Dr. Nadine Sterley, GEA.

Dr. Nadine Sterley ist Chief Sustainability Officer bei Gea. (Bild: Gea)

Warum ist es für Geas Klimaziele so wichtig, die eigenen Scope-3-Emissionen zu reduzieren?

Dr. Nadine Sterley: Wir sind Hersteller von Maschinen und Anlagen für sehr energieintensive Branchen wie etwa die Lebensmittel- und Pharmaherstellung. Durch die Konstruktion von immer energieeffizienteren Maschinen hat Gea daher einen enormen Einfluss, um Unternehmen in diesen Branchen bei der Dekarbonisierung zu unterstützen und zur Begrenzung der Erderwärmung beizutragen.

Zur Reduzierung unserer indirekten Scope-3-Emissionen – etwa durch den Einsatz unserer Maschinen beim Kunden – haben wir uns deshalb ehrgeizige Ziele gesetzt. Wir wollen diese Emissionen bis 2030 um 18 Prozent gegenüber 2019 reduzieren. Bis 2040 wollen wir ein Netto-Null-Ziel über die gesamte Wertschöpfungskette, einschließlich Scope 3, erreichen. Damit wollen wir schneller sein als Deutschland und die EU, denn wir sind davon überzeugt, dass es schneller geht und auch schneller gehen muss.

Warum setzen Sie sich so ehrgeizige Ziele?

Sterley: Nun, weil Gea Technologieführer für industrielle Produktionen ist und dieser Führungsanspruch für die Ausrichtung des gesamten Unternehmens, und natürlich auch für die Klimastrategie, steht. Wir machen es uns sogar noch schwerer, denn wir streben nun auch die Validierung von Net Zero bis 2040 durch die Science Based Targets Initiative (SBTi) an, nachdem wir vor zwei Jahren bereits unsere Zwischenziele haben validieren lassen. Scope 3 in den Griff zu bekommen, ist auch deshalb so wichtig, weil ein beträchtlicher Teil der Emissionen unserer Technologien naturgemäß während der Nutzung entsteht. Also setzen wir dort an. Denn als Prozesstechnologen können wir Produktionsroutinen hinterfragen, weiterentwickeln, und innovieren. Ohne industrielle Hightech ist Nachhaltigkeit nicht realisierbar.

 

Nadine Sterley hält zum Thema Scope-3-Emissionen auch einen Vortrag auf dem Maschinenbau-Gipfel in Berlin. Alle Informationen zur Veranstaltung gibt es hier:

Deutscher Maschinenbau-Gipfel 2022
(Bild: mi-connect)

Deutscher Maschinenbau-Gipfel

Der Maschinenbau-Gipfel 2023 ist vorbei - hier können Sie die Highlights Revue passieren lassen:

 

Die Veranstalter des Maschinenbau-Gipfels, VDMA und PRODUKTION freuen sich, wenn Sie auch 2025 in Berlin dabei sind!

 

Hier geht es zur Website des Maschinenbau-Gipfels.

Was konkret tun Sie dafür?

Sterley: Wir transformieren unser Geschäftsmodell, um künftig nachhaltigere Produkte bis hin zu klimaneutralen Produkten im Jahr 2040 anbieten zu können. Das ist Scope 3. Grundlage ist aber, dass wir unser Unternehmen ebenfalls transformieren – also unsere Geschäftsaktivitäten klimaneutral ausrichten. Dies beginnt damit, dass Nachhaltigkeit – einschließlich unserer Klimaziele – die erste Säule unserer Unternehmensstrategie ist.

So beziehen wir seit 2022 100 Prozent Ökostrom, wir steigern systematisch die Energieeffizienz in unseren weltweiten Aktivitäten und wir stellen unsere Flotte auf Elektrofahrzeuge um, um nur einige Beispiele zu nennen. Primär setzen wir auf technologische Innovationen und Investitionen in Forschung und Entwicklung, um die Energieeffizienz unserer Lösungen zu maximieren. Unser Ziel ist erstens, die Scope-3-Emissionen um 90 Prozent bis 2040 zu reduzieren. Und zweitens wollen wir die verbleibenden Restemissionen mit Hilfe unserer eigenen Technologien neutralisieren.

Ein konkretes Beispiel für Punkt 1: die Wärmepumpen. Sie sind wahre Effizienzwunder, die die Abwärme aus Prozessen nutzen, um sie in andere Produktionsschritte einzubauen. Das eröffnet neue Möglichkeiten für Industrien, die bisher auf fossile Brennstoffe angewiesen waren. Wie beispielsweise die Brauindustrie, die nun, wie etwa jüngst bei Heineken UK in Manchester, statt Gas zunehmend elektrische Energie nutzen.

Ein Beispiel für Punkt 2: Wir entwickeln Technologien für dauerhafte ‘Carbon Removals’, indem wir unsere Lösungen zur CO2-Abscheidung, -Speicherung und -Nutzung weiterentwickeln und skalierbar machen. Zudem erforschen wir auch weitere technologiebasierte Lösungen wie Direct Air Capture. Damit wollen wir die Restemissionen neutralisieren und Emissionen auch außerhalb unserer Wertschöpfungskette weiter reduzieren.

Im Juni haben wir zudem das TÜV-validierte Umweltkennzeichen ‘Add Better’ eingeführt, mit dem wir unseren Kunden helfen, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Denn damit kennzeichnen wir Lösungen – von Maschinen über Prozesse bis hin zu digitalen Lösungen und ganzen Anlagen –, die eine deutlich höhere Ressourceneffizienz aufweisen als ihre Vorgänger. Das Label gibt unseren Kunden transparent Auskunft, welche Verbesserungen wir vorgenommen haben und wie ihnen diese Lösung hilft, ihre Umweltauswirkungen zu verringern.

