Wie digitale Zwillinge, KI und Nachhaltigkeit zum Innovationsmotor werden, klären Experten auf dem nächsten Maschinenbau-Gipfel.

Wie digitale Zwillinge, KI und Nachhaltigkeit zum Innovationsmotor werden, klären Experten auf dem nächsten Maschinenbau-Gipfel. (Bild: somchai20162516 - stock.adobe.com (generiert mit KI))

Welchen Nutzen können Maschinenbauer mit Digital-Twin-Konzepten erzielen – und wie profitieren deren Kunden davon? Können Sie einige Beispiele aus der Praxis nennen?

Guido Reimann: Mit dem Digitalen Zwilling lassen sich zum Beispiel noch einmal sehr große Einsparungspotenziale durch die virtuelle Inbetriebnahme heben. Obwohl das Thema schon länger im Fokus ist, wurde es noch bei weitem nicht flächendeckend umgesetzt. Kunden können aber stark davon profitieren, wenn bereits im Vorfeld viele Dinge simuliert und geprüft werden können, etwa die gesamte Funktionalität, die Sensorik und Steuerungstechnik.

So lässt sich die Inbetriebnahmephase stark verkürzen – und die Produktion kann deutlich schneller starten. Zudem können Kunden schon vorab prüfen, ob eine neue Maschine oder Komponente in eine Brownfield-Umgebung oder in eine vernetzte Anlage passt.

Es gibt mittlerweile auch Services rund um die Schulung, bei der Maschinenbediener auf Basis der Daten aus dem Digitalen Zwilling in der Simulation Abläufe besser proben und lernen können. Hier spielt die Kombination mit Generativer KI (GenAI) eine wichtige Rolle: Damit liegen Anleitungen und Informationen zu Fragen sofort in natürlicher Sprache vor, ohne dass in langen Dokumentationen gesucht werden muss, wie beispielsweise ein Ersatzteil ganz konkret ausgetauscht wird.

maschinenbau-Gipfel Salon
(Bild: mi-connect)

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Der nächste Maschinenbau-Gipfel Salon findet am 26. Mai 2025 in Graben-Neudorf (Bruchsal) bei SEW-Eurodrive und via Livestream statt.

 

Das Thema: "Innovation im Fokus: Virtuelle Zwillinge, Kreislaufwirtschaft und die Rolle der KI"

 

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Guido Reimann ist stellvertretender Geschäftsführer des VDMA Software und Digitalisierung sowie Koordinator des Kompetenznetzwerks Künstliche Intelligenz im VDMA.
Guido Reimann ist stellvertretender Geschäftsführer des VDMA Software und Digitalisierung. Er ist einer der Podiumsgäste auf dem nächsten Maschinenbau-Gipfel Salon am 26. Mai 2025. (Bild: VDMA)

Was steckt typischerweise an Vorarbeiten dahinter, um digitale Zwillinge in die Praxis zu bringen?

Reimann: Das Thema digitaler Zwilling wird ja seit einigen Jahren in der Branche diskutiert und vorangetrieben. Wir sehen, dass Unternehmen beim Digital Twin ihrer eigenen Produkte oft schon einige Schritte weiter sind als mit Blick auf ihre Prozesse. Daten sind dabei jedoch immer der Kern, ohne sie kommt man an dieser Stelle nicht weiter. Hier ist durchaus noch Luft nach oben: Datenqualität ist seit vielen Jahren ein riesiges Thema, das leider oft noch etwas stiefmütterlich behandelt wird.

Um an die Daten heranzukommen, müssen sich Unternehmen strategisch damit auseinandersetzen und einige „Hausaufgaben“ erledigen. Wichtig ist eine Kultur, in der Daten – ähnlich wie Finanzmittel und Rohstoffe – als entscheidender Faktor für das eigene Geschäftsmodell gesehen werden. Das gilt nicht nur für dessen Ausbau, sondern auch, um die eingesetzten Ressourcen viel effizienter nutzen zu können. Bei der Pflege der Datenqualität kann heute wiederum auch die KI einen wichtigen Beitrag leisten, um diese Aufgaben zu vereinfachen.

Wie könnte die KI helfen, die Datenqualität anzuheben?

Reimann: Ohne eine gute Datenbasis lassen sich beispielsweise keine sinnvollen Simulationen zum Beispiel für Planungsprozesse in der Auftragsbearbeitung fahren. Beispielsweise wurden häufig irgendwann einmal die Bearbeitungszeiten für Maschinen hinterlegt. Mit KI, die diese Bearbeitungsprozesse begleitet, könnten sie (etwa im Rahmen des Digital-Twin-Datenmodells) automatisch auf aktuellem Stand gehalten werden. Sprachmodelle (Large Language Models – LLM) helfen im Service Instandhaltern oder Servicetechnikern beispielsweise dabei, in natürlicher Sprache zu dokumentieren, welche Teile ausgetauscht, welche Fehler angezeigt oder gefunden wurden und wie die Lösung aussah.

Zugleich begleitet diese KI die Prozesse bis zur automatisierten Ersatzteilbestellung oder Rechnungserstellung für den Service-Einsatz. Generative KI auf Basis von LLM kann angefüttert werden mit Produkt-Dokumentationen, Stücklisten und anderen relevanten Informationen. Je mehr Daten gesammelt werden, desto besser lernt die KI wiederum über Zusammenhänge und kann Tipps geben, mit denen gegebenenfalls auch der Kunde selbst schneller Probleme lösen kann!

Warum ist es so wichtig für den Maschinen- und Anlagenbau, dass Generative KI tatsächlich in die Produkte und Services integriert wird? Wo ist da aus Ihrer Sicht der größte Hebel und wie weit sind die Unternehmen hier?

