Stephan Pittner ist CEO der Carl Cloos Schweißtechnik GmbH.

Stephan Pittner ist CEO der Carl Cloos Schweißtechnik GmbH. (Bild: Cloos)

Das Portfolio von Cloos reicht von einfachen und kompakten Schweißsystemen bis hin zu komplexen, verketteten Anlagen. Worin sehen Sie denn aktuell das größte Potenzial?

Stephan Pittner: Cloos selbst hat ein Alleinstellungsmerkmal auf dem Markt: Wir starten mit der Entwicklung, Produktion und Vermarktung manueller Stromquellen, gehen dann über Cobot-Lösungen, über Standard-Schweißzellen bis zu vollautomatischen Produktionslinien für Schweißbaugruppen. Wir leben davon, dass wir alles haben.

Unser Vorteil ist, dass wir den Kunden, der eine Produktion aufbaut und erstmal nur eine Handschweißtechnik benötigt, den können wir im Prinzip bis zu einer vollautomatisierten Produktionslinie mit begleiten, ohne dass er die Technik wechseln muss.

Das größte Potenzial liegt darin, dass durch die Zusammenschlüsse unserer Kunden Global Player entstehen. Durch Fusionen steigen die Stückzahlen von Anbietern und diese Anbieter streben nach höher automatisierten Lösungen. Die produzieren größere Stückzahlen an einem Ort, was fast dazu führt, dass da so eine Art Semi-Automobilfabriken entstehen für eine ganz andere Industrie. Das heißt, es entstehen aktuell hochautomatisierte Werke auch für Traktoren, für Straßenfräswalzen, für Verdichtungswalzenanlagen.

Durch diese Fusionen der Big Player steigen die Stückzahlen und der Bedarf an höheren Automationslösungen, was heißt stabilere Qualität und weniger Abhängigkeit, einen Schweißer zu finden. Und das ist ja nicht nur in Deutschland so, das ist weltweit so, das ist selbst in China so. In China werden keine Handschweißer mehr gefunden.

Das heißt, die gehen sehr stark auf Automationslösungen und das bauen wir aus und wollen im Prinzip unsere Kunden hinbringen bis zu einer One-Piece-Flow-Produktionslinie für Schweißbaugruppen, die dann entsprechend digital vernetzt Automobilstandard im weitesten Sinne erfüllt.

Das Schweißen an sich ist ja aber auch schon ein sehr altes Verfahren und auch Cloos gibt es zum Beispiel schon seit über 100 Jahren. Doch durch die ganzen neuen Anwendungen gibt es viele neue Verfahrensvarianten, die immer ausgeklügelter werden. Können Sie Beispiele für solche neuen, spannenden Verfahren geben?

Pittner: Klassisch ist Cloos dafür bekannt, dass wir im schwereren Stahlbau aktiv sind. Also wir sind eigentlich in den höheren Leistungsbereichen aktiv. Da sind wir gerade im Begriff einen neuen Benchmark zu setzen, was Abschmelzleistungen angeht, um entsprechend schneller und effizienter größere Nahtvolumina aufzutragen. Das ist unser angestammtes Geschäft.

Wir haben aber dazu in den letzten vier Jahren intensiv entwickelt und auch in dem Dünnblechbereich neue Verbindungsverfahren. Da ist zum einen unser Motion-Verfahren, was nahezu spritzerfrei MIG/MAG-basierend Verbindungen herstellt. Da kann man Bleche verbinden, die nur 0,6 Millimeter dick sind beispielsweise oder dünner. Dann haben wir noch eine neue Technologie gebracht für das WIG-Schweißen. Das sind die klassischen Lichtbogenschweißverfahren.

Sie bieten neben verschiedenen Lichtbogenschweißverfahren auch Lösungen zum Laserschweißen an. In welchen Bereichen hat der Laser denn das größte Potenzial?

Der Laser ist ein Verfahren mit dem enormen Vorteil des geringen Wärmeeintrags. Wenn ich dünnere Bleche oder dünnere Blechverbindungen herstellen muss, habe ich bei den Bauteilen eine sehr geringe Wärmeeinflusszone. Das heißt, durch einen geringen Bereich, in den wir Wärme einbringen, ist auch der Verzug des Materials deutlich geringer.

Das schönste Beispiel ist eine Außenecke vom Schaltschrankgehäuse. Wir kennen alle ein Schaltschrankgehäuse: Da werden vier Seiten hochgeklappt, und dann wird die Ecke zugeschweißt. Das wurde früher mit einem MAG-Verfahren gemacht - da wurde das zugeschweißt, abgeschliffen, nachbearbeitet und dann lackiert. Heutzutage werden diese Ecken bei vielen Großserienherstellern einfach per Laserschweißen verbunden. Es gibt keine Nachbearbeitung mehr und die werden direkt lackiert.

