
Generative KI krempelt Prozesse um, sorgt für Tempo und neue Standards im Maschinenbau. Der Maschinenbaugipfel zeigt: Wer jetzt nicht handelt, verliert den Anschluss – oder wird vom Wettbewerb überholt. (Bild: Wilo GPT)
„Das Thema generative KI war schon immer präsent, wird aber in diesem Jahr besonders stark im Mittelpunkt des Maschinenbaugipfels stehen“, prognostiziert Guido Reimann, stellvertretender Geschäftsführer Software und Digitalisierung beim Branchenverband VDMA. Hintergrund ist die dynamische Entwicklung infolge des Siegeszugs von ChatGPT, Google Gemini, Microsoft Copilot und anderen KI-Werkzeugen mit dahinterstehenden Large Language Models, die mittlerweile an vielen Stellen manches Althergebrachte auf den Kopf stellt. Reimann: „Unternehmen werden durch die neuen technischen Möglichkeiten in die Lage versetzt, Dinge heute anders durchzuführen als früher, sie zu automatisieren und damit auch komplette Abläufe und Prozesse völlig neu aufzubauen.“
Warum wird generative KI zum Gipfelthema Nummer eins?
Die Veranstalter wollen mit diesem Schwerpunkt in Berlin vor allem aufzeigen, was bereits heute in der Praxis möglich ist, was technologisch auf die Unternehmen zukommt und wie der technologische Wandel konkret angegangen werden kann. Dafür wird es ein Wechselspiel zwischen Technologieunternehmen, die den aktuellen Stand der Technik aufzeigen, und Maschinenbauunternehmen geben, die vom Domainwissen herkommen und sich um die Entwicklung neuer Produkte kümmern. Vor allem Praxisvorträge sollen das Publikum wachrütteln und Denkanstöße und neue Impulse für das eigene Unternehmen geben. Reimann: „Unsere Mitgliedsfirmen lernen immer ganz gerne von konkreten Beispielen, wie andere es machen, um daraus abzuleiten, was man im eigenen Unternehmen verändern könnte.“
Generative KI vs. schmale KI
Im Grunde genommen ist im Begriff bereits alles enthalten. Im Unterschied zum rein maschinellen Lernen (schmale KI), das für einen abgesteckten Bereich Daten sammelt, diese analysiert und daraus Aktionen ableitet, ist generative KI per se darauf ausgerichtet, aufgrund der ungeheuer großen Datenmengen aus verschiedenen Quellen, seien es nun Texte, Sprache, Bilder oder Filme, auch neue Dinge zu erstellen. Reimann: „Vor allem die Entwicklung von großen Sprachmodellen (Large Language Models) ermöglicht es, mit einer KI in normaler Sprache zu interagieren, und macht das Ganze interessant.“ Einen KI-Chatbot kann im Prinzip heute jede und jeder bedienen – es muss eben nicht mehr der IT-Spezialist sein, der komplexe Datenbankabfragen stellt.

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Wie GenAI die Serviceprozesse im Maschinenbau verändert
Auf dieser allgemeinen Basis kommt die Technik im Maschinenbau und in anderen Branchen zunehmend in die praktische Anwendung. Ein erster Schritt ist es, KI zunächst einmal 'nur' auszuprobieren, Rechercheergebnisse zu verbessern und dergleichen. Darauf aufbauende, weitergehende Anwendungen kommen im Maschinenbau beispielsweise im Bereich Service zum Tragen. Servicetechnikerinnen und -techniker stehen meistens unter großem Zeitdruck: Anwender möchten, dass ihre Maschine möglich rasch wieder funktioniert. Die Servicemitarbeiter stehen daher vor der Herausforderung, Unmengen von Dokumentationsunterlagen zu einer Maschine oder Anlage in kürzester Zeit sichten zu müssen.
Eventuell kennen sie aufgrund fehlenden Erfahrungswissens diese spezielle Maschine nicht so genau; darüber hinaus sind viele Informationen auch nur über CRM- oder ERP-Systeme zugänglich und dergleichen. Schnelle Hilfe kann in diesem und ähnlichen Fällen eine generative KI-Lösung bieten, die im Hintergrund arbeitet, auf alle relevanten Informationen zurückgreifen kann und diese entsprechend gut und schnell aufbereitet. So erhalten die Servicemitarbeitenden in Windeseile detailgetreue Anweisungen, wie der Wartungs- oder Reparaturvorgang durchgeführt werden muss; komplexere Probleme können auch mit 3-D-Modellen oder Augmented Reality angereichert sein.