Reimann: Eine gemeinsame, aktuelle Studie mit PwC zeigt: Generative KI (GenAI) wird von 52 Prozent der 247 befragten Unternehmen als potenzieller Gamechanger für die Branche gesehen. Wir haben 45 reale Anwendungsszenarien betrachtet. Bereits eine Handvoll dieser Anwendungsfälle bringt solch entscheidende Vorteile , dass man diese möglichst schnell umsetzen sollte, um sich vorn zu positionieren. Diese Use Cases könnten eine operative Margensteigerung um insgesamt 10,7 Prozentpunkte bewirken. Das entspräche nach aktuellem Stand einem zusätzlichen Gewinn von 28 Milliarden Euro für den gesamten deutschen Maschinen- und Anlagenbau.

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Klar ist auch: Die Welt um uns herum bleibt nicht stehen. Gerade für eine exportorientierte Branche bedeutet das, dass sich Wettbewerber in anderen Ländern auch mit der Technologie beschäftigen. Wer das nicht macht, hat entsprechend schlechtere Karten. Mit GenAI rückt der Kundennutzen noch einmal mehr in den Vordergrund, denn die Kunden haben zunehmend hohe Anforderungen aufgrund von Regulatorik, Marktdynamiken oder Diversifizierungsbedarf. Dafür müssen insbesondere die wertschöpfenden Prozesse nicht nur mit KI angereichert, sondern manchmal auch grundsätzlich neu gedacht werden.

Welchen Impact kann GenAI mit Blick die Fachkräfte entfalten?

Reimann: Oft sind bei langlebigen Produkten die Anlagen älter als die Servicetechniker und -technikerinnen, die sie warten sollen. Hier helfen Sprachmodelle, im Hintergrund gesammeltes historisches Erfahrungswissen aus vielen Quellen über natürlich-sprachige Kommunikation verfügbar zu machen. Mittlerweile hat sich gezeigt: Wird der Zugriff auf einen spezifischen Pool von Dokumenten und Informationsquellen eingegrenzt, dann lassen sich auch die Halluzinationen, also Fehler der KI vermeiden. GenAI kann auch das Onboarding von neuen Mitarbeitenden verbessern. Ein aktuelles Praxisbeispiel: Ein kleinerer Maschinenbauer hat über die Jahre viele Projekte abgeschlossen, aber aufgrund der natürlichen Fluktuation viel neues Personal eingestellt.

Die „Neuen“ kennen die alten Projekte nicht, aber es gibt eine gute, digital verfügbare Projektdokumentation. Mit einem Sprachmodell bekommen sie jetzt anhand von gezielten Fragen sofort gut aufbereitete Infos und Erfahrungswerte aus vergleichbaren früheren Vorhaben. Auch beim Thema Angebotserstellung, wo hohe Geschwindigkeit zunehmend erfolgsentscheidend wird, oder bei Anfragen zu Preisen oder Lieferzeiten einer Bestellung, beschleunigt GenAI durch den Zugriff zum Beispiel auf ERP-Daten die Prozesse etwa mit vorgefertigten Mails. Der Mensch muss gegebenenfalls nur noch einmal die Vorschläge kritisch prüfen.

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Wie profitieren Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit von Digital-Twin-Modellen und KI?

Reimann: Erst einmal vorweggeschickt: Gerade beim Thema Kreislaufwirtschaft müssen Unternehmen in Zukunft noch deutlich stärker auf Kooperationen und auf Netzwerke setzen. Insbesondere für Komponentenhersteller ohne direkten Kontakt zu Maschinenbetreibern ist es wichtig, dass alle Beteiligten enger zusammenarbeiten – und vor allem auch Daten teilen. Denn erst mit Hilfe dieser Lebenszyklusdaten gewinnen wir Erkenntnisse daraus, wie Produkte genutzt und bedient werden oder welche Servicefälle es gibt. Dann können Produkte zukünftig so ausgelegt werden, dass sie zur realen Nutzung passen und der Ressourcenverbrauch mit Blick auf Energie, Rohstoffe oder Ersatzteile minimiert wird.

Zudem können produzierende Unternehmen in Verbindung mit dem digitalen Zwilling und KI-basierten Analysen in Bezug auf die Nutzung der Maschinen und Anlagen profitieren: Durch Optimierungsvorschläge bei der Werkstückbearbeitung, bei der Durchführung von Wartungsintervallen oder zusätzliche Bedienungsassistenz: Ebenfalls Maßnahmen, die auf die Verlängerung der Lebensdauer der Maschinen einzahlen können und damit Ressourcen schonen.

Wenn Produkte schließlich der „Demontage“ und Wiederverwertung zugeführt werden, braucht es auch wieder Informationen, um die einzelnen Materialien richtig zuzuordnen und die geeigneten Verfahren nutzen zu können. Auch hier ist der digitale Zwilling das Mittel der Wahl: Er vereint im besten Fall alle wichtigen Lebenszyklusinformationen und ermöglicht so ein zielgerichtetes Recycling  Zudem lassen sich beispielsweise mit KI in der Bildanalyse auch Rohstoffe noch besser automatisch sortieren.

Es stellt einen erheblichen Wirtschaftsfaktor für Europa dar, wenn wir es nicht nur schaffen, den Ressourcenverbrauch zu reduzieren, sondern auch mehr von den in Produkten „verbauten“ Rohstoffen wieder nutzbar zu machen. Aber dafür brauchen wir entsprechende Maschinen und geeignete Ausrüstung, weil das Recycling ansonsten in keinem ausgewogenen Kosten-Nutzen-Verhältnis stehen kann: Eine wichtige Chance für unsere Branche.

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