Ein Tropfen Öl fällt in bereits vorhandenes Öl und hängt in der Luft

Dünneres Öl soll die Energieeffizienz von Anlagen steigern. Was hilft noch? (Bild: Bosch Rexroth)

„Die Anpassung der Viskositätsklasse hin zur niedrigstmöglichen Viskosität im Betrieb birgt Energieeinsparpotenziale von drei bis fünf Prozent, was in Langzeittests mit Spritzgießmaschinen nachgewiesen wurde. Diese Maßnahme ist ohne Mehrkosten kurzfristig realisierbar.“ Zu diesem Schluss kommt das Umweltbundesamt in seinem Abschlussbericht „Potenzialstudie Energie- / Kosteneinsparung in der Fluidtechnik“.

Und weiter: „Der Einsatz möglichst niedrigviskoser Flüssigkeiten sollte angestrebt werden, scheitert jedoch in der Anwendung, da häufigere Systemausfälle befürchtet werden und es noch wenige Langzeiterfahrungen gibt.“ Im Standardwerk „Hydraulik – Fluid-Mechatronik: Grundlagen, Komponenten, Systeme, Messtechnik und virtuelles Engineering“, herausgegeben von den Professoren Norbert Gebhardt und Jürgen Weber, ist bei mobilen Arbeitsmaschinen sogar die Rede von 13 bis 15 Prozent Effizienzsteigerung durch Einsatz eines entsprechenden Hydrauliköls.

Alexander Bosch von Voith Portrait
Zitat

Die Kombination aus hochdynamischem Servomotor und effizienter, drehzahlvariabler Innenzahnradpumpe bringt dem Anwender im Vergleich zu ventilgesteuerten Hydrauliksystemen Energieeinsparungen von bis zu 80 Prozent.

Alexander Bosch, Produktmanager bei Voith
(Bild: Voith)

Spannungsfeld Aufwand, Verfügbarkeit und Akzeptanz

Am Institut für Fluidsystemtechnik (FST) der Technischen Universität Darmstadt beschäftigte sich Maximilian Kuhr in seiner Doktorarbeit mit den dynamischen Eigenschaften axial durchströmter Ringspalte, wie sie beispielsweise in Gleitlagern oder Dichtspalten von Verdrängerpumpen auftreten. „Jedes technische System, also auch hydraulische Maschinen, wird in dem Spannungsfeld zwischen Aufwand, Verfügbarkeit und Akzeptabilität betrieben“, so Kuhr.

Ein Maß für den Aufwand ist nicht nur die Investitionssumme, sondern natürlich auch die Energieeffizienz, also der Wirkungsgrad, welche maßgeblich für die Betriebskosten verantwortlich ist. Aus energetischer Sicht sei es grundsätzlich von Vorteil, die Viskosität der verwendeten Flüssigkeit und damit die Reibung sowie die dadurch entstehenden Druckverluste in einem hydraulischen System zu reduzieren.

Dies ist jedoch nur eine Seite der Medaille, wie die Forschungsarbeiten des Teams unter Leitung von Prof. Peter Pelz immer wieder zeigten. Kuhr verdeutlicht dies am Beispiel einer Schraubenspindelpumpe: „Wird die Viskosität der verwendeten Flüssigkeit reduziert, so verringert sich die Tragfähigkeit der systemimmanenten engen Ringspalte wie dem Umfangsspalt zwischen Spindeln und Gehäuse. Dementsprechend verlagert sich die Spindel in Abhängigkeit der Viskosität in Richtung Gehäuse und es kommt im schlimmsten Fall zu einem Anlaufen und einem Ausfall der Pumpe. Dies stellt eine Einsatzgrenze der Pumpe dar, da durch einen Kontakt zwischen Gehäuse und Spindel das Reibmoment exponentiell ansteigt. Solche Einsatzgrenzen finden sich in allen Hydrauliksystemen.“

Das passiert nicht, wenn bei der Auslegung der Maschine ein niederviskoses Öl berücksichtigt wird. Fazit: „Einfach nur niederviskoses Öl zu verwenden, kann kontraproduktiv sein.“

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Frau hält ein Tablet in der Hand und wählt auf dem Display Beiträge aus, die außerhalb des Tablets virtuell angezeigt werden
(Bild: mi connect)

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„Generell ist es möglich, durch die Anpassung der Viskosität Energieeinsparungen zu erzielen, vor allem in den Rohrleitungen und Schläuchen hydraulischer Systeme“, bestätigt Sebastian Deuster, wissenschaftlicher Mitarbeiter Fluide am Ifas Institut für fluidtechnische Antriebe und Systeme der RWTH Aachen. Bei stationären Maschinen mit gleichbleibenden Arbeitszyklen und Umgebungsbedingungen sei eine entsprechende Auslegung der Viskosität noch relativ einfach umsetzbar.

