Beide Seiten einigten sich in der Nacht zum Dienstag in Hamburg auf ein Paket, das die deutschen Standorte bis Ende 2030 sichert und die Beschäftigten ebenso lange vor betriebsbedingten Kündigungen schützt.
Im Gegenzug kann Airbus eine Lösung für die seit Jahren defizitäre Teilefertigung suchen. Zudem kann sich der Branchenprimus - wie zuvor schon in Frankreich - auch in Deutschland industriell neu aufstellen, um sich für die absehbar stark steigende Produktion und den klimaneutralen Umbau des Fliegens zu rüsten.
Vorangegangen war ein zehn Monate währender Konflikt mit sieben Verhandlungsrunden und mehreren Warnstreikserien. Wären die Gespräche gescheitert, hätte die IG Metall eine Urabstimmung über einen Streik eingeleitet. "Nach dem Konflikt geht es jetzt um das Gestalten der Zukunft", sagte der norddeutsche Bezirksleiter und Verhandlungsführer der Gewerkschaft, Daniel Friedrich nach dem 18-stündigen Verhandlungsmarathon in einem Hotel am Hamburger Flughafen.
Erhebliche Neueinstellungen angekündigt
Airbus wird nun zum 1. Juli mit halbjähriger Verzögerung die bisher bei verschiedenen Gesellschaften angesiedelte Montage von Flugzeugrümpfen und -strukturen in einem neuen deutschen Tochterunternehmen zusammenfassen. In Frankreich ist eine vergleichbare Struktur mit der neuen Tochter Airbus Atlantic bereits seit Jahresanfang am Start. "Dass wir in Deutschland jetzt auch so weit sind, stärkt den Standort Deutschland, stärkt Airbus und insbesondere die kommerziellen Flugzeugaktivitäten im Airbus-Konzern deutlich", sagte der Airbus-Verhandlungsführer und deutsche Personalchef Lars Immisch.
Die noch namenlose Tochter, intern "ASA" genannt, wird ihren Hauptsitz in Hamburg haben und mehr als 10.000 Mitarbeiter beschäftigen - voraussichtlich mit deutlich steigender Tendenz, denn Airbus hat erhebliche Neueinstellungen angekündigt. Betroffen sind Teile des größten deutschen Airbus-Standortes Hamburg, das Airbus-Werk Stade sowie die Airbus-Tochter Premium Aerotec (PAG) mit den Standorten Bremen und Nordenham.
"Die Flugzeugstruktur wird bei der nächsten Generation von Flugzeugen eine wichtige Rolle spielen", sagte Airbus-Deutschlandchef André Walter. "Deshalb sind wir überzeugt davon, dass wir mit dieser industriellen Neuaufstellung die Möglichkeit schaffen, den Produktionshochlauf zu realisieren und uns sehr gezielt auf den Bau emissionsfreier Flugzeuge bis 2035 vorzubereiten."
Nachdem Airbus die Produktion der Kassenschlager aus der A320-Familie in der Corona-Krise von rund 60 auf 40 Maschinen pro Monat zurückfuhr, soll es bis Sommer 2023 schrittweise auf 65 Maschinen nach oben gehen. Für Mitte des Jahrzehnts sind bis zu 75 Maschinen pro Monat angepeilt. Auf dem Weg zum klimaneutralen Fliegen will Airbus zudem bis 2035 ein Passagierflugzeug mit Wasserstoffantrieb bis zur Marktreife entwickeln.
Win-Win-Situation
Angesichts dieser Herausforderungen sprach IG Metall-Bezirksleiter Friedrich von einer "magischen Win-Win-Situation". Airbus bekomme Klarheit für die angestrebte Neuaufstellung. "Auf der anderen Seite haben wir für die Beschäftigten Sicherheit und Perspektive mit diesem Ergebnis verabredet."
Aufgegeben wurde in der letzten Runde der ursprüngliche Plan, auch die Baugruppenfertigung in drei der vier PAG-Werke in Augsburg in die "ASA" aufzunehmen. Diese sollen nun gemeinsam mit der defizitären Teilefertigung im vierten Augsburger PAG-Werk, dem Standort im niedersächsischen Varel und dem rumänischen Standort Brasov an den mittelständischen Autozulieferer Muhr und Bender (Mubea) im nordrhein-westfälischen Attendorn verkauft werden.
Von Mubea liegt ein nach Airbus-Einschätzung "überzeugendes Angebot" vor. "Das Angebot beinhaltet ein umfangreiches Konzept zur langfristigen Arbeitsplatzsicherung und ermöglicht die Schaffung eines wettbewerbsfähigen deutschen Unternehmens." In der betroffenen Sparte sind nach Angaben von Walter in Deutschland gut 3.000 Menschen beschäftigt.
Der von Airbus bevorzugte Verkauf an einen Investor kann allerdings nur über die Bühne gehen, wenn auch Betriebsräte und IG Metall grünes Licht geben. Klarheit darüber soll bis Ende März gewonnen werden. Mubea mit rund 2,3 Milliarden Euro Umsatz und rund 14.000 Mitarbeitern an weltweit 48 Standorten fertigt Leichtbaukomponenten.
Das Unternehmen gehört seit vielen Jahren zu den Airbus-Zulieferern und will einer Mitteilung zufolge mit dem Erwerb der Einzelteilefertigung von Airbus "sein Standbein in der Luftfahrtindustrie nachhaltig ausbauen und stärken". Die Firma zeigte sich überzeugt, gemeinsam mit Gewerkschaft und Arbeitnehmervertretern "eine optimale Lösung für alle Beteiligten erzielen" zu können.