Wasserpumpenrad, 3D-Druck, BMW

Renntechnik aus dem 3D-Drucker: BMW fertigt Wasserpumpenräder für seine DTM-Rennwagen im additiven Fertigungsverfahren. - (Bild: BMW)

"Der 3D-Druck ist noch keine disruptive Technologie für die Serienproduktion in der Automobilindustrie", sagt Dr. Guido Hertel, Partner bei der Unternehmensberatung A.T. Kearney. Er sieht für die additive Fertigung in der Automobiltechnik Einsatzmöglichkeiten eher in der Entwicklung und bei Prototypen. Denn die entscheidende Frage lautet: Wird die additive Fertigung irgendwann einmal so günstig, dass der OEM den sogenannten Gewichtsersparnishebel anwenden kann? Also rechtfertigt eine signifikante Gewichtsreduzierung eines Bauteils hohe Fertigungskosten?

Diesen entscheidenden Schritt ist die Luftfahrtindustrie schon gegangen: Die LEAP-Engine hat eine Einspritzdüse mit einer neuartigen Geometrie. Die lässt sich nur mit einem 3D-Drucker herstellen. Sie verbessert die Gesamtkosten der Turbine so sehr, dass sie den teureren 3D-Druck des Einzelteils rechtfertigt. Aber es war ein langer Weg dorthin. Hertel: "Das hat viele, viele Probeteile gedauert, bis es soweit war." Letztendlich hat sich der 3D-Druck in der Luftfahrtindustrie durchgesetzt, da dort die Forderung, Gewicht einzusparen, noch drängender ist als in der Autoindustrie.

3D-Druck in der Luftfahrtindustrie

"Man kann heute in der Luftfahrt wesentlich größere Werthebel holen, die ein wesentlich teureres Verfahren rechtfertigen", erklärt Hertel. Darüber hinaus sind die Stückzahlen in der Luftfahrtindustrie üblicherweise so gering, dass es sich zur Zeit nicht lohnt, extra ein Werkzeug dafür zu bauen. „Da macht es Sinn, das Teil aus dem Vollen zu drucken", so der Unternehmensberater und ergänzt: "Das sind Kleinserienvorteile, die hier auch wieder einen Hebel haben."

Die Autobranche ist also nicht die Leitindustrie in Sachen 3D-Druck und wird wohl auch in Zukunft nicht die Leitindustrie sein. Andere Branchen – wie eben die Luftfahrt – profitieren deutlich stärker von der additiven Fertigung. Damit sich eine Serienproduktion mit 3D-Metalldruckern für die Autoindustrie lohnt, müssen sich die Produktionskosten drastisch reduzieren. Doch der Kostenfaktor ist nicht der einzige Hemmschuh. Insbesondere bei Teilen, bei denen die optische Güte entscheidend ist, gilt die additive Fertigung als noch verbesserungsfähig. Hertel: "Ich kann nur wenige Teile drucken und sie direkt verwenden ohne weitere Prozessschritte." Und  Nachbearbeiten kostet wieder Zeit und Geld. Deswegen befindet sich ein Großteil der Projekte in der Auto- und Nutzfahrzeugindustrie im Prototypenstadium. Den 3D-Druck nutzen die Autobauer für den Prototypenbau und für Pilotprojekte.

