Volatilere Aufträge, die zunehmende Vernetzung der Produktion und „Losgröße 1“ stellen Produktionsleiter und Schichtplaner gleichermaßen vor Herausforderungen. Eine starre Einsatzplanung passt längst nicht mehr zu Industrie 4.0. Hinzu kommt die Forderung vieler Schichtarbeiter nach mehr Work-Life-Balance und Freizeitausgleich.
Für Industriebetriebe ist diese Vorstellung jedoch häufig noch ein Horrorszenario. Sie befürchten Produktionsengpässe und Personallücken, die den Standort Deutschland nachhaltig schädigen. Eine Lösung dieses Problems stellt die integrierte und bedarfsorientierte Personaleinsatzplanung dar.
Einsatzpläne werden systemgestützt so gestaltet, dass sie einerseits die Auftragslage und andererseits die Bedürfnisse der Mitarbeiter berücksichtigen. So entsteht eine Win-Win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der folgende Beitrag zeigt, wie eine bedarfs- und gleichzeitig mitarbeiterorientierte Personaleinsatzplanung auf dem Shopfloor funktioniert und gibt praktische Tipps zur Umsetzung.
Digitale Schichtplanung nach Bedarf
Kurzfristige Änderungen der Aufträge oder Mitarbeiterausfälle führen dazu, dass heute die Kapazitätsplanung wöchentlich bis täglich angepasst werden muss. Eine Planung mit Excel stößt hier schnell an ihre Grenzen. Manuelle Tools für die Schichtplanung ermöglichen keinen bereichsübergreifenden und auch keinen bedarfsoptimierten Personaleinsatz. Das Resultat sind Maschinenstillstände, Zusatzschichten oder Produktionsleiter, die verzweifelt nach geeigneten Ersatzkräften, suchen.
Als Berechnungsgrundlage für die bedarfsorientierte Schichtplanung dienen im Idealfall die Daten aus Produktionsplanungssystemen. Da etwa die Hälfte der Produktionsunternehmen die Bedarfsermittlung nicht systemgestützt durchführt, sind hohe Planungsaufwände und kurzfristige Planänderungen vorprogrammiert.
Wie die optimale Auslastung sichergestellt werden kann
Durch die Integration von Produktionsplanungssystem, Personaleinsatzplanung und Zeitwirtschaft entsteht maximale Transparenz über den tatsächlichen Personalbedarf sowie die vorhandenen Brutto- und Nettokapazitäten – sowohl lang- als auch kurzfristig. Auf Basis der geplanten Aufträge gibt das System den Personalbedarf für ein Werk, eine Linie oder Schicht in einem bestimmten Zeitintervall vor.
Durch die Integration mit der Zeitwirtschaft sieht der Planer in seinem Cockpit genau, ob die benötigten Personalkapazitäten tatsächlich vorhanden sind. Drohen Engpässe, warnt das System proaktiv. Bei der Berechnung der Nettokapazität fließen Abwesenheitsquoten, zum Beispiel Krankheit, mit ein.
Auch Urlaubsquoten können entsprechend dem Kapazitätsbedarf gezielt vorgegeben werden. Auf diese Weise lässt sich bereits im Vorfeld vermeiden, dass Urlaube oder Freizeitausgleiche genehmigt werden, wenn die Personaldecke dünn und die Auslastung hoch ist. Durch die Koppelung mit der Zeitwirtschaft hat der Planer auch die Zeitkonten seiner Mitarbeiter immer im Blick. So können Zusatzschichten, Sonntagsarbeit oder Überstunden fair innerhalb des Teams verteilt werden.
Sogar ein auf individuell definierten Regeln basierender Planvorschlag – der Automatische Dienstplan – kann auf Knopfdruck erzeugt werden. Hierbei fließen Jahresurlaubsplan, Pausen oder gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeiten automatisch in die Disposition ein. So ist eine optimale Auslastung der Maschinen und gleichzeitig ein mitarbeiterfreundlicher, gesetzeskonformer Personaleinsatz sichergestellt.
Wie Mitarbeiter durch digitale Schichtplanung entlastet werden
Vielen Schichtarbeitern, auch in anderen personalintensiven Branchen wie zum Beispiel dem Gesundheitswesen ist die ausgleichende und vor allem planbare Freizeit inzwischen wichtiger als zusätzliches Geld. Mit Hilfe einer digitalen Einsatzplanung lassen sich die Arbeitszeiten so flexibel gestalten, dass sie zu den Anforderungen und dem Alter der Mitarbeiter passen. Beispielsweise können Freischichten in eine fünfte Schichtgruppe zusammenfasst werden, so dass die Erholungswirkung verstärkt wird.
