Der schwedische Batteriehersteller Northvolt steckt in der Krise. Millionen an Steuergeldern drohen verloren zu gehen. Bundeskanzler und Vizekanzler verteidigen ihre Politik.

Der schwedische Batteriehersteller Northvolt steckt in der Krise. Millionen an Steuergeldern drohen verloren zu gehen. Bundeskanzler und Vizekanzler verteidigen ihre Politik. (Bild: Northvolt)

Die rot-grüne Bundesregierung wehrt sich gegen Kritik an ihrer Förderpolitik angesichts der Krise beim schwedischen Batteriehersteller Northvolt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte bei einer Regierungsbefragung im Bundestag mit Blick auf die Entwicklung der Elektromobilität, strategische Komponenten müssten in Europa hergestellt werden. Deshalb sei es richtig, dass die Bundesregierung den Bau von Batteriefabriken fördere. „Das werden wir auch weitermachen.“ Es gebe keinen Grund, dies sein zu lassen.

Auch Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck verteidigte die staatlichen Zuschüsse für Unternehmen. „Der Grund dafür ist im Kern Widerstandsfähigkeit der europäischen und deutschen Wirtschaft“, sagte der Grünen-Politiker vor einer Befragung im Haushaltsausschuss des Bundestages. Deutschland sei bei der Batterieproduktion zu 80 Prozent von China abhängig. Zudem stammten die Förderprogramme im Wesentlichen von der Vorgängerregierung - also unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Diese habe richtig entschieden.

Haushaltsausschuss befasst sich mit Northvolt

Das Wirtschaftsministerium hat beim Haushaltsausschuss eine sogenannte überplanmäßige Ausgabe in Höhe von rund 620 Millionen Euro beantragt. Damit sollen rechtliche Verpflichtungen des Bundes aus einem Zuordnungsgeschäft der staatlichen Förderbank KfW im Zusammenhang mit der Zeichnung einer von Northvolt im Dezember 2023 begebenen Wandelanleihe erfüllt werden. Auch wenn die deutsche Projektgesellschaft in Heide nicht unmittelbar betroffen sei, sei mit der Eröffnung des Chapter 11-Verfahrens der Rückzahlungsanspruch der KfW aus der Wandelanleihe sofort fällig geworden, heißt es in einem Schreiben an den Haushaltsausschuss.

Aus Kreisen des Ministeriums hieß es, dass es sich bei der Wandelanleihe um ein marktübliches, beihilfefreies Instrument handele. Dies zeige sich auch daran, dass zahlreiche namhafte institutionelle und industrielle Investoren sowie Pensionsfonds die Wandelanleihe der Northvolt AB gezeichnet und das Risiko gleich bewertet hätten. Insgesamt seien 3,3 Milliarden US-Dollar (rund 3,1 Milliarden Euro) gezeichnet worden. Northvolt verfüge über Kundenaufträge im hohen zweistelligen Milliardenbereich von Top-Adressen der Automobilindustrie, hieß es.

Kritik an Förderpolitik

Christian Dürr, Fraktionschef des früheren Ampel-Partners FDP, sagte, die Northvolt-Insolvenz sei ein Beispiel für eine „gescheiterte planwirtschaftliche Subventionspolitik“, die am Ende von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ausgebadet werden müsse. Der FDP-Haushälter Karsten Klein sagte: „Ob bei Batteriezellen, Computerchips oder grüner Stahl, Habecks planwirtschaftliche Luftschlösser fallen in der Realität der sozialen Marktwirtschaft alle in sich zusammen. Er ist für den deutschen Steuerzahler der teuerste Wirtschaftsminister aller Zeiten.“

CSU-Generalsekretär Martin Huber sprach von einer „desaströsen Steuerverschwendung“. Die CDU-Wirtschaftspolitikerin Julia Klöckner warf Habeck vor, bei Northvolt „geschlampt“ zu haben. „Ihnen waren schöne Bilder wichtiger beim Spatenstich als die Prüfung von Steuergeld.“ 620 Millionen Euro, viel Geld angesichts der angespannten Haushaltslage, schienen nun verloren.

Umstritten ist auch die eigentlich geplante milliardenschwere staatliche Förderung eines Chipwerks des US-Konzerns Intel in Magdeburg. Intel hat den Bau des Werks inzwischen aufgrund von Sparmaßnahmen verschoben.

Habeck spricht von Wirtschaftssicherheit

Habeck verteidigte den Kurs der Regierung: „Unser Halbleiter, also Mikrochips, werden in ganz großen Anteilen in Taiwan und Südkorea produziert.“ Taiwan habe Konflikte mit China, Südkorea sei der Nachbar von Nordkorea. „Davon hängt unsere gesamte Wirtschaft im Hochtechnologiebereich ab. Das ist schon eine gewagte Wette, zu sagen, das sind sichere Zuliefererbedingungen, die werden die nächsten 20 Jahre auf jeden Fall so sein.“ Deswegen sei es wichtig, in die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft zu investieren. „

