Maschinenbauer im Schraubstock
Zölle, KI und China-Konkurrenz: So reagiert der Maschinenbau
Der deutsche Maschinenbau steht mit dem Rücken zur Wand: Handelszölle, China-Offensive und ein gefährlicher Investitionsstau bedrohen Jobs, Märkte und Innovationen. Eine neue Studie zeigt, wie extrem der Druck ist – und welche Wege noch offen stehen.
Der Maschinen- und Anlagenbau ist neben der Automobil- und Chemieindustrie am härtesten von Zöllen betroffen – 60 Prozent erwarten schmerzhafte Umsatzeinbußen im US-Geschäft, neun von zehn gehen von negativer Entwicklung aus. Doch der Einsatz von KI macht Hoffnung.
(Bild: DailyStock - adobe.stock.com)
Eine aktuelle Horváth-Studie unter mehr als 120 Vorstands- und Geschäftsführungsmitgliedern weltweit tätiger Top-Player der Maschinen- und Anlagenbau-Branche, mehrheitlich aus Deutschland, zeigt: Der Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland steht unter nie dagewesenem Kosten- und Wettbewerbsdruck. Die Branche gehört zusammen mit der Automobil- und der Chemieindustrie zu den am härtesten von den von der US-Regierung erlassenen Zöllen auf EU-Waren betroffenen Industriezweigen, da sie besonders exportorientiert sind. Neun von zehn Maschinen- und Anlagenbauern geben an, dass sich die Zölle auf EU-Waren negativ auf ihr US-Geschäft im laufenden Jahr auswirken werden. 57 Prozent von ihnen rechnen mit herben Umsatzeinbußen.
Warum verschärfen Zölle den Krisenmodus im Maschinenbau?
„Der Zoll-Deal trifft den Maschinenbau hart. Zwar sind sie jetzt berechenbar und die weitere Geschäftsentwicklung besser planbar, doch das ändert nichts daran, dass sie den Kostendruck weiter erhöhen und Arbeitsplätze kosten werden“, sagt Dr. Ralf Sauter, Studienleiter und Partner bei Horváth. Der Experte warnt jedoch davor, sich zu stark auf die Zollbelastung zu konzentrieren. „Die Zölle können durch Kostenoptimierung und Verlagerungen gemanagt werden. Echter strategischer Handlungsbedarf ergibt sich jedoch aus der Konkurrenz aus China“, so Sauter.
China drängt auf den Heimatmarkt
Wie die Studie zeigt, gehen 73 Prozent der befragten Vorstands- und Geschäftsführungsmitglieder davon aus, dass chinesische Hersteller aufgrund von Handelsrestriktionen massiv in den europäischen Markt drängen und dort Marktanteile gewinnen werden. Die Mehrheit gibt darüber hinaus an, dass Produkte der chinesischen Konkurrenz deutschen Produkten in Qualität und Technologie bereits in nichts mehr nachstehen. „Das setzt die heimischen Hersteller unter Zugzwang. Sie setzen daher verstärkt auf Innovationen, Forschung und Entwicklung sowie KI“, sagt Studienleiter Sauter. An zweiter Stelle der strategischen Managementprioritäten steht nach Kostenoptimierung das Thema Automatisierung & KI, gefolgt von Investitionen in Forschung und Entwicklung. 83 Prozent der Befragten geben konkret an, ihre Investitionen im Bereich F&E zu verstärken.
Zugänge zu chinesischen Herstellern gesucht
Um im Verdrängungswettbewerb auf dem heimischen Markt nicht unterzugehen, suchen die Maschinen- und Anlagenbauer händeringend nach Möglichkeiten, ihre Komponenten bei chinesischen Anbietern unterzubringen. „Lokal in China produzierte Teile sollen von chinesischen Produzenten verbaut und in den Weltmarkt exportiert werden – so wollen die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer ihr Stück vom Kuchen sichern“, sagt der Studienleiter. Vier von fünf Unternehmen der Branche verfolgen diese Strategie. Sauter ergänzt jedoch: „Wenn alle aufs gleiche Tor schießen, ist auch absehbar, dass das nicht aufgeht.“
Personalverlagerungen: 20 Prozent weniger Stellen in Deutschland
In dieser angespannten finanziellen Situation ist kein Personalaufbau geplant. „Eine durchschnittliche Personalentwicklung von Plus zwei Prozent, wie sie sich aus unseren Befragungen ergibt, ist gleichzusetzen mit Stagnation“, beschreibt Sauter. Aus Sicht des Experten werden jetzt strukturelle Verlagerungen in den Fokus gerückt. „Auch wenn bereits viele Unternehmen Produktionsstandorte in den USA aufgebaut haben, werden weitere strukturelle Anpassungen notwendig werden“, betont Sauter. Um ihre Kosten zu reduzieren, verlagern Unternehmen Fabriken und Verwaltungsfunktionen zunehmend ins Ausland. In Deutschland werden in den kommenden drei Jahren etwa 20 Prozent der Stellen wegfallen, global verteilt. Über alle Regionen hinweg ist in Indien der stärkste Personalaufbau geplant. Auch China, Nordamerika und Osteuropa sind beliebte Ziele.
