Podiumsdiskussion auf der WGP-Frühjahrstagung (v.l.n.r. Prof. Michael Zäh, WGP-Präsident; Prof. Siegfried Russwurm, Aufsichtsratsvorsitzender Thyssenkrupp und der Voith Group; Sina Scheidle, Head of BodyTEC, Mercedes-Benz AG.

Podiumsdiskussion auf der WGP-Frühjahrstagung (v.l.n.r. Prof. Michael Zäh, WGP-Präsident; Prof. Siegfried Russwurm, Aufsichtsratsvorsitzender Thyssenkrupp und der Voith Group; Sina Scheidle, Head of BodyTEC, Mercedes-Benz AG. (Bild: WGP)

Sina Scheidle, Head of BodyTEC der Mercedes-Benz AG, sowie der ehemalige BDI-Präsident Prof. Siegfried Russwurm haben auf der Frühjahrstagung in Garmisch-Partenkirchen mit den Professorinnen und Professoren über die Digitalisierung der deutschen und europäischen Industrie diskutiert. „Wir stehen im globalen Wettbewerb, das müssen wir zur Kenntnis nehmen und an unserer Wettbewerbsfähigkeit auch in der Produktion arbeiten, bevor wir noch weiter zurückfallen“, betonte Russwurm, amtierender Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp und der Voith Group. Der WGP-Präsident Prof. Michael Zäh ergänzt: „Trotz vieler bereits erzielter Errungen-schaften ist das Potenzial für Verbesserungen noch groß.“

Sina Scheidle konnte von ihren Erfahrungen im Center BodyTEC berichten. Das Center trägt die End-to-End-Verantwortung für die Fertigung von Karosserieteilen und Presswerkzeugen. Dies umfasst sämtliche Prozessschritte von der Entwicklung der Umformwerkzeuge bis hin zur Produktion im Presswerk.

Scheidle stellte außerdem das digitale Produktions-Ökosystem von Mercedes-Benz, kurz MO360 vor. Sie berichtete wie Mithilfe von digitalen Zwillingen und virtueller Inbetrieb-nahme sämtliche Daten einzelner Produktionsanlagen digital erfasst und im virtuellen Raum geplant, erprobt und entsprechend angepasst wurden. „Dank generativer KI konnte etwa in den Decklackkabinen des Werkes Rastatt der Energiebedarf um 20 Prozent gesenkt werden“, so Scheidle. Interessierte Mitarbeitende können sich beispielsweise berufsbegleitend am Digital Factory Campus Berlin zu Digitalisierungsexperten weiterbilden.

Fach- und Führungskräfte sind der Flaschenhals

Die Ausbildung der Fach- und Führungskräfte von heute und morgen nahm auch in der Podiumsdiskussion breiten Raum ein. Siegfried Russwurm bekräftigte, dass Unter-nehmen etwa am Thema Praktika für Studierende „deutlich“ arbeiten müssten, um die attraktive Berufswirklichkeit in Ingenieurberufen zu zeigen und gleichzeitig Erfolgserlebnisse in konkreten Projekten zu ermöglichen.

Um den Bedarf an sogenannten Data Workern decken zu können, hat Mercedes-Benz das interne berufsbegleitende Schulungsprogramm D.Shift ins Leben gerufen. „Es qualifiziert Mitarbeitende für Digitalisierungs- und KI-Aufgaben und formt sie zu „digitalen Superhelden“, wie sie intern genannt werden“, sagte Scheidle. Die Digitalisierung voranzutreiben und ausreichend gut ausgebildete Menschen dafür zu finden, ist mit Blick auf den globalen Wettbewerb eine der größten Herausforderungen für die deutsche und europäische Industrie, warnte Russwurm.

Automation NEXT Conference

Entdecken Sie die Zukunft der Automatisierung auf der Automation NEXT Conference. Diese Veranstaltung am 18. November 2025 in Ludwigsburg bringt Branchenexperten zusammen, um über neueste Trends und Technologien in der Automatisierung zu diskutieren.

Die Themenbereiche umfassen Künstliche Intelligenz, Industrie 4.0, Cybersicherheit, Edge Computing, Robotik und nachhaltige Automatisierungslösungen. Die Veranstaltung bietet eine einzigartige Plattform für Wissensaustausch, Netzwerken und Inspiration für Fachleute aus der Automatisierungsbranche.