Automatisierte 8-D-Reports
Der Technologiekonzern Wilo SE mit Schwerpunkt in der Pumpenbranche begann schon sehr früh damit, sich mit dem Thema künstliche Intelligenz auseinanderzusetzen. Noch vor dem Hype um ChatGPT hat der KI-Pionier mit Sitz in Dortmund vor fünf Jahren ein eigenes KI-Kompetenzcenter auf die Beine gestellt. „Wir bieten heute allen unseren Mitarbeitenden den Zugang zu Wilo GPT – unserer internen Chatbot-Lösung mit entsprechenden Sicherheits- und Datenschutzstandards“, berichtet David Graurock, Leiter des Kompetenzcenters. Das KI-System ist seit eineinhalb Jahren unternehmensweit ausgerollt.
Für die Nutzung sind keine speziellen Use Cases vorgegeben, sondern jeder und jede kann es nach eigenem Ermessen einsetzen. Aus der Kreativität der Belegschaft heraus sind so bereits einige sehr spannende Projekte wie zum Beispiel in der Qualitätssicherung für Zulieferer entstanden. Mit Hilfe generativer KI werden heute die im Bedarfsfall von den Zulieferern angeforderten sogenannte 8-Dimensionen-Reports komplett automatisiert erstellt und an den betreffenden Zulieferer übersendet. Graurock: „Das System wertet aus, was an Informationen im Unternehmen vorhanden ist, versteht diese und generiert auf Basis dessen einen Bericht. Bevor er versandt wird, schaut jedoch ein Experte noch einmal darüber, ob auch alles so passt.“
Gestartet ist Wilo mit einer gesicherten Instanz des GPT-Modells von Open AI. Graurock: „Seitdem sind wir dabei, das System sukzessive, von Anwendungsfall zu Anwendungsfall, mit immer mehr eigenem Unternehmenswissen und Daten anzureichern. Die Plattform entwickelt sich so stetig weiter.“
Wie gelingt ein sicherer KI-Einsatz im industriellen Umfeld?
Kann man einer künstlichen Intelligenz blind vertrauen? Eine Frage von Tragweite, die sich sicher viele Anwender stellen. „Wenn man von der KI eine falsche Empfehlung bekommt, dann kann auch der Mensch nur falsch reagieren“, warnt der stellvertretende VDMA-Geschäftsführer Software und Digitalisierung vor einem allzu leichtfertigen Umgang mit der neuen Technik. KI bedeute nicht, die eigene Intelligenz zur Seite zu legen. „Es kann in der Praxis auch zu Abweichungen und Fehlinterpretationen kommen. Das können sogenannte Halluzinationen der KI sein, aber auch eigene Fehler bei der Bedienung durch eher ungeschickte Fragestellungen.“
Um diese Gefahren im Unternehmenskontext möglichst bereits im Vorfeld zu minimieren, passen die Firmen, nach den Erfahrungen des Branchenverbandes, ihre KI-Chatbots an die eigenen Bedingungen an. Das heißt, sie nutzen nicht das allgemein zugängliche Angebot von Microsoft, Open AI, Google & Co., sondern sie 'bauen' sich eine eigene Umgebung, in der sie genau festlegen, wo und aus welchen Datenquellen das Sprachmodell die Lösung heranziehen soll. Dadurch werden die möglichen Ergebnisse bereits sehr eingeschränkt. Reimann: „Das Sprachmodell dient dann letztendlich nur noch dazu, im Rahmen dieser Möglichkeiten in natürlicher Sprache zu interagieren.“


„Es kann in der Praxis auch zu Abweichungen und Fehlinterpretationen kommen. Das können sogenannte Halluzinationen der KI sein, aber auch eigene Fehler bei der Bedienung durch eher ungeschickte Fragestellungen", sagt Guido Reimann, stellvertretender Geschäftsführer Software und Digitalisierung beim Branchenverband VDMA.
Unternehmensinformationen als wichtigste Basis für Chatbots
„Das universelle Wissen eines Chatbots steht in der industriellen Praxis nicht an erster Stelle“, bestätigt auch der Leiter des Wilo-KI-Kompetenzzentrums. „Alle Unternehmensinformationen müssen selbst eingepflegt werden – auch um zu verhindern, dass sich der Chatbot etwas völlig frei ausdenkt.“ Über kurz oder lang werde es darauf hinauslaufen, dass Sprachmodelle nur noch als Mensch-Maschine-Schnittstelle fungierten und im Hintergrund immer auf verlässliche Datenquellen verwiesen wird.
Zwischenfazit: Der Mensch muss sich im Vorfeld Gedanken darüber machen, wie der KI-Einsatz sinnvoll funktionieren soll, und die von der KI zu nutzenden Informationen in einen guten Qualitätszustand versetzen. Dann werden auch die Ergebnisse deutlich besser und die KI kann immer nutzerfreundlicher werden. Letztendlich steckt hinter dieser Technologie nach wie vor viel Mathematik und Statistik.