Das ist eine Wirtschaftssicherheits-Programmatik, aber Sicherheit hat natürlich einen Preis. Sonst produzieren die Unternehmen eben nicht in Europa.“

dpa

ZVEI-Studie: Halbleiterförderung rechnet sich volkswirtschaftlich

Förderungen in die Halbleiterindustrie sind für den Staat ein lohnendes Investment. Das ist ein Ergebnis der neuen ZVEI-Studie „Von Chips zu Chancen: Die Bedeutung und Wirtschaftlichkeit der Mikroelektronikförderung“. „Die für die Mikroelektronik eingesetzten Mittel erzielen eine hohe Rendite“, erklärt der Studienautor Tanjeff Schadt, Partner bei Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC. Der Ertrag liege zwischen 30 bis 40 Prozent, das eingesetzte Geld amortisiere sich nach neun bis zwölf Jahren. Ausgelöst durch die Mikroelektronikförderung steige die jährliche Bruttowertschöpfung in Europa um 33 Milliarden Euro, die Steuereinnahmen legten um 7,9 Milliarden Euro pro Jahr zu. Dazu kämen 65.000 neue, qualifizierte Arbeitsplätze in Europa, davon 49.000 allein in Deutschland. „Die Zahlen zeigen eindeutig: Das Investment rechnet sich und schafft die Grundlage für Europas Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft. Über die gesamte Wertschöpfungskette sehen wir Wirtschaftswachstum und Beschäftigungsaufbau“, bilanziert Schadt. „Jeder direkte Arbeitsplatz erzeugt rund sechs weitere Stellen entlang der Wertschöpfungskette, nicht eingerechnet sind Arbeitsplätze, die aufgrund von erhöhter Wettbewerbsfähigkeit in angrenzenden Industrien entstehen.“

Trotz dieser positiven Effekte müssen Deutschland und Europa laut ZVEI mehr für die Mikroelektronikbranche tun. Die Studie stellt fest: Das angestrebte 20-Prozent-Ziel der Europäischen Union für globale Halbleiterkapazitäten bis 2030 ist nicht zu erreichen. Selbst mit den gegenwärtig bereitgestellten Fördermitteln würde der Anteil von aktuell 8,1 Prozent auf 5,9 Prozent im Jahr 2045 absinken. „Europa droht bei einem weiteren Rückgang der Produktionskapazitäten abgehängt und zum Spielball geopolitischer Machtinteressen zu werden“, warnt ZVEI-Präsident Dr. Gunther Kegel. Weil die Mikroelektronikindustrie entscheidend für Europas Wettbewerbsfähigkeit und technologische Souveränität sei, müsse die EU ihr Engagement verstärken. Kegel: „Die aktuellen Förderzusagen können nur ein erster Schritt sein, sie müssen ausgebaut werden.“ Europa verfüge nur in den Bereichen Leistungshalbleiter, Mikrocontroller und Sensorik noch über eine starke Marktposition, so der ZVEI-Präsident weiter und fordert: „Um unsere Stellung in den globalen Wertschöpfungsketten abzusichern, sollte die Förderung sich künftig auf bestehende Stärken fokussieren. Europa braucht ein eigenes technologisches Faustpfand, an dem international nicht vorbeizukommen ist.“

Wichtig sei darüber hinaus, die Förderung auf das Mikroelektronik-Ökosystem auszuweiten. Kegel: „Ein weiteres Abschmelzen unserer Marktanteile bei Leiterplatten und Elektronikfertigung können wir uns nicht erlauben.“ Anders als beispielsweise in den USA gibt es für beide Industrien in der EU keine Förderung. Der Marktanteil der EU am globalen Leiterplattenmarkt ist historisch stark geschrumpft und liegt deutlich unter fünf Prozent. 85 bis 90 Prozent des weltweiten Produktionsvolumens wird in China und Taiwan hergestellt.

Chips: Schlüsseltechnologie zum Erreichen der Klimaziele
Die Studie macht des Weiteren deutlich, welchen Beitrag die Mikroelektronik zur CO₂-Reduktion leistet. „Halbleiter helfen, ein Vielfaches der Emissionen einzusparen, die im Rahmen ihrer Fertigung anfallen“, erklärt Andreas Urschitz. Große Chancen sieht der ZVEI- und Infineon-Vorstand darin, Europa zum Vorreiter von Klimatechnologien zu entwickeln. „Ob Photovoltaik, Windkraft, Wärmepumpe, Speicher oder emissionsfreie Mobilität: Der Bedarf an klimaschonenden Technologien wird rasant zulegen“, so Urschitz weiter. „Die beabsichtigte klimaneutrale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft gelingt nur mit Mikroelektronik. Halbleiter ermöglichen Innovation, Produktivitätsfortschritt und damit Wettbewerbsfähigkeit zukunftsgerichteter Industriesektoren, wie zum Beispiel dem Automobilbereich, erneuerbarer Energien und Netze, Industrieautomatisierung und etliche mehr.“

Laut Studie entfällt der größte Anteil des zum Erreichen der Klimaziele benötigten Halbleiterbedarfs – 80 Prozent – auf Leistungshalbleiter. Denn diese würden nahezu überall zur Steuerung und Optimierung gebraucht. Um das selbstgesteckte Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, könnten bis zu 25 Prozent der antizipierten europäischen Produktionskapazitäten allein für die klimaneutrale Elektrifizierung benötigt werden, weist die Studie darüber hinaus nach.

ZVEI

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dpa