Bei MAN Truck & Bus kommt die Technik beispielsweise in der Entwicklung und der Produktion bei der Erstellung von funktionalen Prototypenbauteilen und Designmustern zum Einsatz. Das senkt laut der VW-Tochter Kosten und Entwicklungszeiten. Doch handelt es sich hier um keine Großserienproduktion. Branchenbeobachter Hertel sieht das ohnehin nirgendwo in der Autoindustrie: "Es gibt noch keine größere Anwendung in der Serienproduktion. Vielmehr testet man damit. Man versucht, mit verschiedenen Teilen Erfahrungen zu sammeln." Ein Anwendungsfall, wo 3D-Druck laut Hertel schon heute eine Rolle spielt? Hochwertige Sportwagen oder der Rennsport. Hier sind die Hersteller gezwungen, extrem Gewicht zu einsparen. Außerdem spielt der Faktor Geld bei den ohnehin teuren Boliden nicht die ausschlaggebende Rolle. Schließlich handelt sich bei Sportwagen oftmals um Prestigeobjekte der Autobauer. Hier gilt es, das technisch Machbare zu demonstrieren. Ein weiteres Thema ist die Individualisierung der Fahrzeuge im Detail. So könnten die OEMs beispielsweise individuelle Schaltknäufe drucken.

Sehen wir den 3D-Drucker in der Autoindustrie also nie im Großserieneinsatz? Nahezu alle von ‚Produktion‘ befragten Automobilhersteller reagierten mit großer Zurückhaltung. Lediglich BMW war zu einer Stellungnahme bereit. Jens Ertel, Leiter des BMW Group Additive Manufacturing Center, sagt: "In der Branche beobachten wir einen positiven Trend zur Reduzierung von Produktionszeiten, Technologie- und Werkstoffkosten. Flächig arbeitende Technologien sind daher ein wesentlicher Schlüssel für den Einsatz additiver Verfahren in der Serienproduktion." Jüngstes Beispiel sind erste Testeinsätze der sogenannten Multi Jet Fusion und der CLIP Methode. Zunächst setzt BMW die Verfahren im Prototypenbau ein. Auf lange Sicht ist der Einsatz in der Serienproduktion angedacht. Der Münchner Premiumhersteller bewertet den Einsatz dieser Methoden jedoch von Fall zu Fall vor dem Hintergrund der Wirtschaftlichkeit und technologischen Machbarkeit. Ertel: "Wir rechnen mit einem Großserieneinsatz von additiven Fertigungsmethoden frühestens im nächsten Jahrzehnt."

MAN sieht Potenzial für Großserienproduktion

Auch MAN sieht Potenzial für den 3D-Druck in der Großserienproduktion. Auf Anfrage von ‚Produktion‘ erklärte der Truck- und Bushersteller: "Eine Ausweitung der generativen Fertigung auf die Serienproduktion ist insbesondere für Teile mit komplexer Geometrie vorstellbar."

MAN Truck & Bus nutzt den 3D-Druck schon seit mehreren Jahren über die gesamte Wertschöpfungskette. In der Ersatzteillogistik läuft zurzeit ein Pilotprojekt zu Ersatzteilen, die der Markt nur in geringen Stückzahlen anfordert. MAN teilte gegenüber unserer Zeitung mit: "So lässt sich beispielsweise die Beschaffungszeit auch von Sondertei­len im Ersatzteilwesen deutlich re­duzieren." Und das, ohne dass das Verschrottungsrisiko durch Min­­destabnahmemengen steigt. Das Einsatzfeld ergibt sich aktuell vor allem aus der benötigten Stückzahl. Die konventionelle Fertigung ist aber bei gegebener Stückzahl in der Regel kostengünstiger. Der Truck- und Busspezialist sieht jedoch großes Potenzial in der Verwendung der 3D-Druck-Technologie, denn sie bewirke durch die Verkürzung von Entwicklungszeiten sowie einer schnelle Reaktionszeit bei Sonderteilen und Sonderer­satzteilen einen Vorteil für MAN und insbesondere auch für die Kunden.

Dabei beschränkt sich der Lkw-Hersteller zunächst auf Kunststoffteile. Denn die Beschaffung von konventionellen gefertigten metallischen Ersatzteilen ist derzeit  noch technisch einfacher und wirtschaftlicher. Ein Grund ist der hohe Preis für metallisches Pulver. Des Weiteren sind metallische Bauteile häufig sicherheitskritisch und hochbelastet. Das heißt, der Qualitätssicherung kommt eine außerordentlich große Bedeutung zu. Trotz eines vielversprechenden Starts des Pilotprojekts sieht MAN das Thema 3D-Fertigungsprozesse erst ganz am Anfang der Praxis­tauglichkeit. Vor allem die Qualitätsfreigabe ist noch eine große Herausforderung. Denn die Erfahrungen, was Bauteilqualität und Langlebigkeit der gedruckten Komponenten betrifft, sind noch nicht sehr umfangreich.