Einführung von KI im Unternehmen
Wie aufwendig solche KI-Einführungsprojekte im eigenen Unternehmen werden, lässt sich nur schwer pauschalieren und hängt den befragten Experten zufolge in erster Linie vom geplanten Leistungsumfang ab. „Wenn die passenden Daten gut aufbereitet vorliegen, kann sehr schnell, innerhalb nur weniger Tage, losgelegt werden“ sagt Reimann. Wichtig ist, dass möglichst alle erforderlichen Mitarbeitenden im Unternehmen eng eingebunden sind. Man benötigt für ein KI-Einführungsprojekt sowohl IT-Expertise als auch die Mitarbeiter, die am Ende die Chatbots bedienen und nutzen; sie müssen auch beurteilen, ob die mit generativer KI erzielten Ergebnisse nutzbar sind.


"Alle Unternehmensinformationen müssen selbst eingepflegt werden – auch um zu verhindern, dass sich der Chatbot etwas völlig frei ausdenkt", sagt David Graurock, Leiter des Wilo-KI-Kompetenzzentrums.
KI im Unternehmen strategisch verankern
Eher perspektivisch angelegte Projekte dagegen, die eventuell in engem Zusammenhang mit der eigenen Produktentwicklung stehen, sind eine ganz andere Herausforderung und benötigen dementsprechend auch mehr Zeit. Man fängt in aller Regel etwas schmaler an, tastet sich allmählich weiter vor und entwickelt seine KI fortlaufend weiter. Auf diese Weise kommt, wie das Anwenderbeispiel Wilo gut zeigt, mit der Zeit immer mehr Substanz hinzu. Reimann: „Langfristig führt an einem strategischen Plan nichts vorbei. Es gilt, im Unternehmen die künstliche Intelligenz strategisch zu verankern, sich vor allem Einsatzszenarien herausgreifen, die auch wertschöpfend sind oder den in die Wertschöpfung eingebundenen Personen Arbeit abnehmen, und alles regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen. Informationen suchen ist per se nicht wertschöpfend.“
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Welche Rolle der Mensch in der KI-getriebenen Zukunft spielt
Es ist fest davon auszugehen, dass sich mit dem Siegeszug der künstlichen Intelligenz auch die Arbeitsaufgaben, der Umfang und das Umfeld der Berufe verändern oder weiterentwickeln werden. Auch die Produkte selbst werden immer umfangreicher und komplexer. Alle Bereiche werden sich verändern, damit aber auch die Möglichkeiten im Maschinenbau
Generative KI gilt zunächst als ein neues Werkzeug, wie es der PC auch war, als er vor einigen Jahrzehnten seinen Einzug in das Arbeitsleben gehalten hat. Reimann: „Ähnlich wird das auch bei KI der Fall sein. Der Mensch wird immer versuchen, Dinge voranzutreiben.“ Die eigentlich spannende Diskussion, so der stellvertretende Geschäftsführer Software und Digitalisierung, dreht sich aber meistens darum, ob im Zuge der KI-Einführung Arbeitsplätze wegfallen werden. Hier gibt der Verband eindeutig Entwarnung: „Im Augenblick haben wir nach wie vor eher das Problem, dass uns an verschiedenen Stellen im Maschinenbau Menschen fehlen, die dort tätig werden können“, positioniert sich Reimann klar und deutlich. KI als Assistenten zu nutzen sei vielmehr ein gutes Hilfsmittel, die eine oder andere vielleicht etwas dröge Tätigkeit vom Zeitaufwand her zu reduzieren und den Fokus auf die abwechslungsreicheren und vor allem wertschöpfenden Dinge zu legen.
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Heterogenes Umfeld in der Praxis bleibt
Ein abschließendes Szenario aus der Praxis: In den Unternehmen treffen junge Menschen nach ihrer Ausbildung meist auf ein sehr heterogenes Umfeld: hochmoderne Maschinen wechseln sich ab mit ‚Dinos‘, die eventuell schon seit zehn oder zwanzig Jahren zuverlässig ihren Dienst verrichten. In der Ausbildung richtet sich man zwar an den neueren Dingen aus, das Alte ist aber trotzdem weiterhin vorhanden. In diesem Kontext müssen die jungen Menschen mit beiden Seiten umgehen können. Auch hier kann eine generative KI sehr hilfreich dabei sein, nicht mehr ganz taufrische Maschinen im Sinne einer nachhaltigen Nutzung weiterhin zu verwenden und damit Ressourcen zu schonen.
überarbeitet von: Dietmar Poll