und Veränderungen zeigen kann. Man muss nicht warten, bis eine IT reagiert oder die Software das neue Release bekommt“, sagt Wurster über die schnelle Reaktionsfähigkeit bei Prozessen, die analog einfacher beherrschbar sind als digitalisiert.

Bestes Beispiel: Aktionslisten werden zwar digital mit einer App auf dem Handy erfasst. Fischer hat jedoch eine Zusatzprogrammierung erstellt, damit man diese einfach ausdrucken kann. Die Liste mit Nummer, Maßnahme, Verantwortlicher, Termin und Status wird täglich aktualisiert und hängt trotz Verfügbarkeit in der App wie früher an der Wand. Warum? Erstens bringt der Status in der App nichts, wenn sie keiner aktiv öffnet. Zweitens erklärt Wurster: „Bis Sie morgens in alle Dashboards geschaut haben, hat Sie der Shopfloor schon längst eingeholt.“

Digitalisierung muss zum Standort passen

Ein digitales Shopfloormanagement muss laut Bronner auch zum Standort passen. Denn während ein analoges Shopfloormanagement die Zusammenarbeit der Mitarbeitenden erfordert, müssen bei einem digitalen Systeme und Mitarbeitenden zusammenarbeiten.

Die Folge: Die Komplexität im Gesamtsystem steigt. Im Werk in Tschechien werden Artikel zur Sortimentskomplettierung hergestellt, deren Mindestlosgröße für den Standort in Deutschland zu hoch wäre. Ein Bolzenanker mit 24 Millimeter Durchmesser zum Beispiel, der nur in Extremsituationen gebraucht wird, im Angebot eines Fullsortimenters dennoch enthalten sein muss.

Ein volldigitalisiertes System mit einer Gesamttransparenz über den ganzen Standort würde die Komplexität des Systems bei der Produktion eines solchen ‚Exoten’ im Vergleich zu einem analogen Kanban-Prinzip nur unnötig erhöhen. Und das widerspricht dem Lean-Gedanken hinter dem Fischer ProzessSystem.

Digitalisierung hilft bei Transparenz

„Die Digitalisierung muss zu unserer FPS-Kultur passen. Ein Element dieses Systems ist die Transparenz. Da hilft uns die Digitalisierung natürlich enorm. Ein zweites Element ist aber auch die Wertschöpfung. Wenn wir mit der Digitalisierung den Fokus auf die Wertschöpfung verlieren, dann hilft sie uns nicht“, begründet Bronner die traditionelle Shopfloorsteuerung im tschechischen Werk.

Gerade weil in Vyškov ein sehr viel breiteres Produktspektrum und eine sehr breite Produktvarianz vorliegt, kann die Fabrik auch ohne digitalem EMS und digitaler Plantafel genau so gut gesteuert werden wie in Tumlingen. Eher sogar noch besser, wie Bronner verrät, da die Stärken des Standorts dem analogen Shopfloor voll zu Gute kommen. So seien die Mitarbeiter in Tschechien nicht nur sehr pragmatisch und agil in der Umsetzung von Lösungen. Weil Vyškov kein zentrales Werk ist, kann sich das Team auch viel schlanker aufstellen, was wiederum die Zusammenarbeit der Mitarbeitenden erleichtert.

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(Bild: narong - stock.adobe.com)

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Rational überzeugt auch bei Shopfloormanagement

Zwar lässt sich ein Werk mit einem analogen Shopfloormanagement besser optimieren, weil man schnelle Erfolge zeigen kann. Irgendwann flacht jedoch die Kurve der Entwicklung ab und man braucht die Digitalisierung, um an einem guten Standort noch besser zu werden. Um also für die oberen zehn Prozent der Effizienz nochmals wesentlich mehr Möglichkeiten zu erhalten, wird auch in Tschechien bezüglich der Planungsoptimierung die Digitalisierung im nächsten Jahr vorangetrieben werden.

Zuvor müssen aber die Grundprozesse funktionieren und aufeinander abgestimmt sein. „Nur dann habe ich die Prozesse auch kapiert. Wenn ich sie dann digital kopiere, funktioniert es auch“, weiß Wurster aus Erfahrung.

„Genau deshalb hat mich Rational am meisten beeindruckt“, blickt Bronner auf den Kongress zur Fabrik des Jahres im März zurück. Der Gesamtsieger „Fabrik des Jahres 2023“ setzt ebenfalls auf einfache und nachvollziehbare Prozesse, „obwohl am Ende ein sehr komplexes Produkt hergestellt wird. Mit einzelnen Anlagen, die sich autonom instandhalten, und gleichzeitig aber einem analogen Kanban-Prozess schafft es Rational jedes Jahr, diese gigantischen Ergebnisse zu erzielen“, zeigt sich Bronner beeindruckt von Rationals pragmatischen Digitalisierungsansatz.

Und weil Fischer ebenfalls von diesem überzeugt ist, rät Bronner auch dazu, manche Prozesse einfach analog zu lassen und sie durch die Digitalisierung nicht komplexer zu machen als sie sind. Ansonsten hat man sie seiner Meinung nach wirklich nur schlechter gemacht.

(Bearbeitet von Anja Ringel und Sabine Königl.)

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