Auch die Nutzfahrzeugsparte von Daimler vertraut im Ersatzteilgeschäft seit September dieses Jahres auf den 3D-Druck. Im Bereich Customer Services & Parts setzt Mercedes-Benz Lkw 3D-Druckverfahren für Kunststoff-Ersatzteile als Standard-Produktionsmethode ein. Die Kunden können bereits 30 Original-Ersatzteile aus dem 3D-Drucker in beliebiger Stückzahl ‚auf Knopfdruck‘ bestellen. Und das schnell, wirtschaftlich sowie in gleichbleibender Herstellerqualität, wie Daimler verspricht. Andreas Deuschle, Leiter Marketing & Operations im Geschäftsbereich Customer Services & Parts Mercedes-Benz Lkw, sagt: "Gemäß unserem Markenversprechen ‚Trucks you can trust‘ setzen wir bei Ersatzteilen aus der 3D-Produktion die gleichen Maßstäbe in puncto Zuverlässigkeit, Funktionalität, Langlebigkeit und Wirtschaftlichkeit wie bei Teilen aus herkömmlicher Fertigung." Daimler profitiere dabei von der großen Erfahrung mit 3D-Druckprozessen im Prototypenbau. Die verfügbaren Ersatzteile bestehen aus Kunststoffkomponenten wie Abdeckungen, Abstandshalter, Federkappen, Luft- und Kabelkanäle, Klammern, Aufhängungen oder auch Steuerelemente. Die gedruckten Ersatzteile entstehen mit 3D-Druckern auf Basis des Selective Laser Sintering (SLS) Druckverfahrens. Daimler verkündet: "Das umweltfreundliche und ressourcenschonende 3D-Druckverfahren spielt eine zukunftsweisende Rolle im After-Sales."

Additive Fertigung von Ersatzteilen

Die Herausforderung im Ersatzteilgeschäft liegt darin, die Versorgung auch für Baureihen sicherzustellen, die nicht mehr produziert werden. Dadurch befinden sich im Sortiment auch Ersatzteile, die pro Jahr nur in geringen Stückzahlen nachgefragt werden. Ihre Produktion ist somit laut Daimler für Lieferanten zunehmend unwirtschaftlich. Schließlich müssen Produktionsanlagen und Werkzeuge über Jahre hinweg vorgehalten und gewartet werden. Dank des 3D-Drucks gehöre dieses Problem der Vergangenheit an. Denn jedes 3D-Ersatzteil stehe weltweit ‚on demand‘ kurzfristig zur Verfügung.

Soweit so einfach, oder? Guido Hertel, 3D-Druck-Experte bei A.T.Kearney, kann da nicht zustimmen: „Es ist nicht so, dass ich ein Teil einfach so dahin lege und wenn das Ersatzteil gebraucht wird, drucke ich es mir aus.“ Denn eine solche Anlage müsse man erst einmal einfahren. Wenn diese Erfahrung erst einmal gesammelt ist, ist es möglich, das Teil wegzulegen und später wieder zu drucken. "Aber ein Teil, das man vorher nie gedruckt hat, einfach auf Bestellung drucken und beim ersten Mal funktioniert das? Das geht technisch noch nicht."  Das heißt, die Hersteller, in dem Fall Daimler Nutzfahrzeuge und MAN, müssen für jedes x-beliebige Ersatzteil eine gewisse Erfahrung aufbauen.