Aber auch im Dickblechbereich haben wir einige Kunden, die das Laserschweißen nutzen. Mit dem gleichen Argument, dass wir sagen, die Wärmeeinflusszone ist gering und metallurgisch hat es eine sehr geringe Auswirkung auf das Grundmaterial. Bei dickeren Werkstoffen wird Laser dann oft kombiniert mit MIG-/MAG-Prozessen. Da kommt unser Kernprozess mit dazu. Durch den Laser habe ich einen enorm konzentrierten Wärmeeintrag und in Verbindung mit dem MIG-MAG-Schweißen bekomme ich dann noch eine gewisse Spaltüberbrückbarkeit hin. Ich kann bestimmte Bauteiltoleranzen durch die Kombination beider Prozesse ausgleichen.

Einsatz ist zum Beispiel beim Schweißen von Kranauslegern. Ein Kunde ist Palfinger in Österreich. Die bauen Teleskopkrane, die auf dem LKW sitzen. Diese Profile lassen sich gar nicht anders verbinden. Die lassen sich nur mit Laser-Hybrid verbinden.

Wir haben jetzt über den Laser gesprochen. Da ist die Digitalisierung schon relativ weit vorangeschritten. Im Bereich des Lichtbogenschweißens hat man oft den Eindruck, dass das Thema erst in den letzten drei/vier Jahren wichtig geworden ist und noch viel zu tun ist. Wie hat sich denn bei Ihnen die Nachfrage nach Digitalisierungslösungen entwickelt?

Ja, der Maschinenbau und die Digitalisierung… Das Wort nimmt jeder gern in den Mund und die Kunden wollen es auch haben. Zum Beispiel gab es in den letzten Jahren Zuschüsse. Das weiß ich von Italien. Also wenn ich in eine Anlage mit einer Digitalschnittstelle investiere, dann wurde die Anlage bezuschusst. Was ich aber auch festgestellt habe, da ging es nur um den Zuschuss. Da wurde kaum Digitalisierung genutzt und angewendet. Und wir machen ja nicht die Digitalisierung, um die Digitalisierung als Produkt zu verkaufen und dann in der Schublade zu haben, sondern sie soll ja zum Mehrwert führen.

Das ist am Ende die spannendste Herausforderung, den Kunden eine Digitalisierungslösung zu geben, vielleicht auch als Testversion zu geben, dass er einfach die Möglichkeiten erkennt, die Digitalisierung bietet. Wir haben eine verstärkte Nachfrage nach Digitalisierung, aber ich sage, wir haben so viel investiert in Analyse, Diagnose, Remote Support, Service Support, auch Leistungssteigerung von Anlagen via Digital Tools.

Was mich ein bisschen pessimistisch stimmt ist, dass da viel zu wenig von genutzt wird. Also der klassische mittelständische Schweißbetrieb, viele möchten es haben, 20 Prozent nutzen es wirklich und 10 Prozent nutzen es so, dass es deren Effizienz steigert. Und das sollten eigentlich alle sein.

Haben Sie da eine Erklärung für, warum das so ist?

Ich glaube, das hängt ein bisschen auch mit dem Ausbildungssystem Deutschlands zusammen. Digitalisierung im industriellen oder Produktionsumfeld wirklich als Ausbildung ist so noch nicht etabliert.

Wir bilden Mechatroniker aus, Elektroniker aus. Dadurch, dass wir die Entwicklung von Digitallösungen haben, sind wir da besser als der klassische Maschinenbauer. Aber wenn man sich jetzt einen Fertigungsbetrieb ansieht, der hat für Produktionsdigitalisierung keine Fachleute, die er bekommen kann.

Und ich glaube, das ist so das, weil diese Fachleute, die vielleicht mit dem Hintergrund Produktion oder Mechatronik, also technische Ausbildung kommen und dann in die Digitalisierung gehen, die können es umsetzen. Das ist ja was anderes, wie ein ERP-System in der Fertigung zu integrieren. Also Digitalisierung auf Produktionsebene ist ein ganz anderes Thema.

Wir unterstützen gern dabei. Und ich glaube, da wird sehr viel passieren, auch dann in Verbindung mit KI.

Dieses Interview ist ein gekürzter Auszug aus dem Podcast 'Industry Insights'. Das ganze Gespräch über die globale Expansionsstrategie von Cloos, aktuelle Trends in der Schweißtechnik und verschiedene Ansätze zur Automatisierung, hören Sie hier:

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