GEA führt das neue Ökolabel ‘Add Better’ ein.
GEA führt das neue Ökolabel ‘Add Better’ ein. Damit kennzeichnet das Unternehmen alle Lösungen – von Maschinen über Prozesse bis hin zu ganzen Anlagen –, die eine deutlich verbesserte Ressourceneffizienz aufweisen als ihre Vorgänger. (Bild: GEA)

Wie reagieren Ihre Zulieferer?

Sterley: Scope 3 schließt natürlich auch die Zulieferer mit ein. Sie sind für uns wichtige Partner auf dem Weg zur Erreichung unserer Klimaziele, und wir binden sie aktiv in unsere Prozesse ein. Unser Fokus liegt klar auf einer nachhaltigen Beschaffung. Dazu zählt nicht nur die Ausstattung und Optimierung des Produktportfolios, sondern auch die Logistik und die gesamte Lieferkette. Seit drei Jahren laden wir unsere bevorzugten Lieferanten zum jährlichen Lieferantengipfel ein, wo wir unsere Pläne und konkreten Erwartungen zu Klima- wie auch ethischen Kriterien vorstellen, einfordern und gleichzeitig in den Dialog treten. Wir haben sehr positives Feedback zu unserem Engagement erhalten, und viel von dem gelernt, was unsere Lieferanten bereits tun.

Können Sie ihren Zulieferern prozessual, möglicherweise aber auch mit Personal unter die Arme greifen?

Sterley: Mit Blick auf unsere wichtigsten Lieferanten haben wir eine nachhaltige Einkaufsstrategie eingeführt und sprechen regelmäßig mit ihnen über die Anforderungen, die sie bis 2026 vollständig erfüllen müssen. Unsere Zulieferer wissen, dass wenn sie unsere Kriterien erfüllen, sie dadurch einen Wettbewerbsvorteil erlangen. Wir arbeiten partnerschaftlich zusammen. Denn nur wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen, können wir alle unsere Ziele erreichen.

Podcast: Lisa Reehten (Bosch Climate Solutions) über Nachhaltigkeit

Wann werden Sie Ihre Ziele zu Scope 3 erreichen?

Sterley: Wir haben uns ein realistisches und ehrgeiziges Mittelfristziel gesetzt: Bis 2030 wollen wir unsere Scope-3-Zwischenziele erreichen, wie sie von der SBTi validiert wurden. Unser endgültiges Ziel ist es, bis 2040 Netto-Null-Emissionen zu erzielen. Vor uns liegt noch ein langer Weg, aber wir sind entschlossen und es gibt sehr viel zu bewegen. Naturgemäß dauert es einige Jahre, bis sich unsere Produktinnovationen und unsere Forschungs- und Entwicklungs-Aktivitäten in der Klimabilanz bemerkbar machen.

Ein anderes großes Thema ist die Kreislaufwirtschaft! Wie nähern Sie sich diesem Thema an?

Sterley: In der traditionellen Linearwirtschaft endet die Verantwortung eines Herstellers meist an dem Punkt, an dem sein Produkt verkauft wird und das Werk verlässt. Die Kreislaufwirtschaft erfordert hingegen eine neue Herangehensweise. Sie sieht eine langfristigere Beziehung vor. Die Herausforderung liegt darin, den gesamten Produktlebenszyklus von A bis Z nachhaltig zu gestalten. Der CO2- und Umweltfußabdruck, den GEA hinterlässt, reicht ja weit über die Grenzen der eigenen Standorte hinaus. Unabhängig davon, ob das Ziel ‘Null Emissionen’ oder ‘kein Frischwasserverbrauch’ lautet, erfordert die Umstellung auf ein Kreislaufkonzept daher Maßnahmen in allen Dimensionen unserer Tätigkeit – und auch das geht nur im Schulterschluss mit Lieferanten und Kunden.

Tatsächlich wird die zirkuläre Ausrichtung unsere große Aufgabe bis 2040. Denn unsere Maschinen und Anlagen können nicht einfach recycelt werden wie eine Glasflasche. Die Frage, wie zum Beispiel ein 3.000 Kilogramm schwerer GEA-Dekanter mit seinen präzise abgestimmten Komponenten und modernster Elektronik in ein Kreislaufkonzept passt, ist komplex. Klar ist: Bei der Umstellung auf die Kreislaufwirtschaft geht es auch um eine Transformation unseres Geschäftsmodells, im Zuge derer wir durch eine Lebenszeitverlängerung unserer Maschinen die Ressourceneffizienz bei den Kunden steigern können. Sie sehen, auch hier kommt wieder Scope 3 ins Spiel.

Wo steht Gea in Sachen Nachhaltigkeit in zehn Jahren?

Sterley: In zehn Jahren haben wir unsere Mittelfristziele für die gesamte Wertschöpfungskette erreicht und viel dazu gelernt. Wir werden den gesamten Designprozess von neuen Maschinen oder auch digitalen Lösungen so grundlegend auf Nachhaltigkeitsfaktoren ausgerichtet haben, dass es selbstverständlich sein wird, Themen wie Kreislaufwirtschaft, Dekarbonisierung oder Wassereffizienz in allen Facetten einzubeziehen und transparent zu machen. Auch werden wir unsere Zusammenarbeit mit Lieferanten und Partnern entlang der Wertschöpfungskette intensiviert haben – denn nur gemeinsam wird uns die Dekarbonisierung von so wesentlichen Wirtschaftsbereichen gelingen.

Wir sind bereits heute in Foren wie dem World Economic Forum aktiv, um übergreifende Nachhaltigkeitskriterien zu etablieren. Nachhaltigkeit bietet uns allen viele Chancen, sie ist keine Bürde.

(Bearbeitet von Sabine Königl und Anja Ringel.)

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