Der 35. Deutsche Montage-Kongress verdeutlichte: Zukunftsfähige Montageprozesse entstehen im Zusammenspiel von Technologie, Organisation und Menschen. Digitale Assistenz, KI und agile Systeme schaffen Potenziale – doch erst die ganzheitliche Betrachtung macht sie produktiv nutzbar.

Der 35. Deutsche Montage-Kongress verdeutlichte: Zukunftsfähige Montageprozesse entstehen im Zusammenspiel von Technologie, Organisation und Menschen. Digitale Assistenz, KI und agile Systeme schaffen Potenziale – doch erst die ganzheitliche Betrachtung macht sie produktiv nutzbar. (Bild: Weinzierl)

Organisationsstrukturen unter Druck – Flexibilität als Leitmotiv

Globale Unsicherheiten, geopolitische Spannungen und technologischer Wandel setzen klassische Produktionssysteme unter Handlungsdruck. Besonders betroffen: die industrielle Montage. Der 35. Deutsche Montage-Kongress 2025 in München stellte zentrale Weichenstellungen für zukunftsfähige Montagekonzepte in den Mittelpunkt. Vertreter aus Industrie, Forschung und Technologieentwicklung diskutierten, wie Flexibilität, Digitalisierung und Mitarbeiterqualifikation zur neuen Erfolgsformel werden.

Robert Schmalholz (GROB-Werke) lieferte den Auftakt mit einem anschaulichen Praxisbeispiel: Die Transformation vom Werkzeugmaschinenhersteller zum Sonderanlagenbauer bedeutete nicht nur strukturelle Veränderungen, sondern erforderte ein tiefgreifendes Umdenken in der Montage – hin zu modularen, digitalen und kundenindividuellen Lösungen.

Den Nachhaltigkeitsaspekt griff Magdalena Paul (Hilti Deutschland) auf. Ihre Kernbotschaft: Kreislaufwirtschaft ist kein Nebenschauplatz, sondern integraler Bestandteil moderner Fertigungslogistik. Wer künftig wirtschaftlich bestehen will, muss „Circularity“ in die DNA seiner Montageprozesse integrieren – inklusive Rückführbarkeit, Demontagefähigkeit und Materialbewertung.

Mit einem Technologiefokus wartete Ralf Riemensperger (Festo AG) auf. Er stellte das modulare Montagesystem „Flexline light“ vor – eine Antwort auf die gestiegene Variantenvielfalt in der Endmontage. Schnell umrüstbare Stationen und flexible Automatisierung sorgen für kürzere Reaktionszeiten und höhere Anlagenverfügbarkeit.

Dr. Martin Treitz (STIHL) führte diesen Gedanken weiter: Mit der Matrixmontage und der Digitalplattform SPOM realisiert STIHL global skalierbare Produktionssysteme. Seine Vision: eine datenbasierte, kontinuierlich verbesserbare Montagearchitektur, vernetzt über Standorte hinweg.

Ein weiteres Puzzlestück für agile Planung präsentierte Julian Böck (Fraunhofer IGCV): die digitale Bestandsaufnahme per Punktwolken-Technologie. Diese liefert belastbare Planungsgrundlagen für Umbauten oder Erweiterungen – ein entscheidender Enabler für Wandlungsfähigkeit im Bestand.

Deutscher Montagekongress

Montagekongress
(Bild: industrieblick - stock.adobe.com)

Deutschland ist einer der größten Maschinenproduzenten der Welt. Die Montage als bedeutende Wertschöpfungsstufe am Ende der Produktherstellung ist den gestiegenen Anforderungen an Vielfalt, Dynamik und Agilität bzw. Effizienz und Kostenführerschaft ausgesetzt und gilt als der Faktor für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und für die Sicherung des Produktionsstandorts.

 

Der nächste Deutsche Montagekongress findet 2026 statt.