Eine andere Flexibilisierungsmöglichkeit sind die so genannten Wahlarbeitszeiten. Bei diesem Arbeitskonzept können Mitarbeiter freiwillig ihr Arbeitsvolumen reduzieren. So sieht beispielsweise der Tarifabschluss 2018 der IG Metall mehr Wahlmöglichkeiten bei der wöchentlichen Arbeitszeit vor.
Gleichzeitig können die Arbeitnehmer das neue tarifliche Zusatzgeld (T-ZUG) unter bestimmten Voraussetzungen in Freizeit umwandeln. Fest steht: Berücksichtigt die Schichtplanung die aktuelle Lebens- und Leistungssituation der Mitarbeiter, hat das auch für die Unternehmen Vorteile: Der Bedarf an Auszeiten oder der Ausfall durch Krankheit ist deutlich geringer und die Bereitschaft, eine zusätzliche Schicht zu übernehmen, steigt.
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Praktische Umsetzung - Tipp 1: Bereichsübergreifend planen
Eine gute Kapazitätsplanung minimiert zwar die Risiken für eine kurzfristige Planänderung, kann sie aber nicht verhindern. Über eine integrierte Software für Arbeitszeitmanagement und Schichtplanung stehen alle zeitwirtschaftlichen Daten und auch Qualifikationen, Arbeitszeitmodelle und Verfügbarkeiten der Mitarbeiter auf einen Blick zur Verfügung.
Per Mausklick kann der Planer sehen, welcher Mitarbeiter als Ersatz in Frage kommt und der entsprechenden Schicht zuordnen. Das gilt auch bereichs- oder werksübergreifend, sofern die erforderlichen Querqualifikationen vorhanden sind. Viele manuelle Prozesse bei Umbesetzungen fallen einfach weg.
So werden beispielswiese der Arbeitsplatzwechsel, die Umbuchung auf andere Kostenstellen oder Zeitkorrekturen automatisch abgebildet und fließen direkt in die Zeitbewertung ein. Da Einsatzplanung und Zeitwirtschaft voll integriert sind, erfolgt die Schichtplanung stets topaktuell auf Basis von Echtzeit-Informationen.
Praktische Umsetzung - Tipp 2: Springer-Pools einrichten
Bei kurzfristigen Ausfällen setzen Produktionsunternehmen häufig Leiharbeitnehmer ein. Der Einsatz von Leiharbeitern auf Arbeitsplätzen, die besondere Fähigkeiten oder Kenntnisse erfordern, führt jedoch häufig zu Produktivitätsverlusten, zum Beispiel aufgrund höherer Durchlaufzeiten oder vermehrtem Ausschuss.
Auch auf die Qualität der Produkte kann sich der Leiharbeitereinsatz negativ auswirken. Eine Alternative stellen so genannte Springer-Pools dar, die in die digitale Disposition einbezogen werden. Die Springer gehören zum Stammpersonal, übernehmen häufig aber nur ausgewählte Schichten oder arbeiten an bestimmten Wochentagen.
Sie verfügen über genau die Qualifikation, die für einen bestimmten Arbeitsplatz notwendig ist. Das Springer-Prinzip kommt also nicht nur einer flexibleren Produktion entgegen, sondern schafft auch die Basis für individuellere Arbeitszeitregelungen. Das ist ein Angebot, das Mitarbeiter erfahrungsgemäß sehr gerne annehmen.
Praktische Umsetzung - Tipp 3: Mitarbeiterwünsche integrieren
Der Wunsch der Arbeitnehmer nach ausgleichender und planbarer Freizeit ist ein Signal, das Unternehmen ernst nehmen sollten. Denn eine Arbeitszeitgestaltung, die Mitarbeitern entgegenkommt, senkt den Krankenstand und erhöht die Motivation.
Eine Einsatzplanung muss sozial verträglich, familienfreundlich, fair und nachvollziehbar sein. Dabei leisten intuitive Self Services eine große Hilfe. Über ein Portal oder mobile Endgeräte können alle Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten jederzeit einsehen, Urlaube beantragen, Wünsche oder Fahrgemeinschaften angegeben und Schichten tauschen.