Komplette Autos aus dem 3D-Drucker bleiben Science-Fiction

Probeteile machen, eben schauen, ob sie die Komponenten überhaupt richtig drucken können. "Grundsätzlich ist das zwar möglich, aber ob da ein Riesengeschäft daraus wird, bezweifle ich", so Hertel. Seine Kalkulation: Wer ein Ersatzteil erst vier- bis fünfmal probedrucken muss und das Teil nur zweimal bestellt wird, dann rechnet sich das nicht immer. "Das Ersatzteilgeschäft ist nicht das Business, in dem der 3D-Druck eine große Zukunft haben wird", glaubt der Unternehmensberater.

Fazit: Ob das Ersatzteilgeschäft ausreichend Monetarisierungsmöglichkeiten bietet, wird sich erst zeigen müssen. Eine Serienproduktion im großen Stil? Vielleicht im nächsten Jahrzehnt. Von einer Disruption kann somit keine Rede sein. Komplette Autos aus dem 3D-Drucker bleiben sowieso Science-Fiction. Gleichwohl hat die additive Fertigung in der Auto- und Nutzfahrzeugbranche schon heute ihren festen Platz ­– beispielsweise in der Entwicklung und Prototypenfertigung – gefunden.

So nutzt die BMW Group bereits heute den 3D-Druck

Mit bisher mehr als 10 000 additiv produzierten Bauteilen für den Rolls-Royce Phantom setzt die BMW Group bereits seit 2012 Bauteile aus dem 3D-Drucker in der Serienproduktion ein. Auch für den neuen Rolls-Royce Dawn fertigt das Additive Manufacturing Center im Forschungs- und Innovationszentrum des Unternehmens (FIZ) seit Anfang des Jahres Teile mit solchen formgebenden Verfahren. Für den Rolls-Royce Dawn entstehen seit Anfang dieses Jahres Halterungen für Lichtleiter im 3D-Drucker. Über die Modelllaufzeit wird das Unternehmen mehrere tausend solcher Clips verbauen. Die neuen, flächig arbeitenden Drucktechnologien erlauben deutlich schnellere Produktionszeiten im Vergleich zu herkömmlichen, punktuellen 3D-Druckverfahren. Dabei findet eine Belichtung der kompletten Bearbeitungsfläche durch Beamer oder Infrarot statt, im Vergleich zu punktförmigen und hochpreisigen Lichtquellen wie CO2- oder UV-Laser.

Jens Ertel, Leiter des Additive Manufacturing Center der BMW Group: "Flächig arbeitende Technologien sind ein wesentlicher Schlüssel für den Einsatz additiver Verfahren in der Serienproduktion. Jüngstes Beispiel sind erste Testeinsätze der HP Multi Jet Fusion Technologie. Zunächst wird das Verfahren im Prototypenbau eingesetzt, über lange Sicht ist der Einsatz in der Serienproduktion angedacht." Das Verfahren arbeitet mit Druckköpfen und Flüssigkeiten, ähnlich wie bei einem herkömmlichen Tintenstrahldrucker. Zu Beginn des Prozesses wird eine dünne Kunststoffpulverschicht aufgetragen. Als nächstes spritzt der Druckkopf zwei spezielle Lösungen in das Pulverbett.

Das Besondere dabei ist, dass fast zeitgleich das Aufschmelzen der jeweiligen Schicht des Bauteils durch flächige Infrarotstrahlung erfolgt. Das beschleunigt die Produktionszeit und erhöht damit die Flexibilität. Bereits Ende letzten Jahres wurde laut BMW mit der sogenannten CLIP-Technologie (Continuous Liquid Interface Production) ein Durchbruch im Bereich der flächenhaften 3D-Druckverfahren erreicht. Das Verfahren verkürzt Produktionszeiten deutlich, da es mit einer flächigen Belichtung durch einen Beamer arbeitet. Die BMW Group setzte das Verfahren erstmalig ein, um individualisierte Seitenblinker der ‚Drive Now‘ Carsharing-Flotte zu produzieren.

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