 

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Kompetenzentwicklung als Schlüssel für resiliente Produktion

Dass Transformation nur mit den richtigen Kompetenzen gelingt, zeigten mehrere Beiträge im zweiten Kongressblock. Ralf Nagel und Daniel Donjuan (BSH Hausgeräte) präsentierten die Rolle des „Digital Engineer“ als Bindeglied zwischen klassischer Produktionsplanung und digitalen Werkzeugketten. Die Einführung dieser Rolle ermögliche standardisierte, wiederverwendbare Planungsmodelle – und damit Skalierbarkeit auf Systemebene.

Auch die Personalgewinnung steht vor einem Paradigmenwechsel. Annekatrin Malchow (Brose) und Björn Flier (Randstad) zeigten, wie sich HR-Strategien an volatile Produktionsvolumina anpassen lassen. Ihr Fokus: flexible Beschäftigungsmodelle, digital unterstützte Recruiting-Prozesse und engere Abstimmung zwischen Werkleitung und Personalabteilung.

Eine Podiumsdiskussion vertiefte das Thema Fachkräftesicherung unter realen Bedingungen. Diskutiert wurden u. a. Sprachbarrieren, unterschiedliche Qualitätsansprüche und kulturelle Unterschiede in internationalen Montageteams. Neben Malchow und Flier diskutierten Dr. Martin Meyer (MAN Truck & Bus) und Moderator Prof. Dr. Johannes Schilp. Ihr Fazit: Qualifizierung muss passgenau, mehrsprachig und prozessorientiert erfolgen – mit einem starken Praxisbezug.

Intelligente Systeme für datenbasierte Entscheidungen

Im dritten Themenblock rückte die technologische Basis des Wandels in den Fokus. Andreas Dettmer (Siemens) stellte KI-gestützte Instandhaltungskonzepte vor. Durch Machine-Learning-Algorithmen auf Sensordatenbasis lassen sich Ausfälle nicht nur vorhersagen, sondern in vielen Fällen verhindern – ein Beispiel für reale Wertschöpfung durch Smart Data.

Wie sich ein klassischer OEM zur Smart Factory wandelt, demonstrierte Dr. Johannes be Isa (INOYAD Technologies). Der Schwerpunkt lag auf der Shopfloor-Kommunikation: Durch die Integration von Mensch, Maschine und Steuerungssystem entstehen adaptive Fertigungsumgebungen mit hoher Transparenz und Rückkopplung.

Den praktischen Beweis für technologisch gestützte Flexibilität lieferte erneut Dr. Martin Meyer (MAN): In München werden Elektro- und Diesel-Lkw auf einer Linie montiert – realisiert durch modularisierte Prozesse und geringe Investitionshürden. Diese Parallelproduktion ermöglicht eine dynamische Reaktion auf Marktanforderungen, ohne Doppelstrukturen zu erzeugen.

Robotik und kulturelle Transformation – der Blick nach vorn

Carolin Richter (BMW Group) gab einen Ausblick auf die nächste Evolutionsstufe der Produktionsautomatisierung: humanoide Roboter. Diese könnten künftig komplexe Montageaufgaben in direkter Zusammenarbeit mit Menschen übernehmen. Entscheidend sei dabei nicht nur die Technik, sondern das Interaktionsdesign – eine Herausforderung zwischen Robotik, Arbeitswissenschaft und Prozessplanung.

Den Abschluss bildete Reza Razavi mit einem leidenschaftlichen Appell zur kulturellen Transformation. Wandel sei kein reiner Managementprozess, sondern verlange Beteiligung, Haltung und Dialog. Anhand historischer Beispiele und aktueller Entwicklungen zeigte er auf, wie Unternehmen nicht nur Strukturen, sondern auch Denkweisen transformieren müssen. Seine Botschaft: Transformation beginnt im Inneren – und bei jedem Einzelnen.

Montage wird zum strategischen Hebel

Der Montage-Kongress 2025 machte deutlich: Wer Produktion als Werttreiber denkt, muss Montage als strategisches Spielfeld begreifen. Ob durch intelligente Systeme, agile Strukturen oder qualifizierte Teams – die Wettbewerbsfähigkeit von morgen entsteht aus dem Zusammenspiel von Mensch, Technik und Organisation. Die Werkzeuge dafür sind da – jetzt kommt es auf den Willen zur Umsetzung an.

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