Deutlich schwieriger werde es bei mobilen Arbeitsmaschinen mit unterschiedlichen Lasten und Temperaturen sowie wechselndem Personal. „Hier muss das Hydraulikfluid für eine umfangreichere Matrix an Betriebsbedingungen ausgelegt werden.“ Eine pauschale Aussage über prozentuale Einsparungen, das zeigten Untersuchungen in diesem Bereich, seien nur schwer zu treffen.

Jeder Fall liegt anders. Das meint auch Dr. Mark Krieg, Entwicklungsleiter der Business Unit Industrial Hydraulics bei Bosch Rexroth. Das Unternehmen betreut mehrere Tausend Kunden mit verschiedensten Anlagen und Maschinen, denen es auch bei der Auswahl des richtigen Fluids hilft. Die in der UBA-Studie genannten Einsparpotenziale seien realistisch, fielen aber „je nach Anwendung und Anlage oder Maschine unterschiedlich hoch aus“. Viele weitere Faktoren spielten eine Rolle:

  • Tribologieanforderungen,
  • Verschleißschutz,
  • Fluidwechselintervall sowie
  • Total Cost of Ownership.

Verdränger- statt Ventilsteuerung

Maßgeblichen Anteil haben die Druckverluste, die wiederum vom Volumenstrom, den Querschnitten von Rohren, Ventilen, Steuerblöcken und der Viskosität abhängig sind. Je höher die Druckverluste, desto größer der Einfluss der Viskosität. Vor allem Ventilsteuerungen bewirken laut Dr. Dierk Peitsmeyer, Produktportfolio-Manager bei Bucher Hydraulics, prinzipbedingt hohe Druckverluste durch Drosselung. Sie führten auch zu hohen Öltemperaturen, was wiederum die Viskosität sinken lässt, weshalb die Viskositätsklasse eher hoch gewählt würde.

Es geht auch anders: Die Helax-Verdrängersteuerungen arbeiten ohne Drosselventile: „Hier hat die Viskosität innerhalb normaler Betriebstemperaturen zwischen 20 und 60 °C nur einen sehr geringen Einfluss und keine Bedeutung für die Funktion.“ Auch die UBA-Studie empfiehlt übrigens Verdränger- statt Ventilsteuerungen. Energieeinspar-Potenzial laut Peitsmeyer: bis zu 75 Prozent.

Zwar bestätigt Alexander Bosch, Produktmanager bei Voith, die in der UBA-Studie genannten Zahlen für den Gesamthydraulikkreislauf, jedoch nicht auf Komponentenebene.  „Bei unseren Innenzahnradpumpen verbessert eine geringere Viskosität zwar den mechanischen Wirkungsgrad, verursacht aber einen schlechteren volumetrische Wirkungsgrad. Der Gesamtwirkungsgrad bleibt damit nahezu unverändert.“

Konstruktive Maßnahmen, wie die Verwendung servo-hydraulischer Antriebe, seien zielführender. Voith setzt in modernen verdrängergesteuerten Systemen servo-hydraulische Antriebe vom Typ DrivAx ein. Bosch: „Die Kombination aus hochdynamischem Servomotor und effizienter, drehzahlvariabler Innenzahnradpumpe bringt dem Anwender im Vergleich zu ventilgesteuerten Hydrauliksystemen Energieeinsparungen von bis zu 80 Prozent.“

Sebastian Deuster, RWTH Aachen
Zitat

Generell ist es möglich, durch die Anpassung der Viskosität Energieeinsparungen zu erzielen, vor allem in den Rohrleitungen und Schläuchen hydraulischer Systeme.