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Commitment zum deutschen Headquarter
Investitionen finden ebenfalls mit Fokus auf diese Märkte statt. Bei Unternehmen mit deutschem Standort ist Nordamerika der Markt, in den nach der eigenen Region am stärksten investiert wird (16 %; +2 %). Es folgen West- und Südeuropa (13 %, +3 %), Osteuropa (12 %, +2 %) und China (11 %, +4 %). In Deutschland verbleiben aktuell 37 % des CAPEX (-1 %). „Es wird hier am Standort zwar kein Personal aufgestockt, aber in das Headquarter investiert – in Forschung und Entwicklung, in technologische Innovation“, erläutert der Industrieexperte.
Leicht abgenommen haben auch die Investitionen in asiatische Länder abseits von Indien und China sowie in Mittel- und Südamerika, Afrika und Australien – alles Regionen, in denen ohnehin kaum investiert wurde. „Wir sehen hier, dass sich die Unternehmen auf ihre Kernmärkte fokussieren. Und das Gleiche gilt auch fürs Portfolio, das heißt, die Hersteller konzentrieren sich auf ihre Kernprodukte. Das hat auch Divestments, also die Trennung von unrentablen Geschäftsbereichen, zur Folge, aber auch eine Abkehr von Nachhaltigkeitsaktivitäten, die keinen Mehrwert bringen“, beschreibt Sauter.
KI-Investitionen um mehr als ein Drittel gestiegen
Ein weiteres Handlungsfeld, das die Maschinenbauer zur Kostenreduktion im Fokus haben, sind Automation und KI. 90 Prozent der Befragten wollen ihre Bemühungen verstärken und KI-Technologien in allen Unternehmensbereichen ausrollen. Im Vergleich zu 2024 haben die Maschinen- und Anlagenbauer ihre Budgets für KI-Technologie und -Implementierung um 36 Prozent erhöht. Ein genauerer Blick offenbart jedoch: Anteilig am Umsatz investiert die Branche im Vergleich zu anderen Industriezweigen besonders wenig und startet somit auf einem sehr niedrigen Level.
Zudem schätzen die Maschinen- und Anlagenbauer das Einsparpotenzial durch eine KI-getriebene höhere Effizienz geringer ein als andere Zweige des produzierenden Gewerbes. „Insgesamt muss man sagen, dass der Hebel noch nicht ausreichend genutzt wird und die Branche hier dringenden Aufholbedarf hat. Die KI-Versprechungen dürfen keine Lippenbekenntnisse bleiben“, schließt Sauter.
Quelle: Horváth
FAQs zu Zöllen, KI und China-Konkurrenz
1. Welche Auswirkungen haben die US-Zölle auf den deutschen Maschinenbau?
Die Zölle führen zu massivem Kostendruck und beeinträchtigen das US-Geschäft deutlich. 57 Prozent der Unternehmen erwarten erhebliche Umsatzeinbußen.
2. Warum stellt die China-Konkurrenz eine so große Gefahr dar?
Chinesische Hersteller nutzen die Handelsrestriktionen, um in den europäischen Markt zu drängen. Ihre Produkte sind mittlerweile auf Augenhöhe in Qualität und Technologie.
3. Welche Strategien verfolgen Unternehmen zur Kostenreduktion?
Neben Kostenoptimierung setzen sie auf Produktionsverlagerungen, stärkere F&E-Investitionen und zunehmenden Einsatz von KI und Automatisierung.
4. Wie verändern sich die Investitionsschwerpunkte im Maschinenbau?
Investiert wird zunehmend in Nordamerika, Osteuropa, China sowie in F&E am deutschen Hauptsitz – mit Fokus auf Kernmärkte und -produkte.
5. Welche Rolle spielt KI aktuell im Maschinenbau?
KI gilt als Schlüsseltechnologie, doch das Investitionsniveau ist im Branchenvergleich niedrig. Trotzdem ist das KI-Budget um 36 Prozent gestiegen.
6. Wie viele Jobs sind durch Verlagerungen gefährdet?
In Deutschland werden bis 2028 rund 20 Prozent der Stellen abgebaut oder ins Ausland verlagert – vor allem nach Indien, China und Osteuropa.
7. Welche Märkte stehen künftig im Investitionsfokus?
Neben Deutschland setzen Unternehmen vor allem auf Nordamerika, West- und Osteuropa sowie China als Wachstums- und Produktionsstandorte.
8. Warum droht trotz KI-Investitionen eine technologische Lücke?
Die Branche investiert zwar mehr in KI, doch das Ausgangsniveau ist niedrig, das Einsparpotenzial wird unterschätzt und Umsetzungspläne bleiben vage.
9. Welche Rolle spielen Nachhaltigkeitsinitiativen noch?
Initiativen ohne klaren wirtschaftlichen Mehrwert werden zunehmend gestrichen. Der Fokus liegt auf Effizienz, nicht auf Nachhaltigkeit.
10. Was bedeutet das für die Wettbewerbsfähigkeit der Branche?
Ohne gezielte Innovationen, technologische Führung und strategische Standortpolitik droht der Verlust von Marktanteilen – auch im Heimatmarkt.