Für weitere Informationen besuchen Sie bitte Automation NEXT Conference.

Die Frage, ob in die universitären Curricula KI ausreichend Einlass gefunden habe, konterte Russwurm mit der Aussage, ein „Genug“ gebe es nicht. Es gehe vielmehr darum, den jungen Menschen zu zeigen, dass KI nicht nur in ChatGPT und im Mobiltelefon stecke. Man müsse ihnen KI-Anwendungen in der Produktion nahebringen, dann die Digital Natives dann aber auch „machen lassen“ – in Projektarbeiten in der Industrie und an den Universitätsinstituten.

Um Industrie 4.0 schnell weiter voranzubringen, müsse auch die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis vertieft werden. Universitäten sollten sich in ihrer Finanzierung nicht nur auf staatliche Förderung konzentrieren, sondern gezielt privatwirtschaftliche Investoren suchen. Die Industrie müsse ihren Beitrag leisten und ebenfalls Geld beisteuern, so der ehemalige BDI-Präsident.

Prof. Thomas Bergs, Leiter des Manufacturing Technology Institute (MTI) der RWTH Aachen
Prof. Thomas Bergs, Leiter des Manufacturing Technology Institute (MTI) der RWTH Aachen (Bild: MTI Aachen)

Weitere Forschungen zu Manufacturing-X

In den 44 WGP-Instituten ist Industrie 4.0 bzw. Digitalisierung eines der wichtigsten Forschungsthemen. Die WGP-Professorinnen und -Professoren wollen daher prüfen, inwieweit die Weiterentwicklung von Industrie 4.0 im Rahmen der Initiative Manufacturing-X – also der Entwicklung kooperierender, dezentraler Datenökosysteme entlang vollständiger Prozess- und Lieferketten hinweg – aufgegriffen werden soll.

Im Hinblick auf die Weiterentwicklung in der Produktionsforschung müssen wir die Ansätze in Manufacturing-X nicht nur verstehen, sondern wir müssen diese als WGP zwingend mitgestalten“, betont Prof. Thomas Bergs, Sprecher der Arbeitsgruppe. Dazu zählt auch, die Potenziale, die aus diesen Initiativen hervorgehen, für den produzie-renden Mittelstand verfügbar zu machen und so beispielsweise Traceability als Geschäftsmodell zu erschließen.

Welche Fragestellungen für die deutsche und europäische Industrie relevant sind und welche Standards heute schon funktionieren, soll anhand von konkreten Use Cases untersucht werden, so zum Beispiel die End-to-End-Qualitätskontrolle von sicherheitskritischen Triebwerks-Turbinenscheiben im Rahmen des Projektes Aerospace - X. „Auf der Herbsttagung im November werden wir dann weitere Projektinitiativen, wie zum Beispiel Factory -X, unter die Lupe nehmen und relevante Handlungsfelder für die WGP identifizieren“, so Bergs.

Zur Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik e.V. (WGP):

Die WGP (Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik e.V.) ist ein Zusammenschluss führender deutscher Professorinnen und Professoren der Produktionswissenschaft. Sie vertritt die Belange von Forschung und Lehre gegenüber Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Die WGP vereinigt 72 Professorinnen und Professoren aus 44 Universitäts- und Fraunhofer-Instituten und steht für gut 2.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Produktionstechnik. Die Mitglieder genießen sowohl in der deutschen Wissenschaftslandschaft als auch international eine hohe Reputation und sind weltweit vernetzt.

Die Labore der Mitglieder sind auf einem hohen technischen Stand und erlauben den WGP-Professoren und -Professorinnen, in ihren jeweiligen Themenfeldern sowohl Spitzenforschung als auch praxisorientierte Lehre zu betreiben.

Die WGP hat sich zum Ziel gesetzt, die Bedeutung der Produktion und der Produktionswissenschaft für die Gesellschaft und für den Standort Deutschland aufzuzeigen. Sie bezieht Stellung zu gesellschaftlich relevanten Themen von Industrie 4.0 über Energieeffizienz und umweltschonender sowie resilienter Produktion bis hin zu 3D-Druck.

Quelle: Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik e.V. – WGP

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