Sebastian Deuster, RWTH Aachen
(Bild: IFAS)

Klaus Henzler, Gruppenleiter Hydraulische Antriebstechnik beim Spritzgießmaschinenhersteller Arburg, verweist auf Erfahrungen im Feld, wonach über niedrigere Viskositätsklassen maximal zwei bis drei Prozent zu holen seien. „Das Einsparpotenzial lässt sich zudem nicht einfach am Stromzähler ermitteln, sondern muss am Hauptantriebsmotor der Hydraulik gemessen werden – an derselben oder zumindest einer direkt vergleichbaren Maschine.“

Konkret bietet Arburg verschiedene Möglichkeiten wie die Servohydraulik und ein „Produktivitätspaket“. Beide Antriebskonzepte haben einen drehzahlveränderbaren Pumpenantrieb als Basis, was den Energiebedarf um bis zu 50 Prozent senken soll. Aber auch bei Peripheriegeräten wie Kühler und Werkzeugheizungen sei noch einiges zu holen.

Auf einen weiteren interessanten Aspekt macht Jürgen Müller, Konstruktionsleiter Mechanik beim Pressenhersteller Robert Bürkle, aufmerksam: „Bei unseren Pressen haben die Hydraulikantriebe eine sehr geringe Einschaltdauer, sodass eine Ersparnis in Summe nur gering zu Buche schlägt. Unsere Pressen sind grundsätzlich beheizt und wir installieren meist ein 50- bis 100-Faches an Heizleistung gegenüber der Hydraulikleistung.“ Kein Wunder also, dass man sich bei Bürkle zunächst einmal auf die Reduktion der benötigten Heizleistung konzentriert.

Gemeinsam lassen sich Potenziale besser heben

Zu einem engen Zusammenspiel von Maschinenhersteller und Hydrauliklieferant rät Dr. Johannes Gattinger, Technical Product Owner & Project Leader bei Weber Hydraulik: „Der Endanwender kann gegebenenfalls konkrete Optimierungsvorschläge beim Hersteller fordern.“ Die Anlagen seien meist zu komplex, um selbst Optimierungen durchzuführen. Besser: „Direkte Energieeinsparungen können die Endanwender durch den Einsatz eines Frequenzumrichters oder einer Verstellpumpe erreichen.“

Konkrete Tipps hat auch Henning Lobb-Rabe, Director Productmanagement bei Linde Hydraulics: „Der Anwender sollte sich die Frage stellen, ob er die Aufgabe nicht auch mit etwas geringer Geschwindigkeit in der verfügbaren Zeit erledigen kann.“ Vor allem im Winter sollte die Kühlung, die immer auf Sommerbetrieb ausgelegt ist, so weit reduziert werden, dass die Betriebstemperatur überhaupt und möglichst schnell erreicht wird. So ließe sich auch sofort erkennen, wie sich solche Maßnahmen auf Produktivität und Energieverbrauch auswirkten.

Auch die Schmierstofflieferanten können Endanwendern bei der Suche nach dem optimalen Viskositätsbereich helfen. Darauf weist Max Baur, zuständig für das Application Engineering bei Hermann Bantleon, hin: „Dieser Bereich ergibt sich unter Berücksichtigung der hydraulischen Verluste aufgrund von Flüssigkeitsreibung und volumetrischen Verlusten durch Flüssigkeitsleckagen.“ Wobei neben Maschinenverträglichkeit und Kraftstoffeinsparung weitere Faktoren zu beachten seien. Bauer: „Nachhaltigkeit ist viel mehr als nur Energieeffizienz.“

Servohydraulische Maschine von Arburg
Die Servohydraulik von Arburg ermöglicht einen energieeffizienten Betrieb. (Bild: Arburg)

Besonders nachhaltige Produkte ließen sich mithilfe einer Ökobilanz nach ISO 14040–14044 mit Critical Review identifizieren. „Dabei werden alle ökologisch relevanten Faktoren von der Herstellung, über die Nutzung bis hin zur Entsorgung eines Produktes betrachtet.“ So sollte der Fokus auch auf möglichst geringen Verschleiß, guten Korrosionsschutz und Verträglichkeit mit Bauteilen und Werkstoffen liegen.

Oliver Kuhn, stellvertretender Laborleiter Schmierstoffe bei Liqui Moly, warnt davor, Schmierstoff einzusetzen, die von den Vorgaben der Maschinen- oder Komponentenhersteller abweichen. „Das birgt immer das Risiko eines Stillstands oder gar eines Schadens der Maschine, wenn die Viskosität für den Betrieb nicht ausreichend sicher war.“ Weshalb man sich bei Liqui Moly mit Empfehlungen traditionell primär im Bereich der offiziellen Maschinenvorgaben bewege. „Sollte im Einzelfall eine Optimierung möglich sein, dann sollte diese zumindest für eine gewisse Zeit unter einer verschärften Beobachtung, gegebenenfalls auch mit Analytik, stehen.“

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