Vorgesetzte profitieren von mehr Transparenz und einfacheren Genehmigungsprozessen, die Mitarbeiter von individuelleren Arbeitszeiten und einer schnelleren Bearbeitung von Urlaubsanträgen. Fühlen sich Mitarbeiter hingegen bei der Dienstplanung benachteiligt oder gar übergangen, sinkt die Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Die digitale Personaleinsatzplanung stellt außerdem sicher, dass bei Schichttauschaktionen und Mitarbeiterwünschen die gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Vorgaben eingehalten werden, und auch die Qualifikation stimmen.
Praktische Umsetzung – Tipp 4: Qualifikationen transparent machen
Neben der Fragestellung, wie viele Mitarbeiter auf welcher Schicht und welchem Arbeitsplatz eingeplant werden müssen, gehört zu einer optimalen Personaleinsatzplanung die Berücksichtigung von Qualifikationen. Konkret muss die Anforderung an den Arbeitsplatz mit dem Wissen und den Fähigkeiten des jeweiligen Mitarbeiters abgeglichen werden.
Die zentrale Pflege von Mitarbeiterqualifikationen, zum Beispiel Ersthelfer oder Brandschutzbeauftragte, und den Qualifikationsanforderungen einzelner Arbeitsplätze wie zum Beispiel eine bestimmte Maschine, ist die Voraussetzung für dieses Matching. Eine transparente Qualifikationsmatrix dient zudem der strategischen Personalentwicklung und der gezielten Weiterbildung der Mitarbeiter.
Best Practice: Mitarbeiter- und bedarfsorientierte Schichtplanung
Produktionsunternehmen wie thyssenkrupp Packaging Steel müssen im Zeitalter von Industrie 4.0 auf Markt- und Kundenanforderungen schnell und wirtschaftlich reagieren. Das Unternehmen betreibt in Andernach den weltweit größten Produktionsstandort für Verpackungsstahl und gehört zu den drei Topanbietern in Europa.
Derzeit stellen rund 2.400 Mitarbeiter jährlich etwa 1,5 Millionen Tonnen Verpackungsstahl für 400 Kunden aus 80 Ländern her. thyssenkrupp Packaging Steel setzt konsequent auf eine wirtschaftliche, nachfragespezifische Produktion. Flexible Betriebspunkte schaffen die nötigen Voraussetzungen, um im Bedarfsfall schnell und kostenoptimiert agieren zu können. Der Weißblechproduzent plant und steuert den Einsatz seiner etwa 2.000 Mitarbeiter in der Produktion mit ATOSS Workforce Management und stellt so die nötige Flexibilität seiner Belegschaft sicher.
Auch die komplexe Disposition der rund 70 Mann starken haupt- und nebenberuflichen Werkfeuerwehr erfolgt revisionssicher über die Lösung. Das Unternehmen arbeitet kontinuierlich und konsequent daran, flexible Produktivitätskapazitäten zu realisieren und eine optimale Belegung der Produktionsaggregate sicherzustellen. Bei der Disposition werden regelbasiert Höchstarbeitszeiten, Ruhezeiten, Schichtfolgen, Zeitkonten, Qualifikationen und Freizeitbedingungen direkt vom System berücksichtigt.
Auch individuelle Vereinbarungen und Wünsche der Mitarbeiter fließen automatisch in die Planung ein. Als nächstes steht die Einführung der Mobile Workforce Management App auf dem Programm, denn das Unternehmen möchte die Mitarbeiter noch aktiver in das Arbeitszeitmanagement integrieren. Sie können dann jederzeit und überall Zeitbuchungen und Einsatzpläne einsehen, Urlaube und freie Tage beantragen oder Schichten mit Kollegen tauschen. Flexibilität ist bei thyssenkrupp Packaging Steel gelebte Realität – eine zukunftsfähige Arbeitswelt auch.
Fazit: Industrie 4.0 braucht Flexibilität
Während die digitale Integration auf dem Shopfloor stetig voranschreitet, läuft die Einsatzplanung in vielen Unternehmen noch mit Bordmitteln. Digitalisierung, Flexibilität und Vernetzung sind jedoch Kriterien, die auch für die Arbeitszeitgestaltung gelten müssen.
Soll Industrie 4.0 gelebte Realität werden, muss die Schichtplanung neben unternehmensspezifischen Bedarfstreibern auch die Anforderungen der Mitarbeiter berücksichtigen. Digitales Workforce Management schafft die nötige Basis und ermöglicht die heute so dringend geforderte unternehmerische Flexibilität.
Warum Industrie 4.0 flexible Arbeitszeiten braucht
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